Einigung zu Gesundheitspass |
06.05.2002 00:00 Uhr |
So soll die bisherige Versichertenkarte zu einer begrenzten Gesundheitskarte erweitert werden. Noch in diesem Jahr sollen zudem Modellversuche mit dem elektronischen Rezept (E-Rezept) starten. Darauf verständigten sich laut Mitteilung vom Freitag Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sowie Kassen, Ärzte und Apotheker nach langem Tauziehen. Am Ende könnte dabei die elektronische Patientenakte stehen. Die Speicherung sämtlicher Daten bleibt für Patienten aber freiwillig.
Die bisherige Versichertenkarte selbst soll nicht zu einem umfassenden Gesundheitspass, sondern nur zu einer begrenzten Gesundheitskarte ausgebaut werden. So soll sie nur "unveränderliche Daten" wie etwa den europäischen Notfalldatensatz mit Blutgruppe und die Identifikation des Patienten umfassen, nicht aber laufende Behandlungsdaten. Zugleich soll die Karte aber als Instrument dienen, um später auf an anderer Stelle gespeicherte Gesundheitsdaten des Patienten zuzugreifen.
Als mögliches Ziel wird am Ende die elektronische Patientenakte genannt. In einem ersten Schritt soll zunächst in Modellversuchen das E-Rezept erprobt werden. Dabei hinterlegt der Arzt die Angaben zum Medikament auf einem Computerserver. Der Patient gibt dem Apotheker dann einen Code, so dass dieser das Rezept auf dem Server abrufen kann. Die elektronische Sammlung der Arzneidaten soll dem Arzt einen besseren Überblick über die Arzneitherapie ermöglichen und die Qualität der Arzneiversorgung verbessern.
Vor allem die Krankenkassen hatten sich für die "Server-Lösung" und gegen einen Arzneimittel- oder umfassenden Gesundheitspass auf Chipkarte gewandt. So verständigten sich die beteiligten Verbände auf den Aufbau einer "Telematik-Plattform". Dabei sollen E-Rezept, E-Arztbrief und Arzneimitteldokumentationen der Einstieg in die elektronische Patientenakte ermöglichen.
Die Lösung wurde laut Gesundheitsministerium in enger Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten entwickelt. So bleibt die Speicherung der Daten freiwillig. Auch können laut Ministerium die Patienten entscheiden, welche ihrer Gesundheitsdaten aufgenommen und welche gelöscht werden. In der gemeinsamen Erklärung wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass keine zentral gespeicherten Datensammlungen über Patientinnen und Patienten entstehen.
Aus Sicht der ABDA ist hervorzuheben, dass die Krankenkassen mit dieser gemeinsamen Erklärung erstmals die Erweiterung der Krankenversichertenkarte zum Gesundheitspass akzeptieren. Positiv sei auch, dass der Arzt die Verordnung verschlüsselt auf dem Server ablegt. Die Kassen können somit die Rezepte nicht vorab kontrollieren.
Interview: Kein Zugriff für Kassenvon Daniel Rücker, Eschborn
Ministerium und Krankenkassen, Apotheker und Ärzte haben sich auf eine gemeinsame Erklärung zum Gesundheitspass geeinigt. Die PZ sprach mit dem Vorsitzenden des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) Hermann S. Keller über die Konsequenzen für die Apotheker.
PZ: ABDA und DAV konnten ihre Forderung nach einem Gesundheitspass, der alle wesentlichen Daten auf einem Speicherchip enthält, nicht durchsetzen. Ist die jetzt verabschiedete gemeinsame Erklärung als Kompromiss trotzdem akzeptabel für die Apotheker?
Keller: Es standen zwei Modelle zur Entscheidung. Letztlich konnte sich keines der beiden vollständig durchsetzen. Die Krankenkassen akzeptierten die Auffassung von Gesundheitsministerium und Apothekerschaft zu einer weiterentwickelten Gesundheitskarte.
Außerdem stimmten die Kassen einer Smartcard als Sicherheitswerkzeug zu. ABDA und DAV konnten damit eine Verknüpfung von Versichertenkarte und Arzneimitteldokumentation durchsetzen. Das ist ein Erfolg. Die von den Kassen favorisierte reine Server-Lösung mit E-Rezept und Abholnummer aber ohne Smartcard, das so genannte Kölner Modell, ist vom Tisch.
PZ: Von der Absichtserklärung bis zur Umsetzung vergehen im Gesundheitswesen oft Jahre. Welchen Zeitplan halten Sie für realistisch?
Keller: Die Entwicklung der elektronischen Medien geht rasant voran. Deshalb wird es noch eine Reihe von Diskussionen über technische Details geben. So muss noch festgelegt werden, welchen Speicherplatz der Chip auf der Smartcard haben wird. Die nächste Sitzung zum Gesundheitspass findet im Sommer statt. Das Modellprojekt wird im günstigsten Fall im Herbst dieses Jahres starten.
PZ: Wie wird der Weg des Rezeptes nach Einführung des Gesundheitspasses aussehen?
Keller: Das Rezept wird vom Arzt verschlüsselt auf einem Server abgelegt. Ein unbefugter Zugriff für Dritte ist durch die Verschlüsselung nicht möglich. Auf der Smartcard notiert der Arzt eine Abholnummer. Anhand dieser Abholnummer und seiner Health Professional Card (HPC) kann der Apotheker das E-Rezept auf dem Server lesen, beliefern und abrechnen.
PZ: Nach dem Rückruf von Lipobay war ursprünglich ein Arzneimittelpass geplant, der Verordnungsdaten, Allergien und andere für eine sichere Arzneimitteltherapie relevanten Daten enthält. Wie kann der geplante Gesundheitspass die Arzneimittelsicherheit verbessern?
Keller: Der Patient kann sich für einen Arzneimittelpass auf dem Chip oder online entscheiden. Beide Systeme werden von Arzt und Apotheker mit Hilfe der HPC gepflegt. Die Daten können zu Beratung und Betreuung des Patienten genutzt werden. So können Arzneimitteltherapie und Besonderheiten wie Allergien sinnvoll dokumentiert werden. Das war das Ziel unserer Entwicklung von E-Rezept und Gesundheitspass.
PZ: Die Krankenkassen haben die Serverlösung favorisiert, weil sie so die größten Einflussmöglichkeit haben. Wie wird gewährleistet, dass die Kassen ihre Macht nicht missbrauchen?
Keller: Für die Apotheker war es Conditio sine qua non, dass die Kassen zwischen Arztpraxis und Apotheke nicht auf das E-Rezept zugreifen können. Bei der jetzt vereinbarten Server-Lösung ist dies ausgeschlossen. Bei einem Kompromiss muss natürlich jede Seite Abstriche hinnehmen.
PZ: Der Gesundheitspass soll dem elektronischen Rezept den Weg bahnen. Einige Apotheker befürchten, das E-Rezept werde den Versandhandel erleichtern. Wie kann dies verhindert werden?
Keller: Bei der jetzigen Rechtslage ändert sich mit dem E-Rezept nur das Medium der Verordnung - online statt Papier. Da ein Zugriff Dritter unmöglich sein wird, sehe ich keine Präferenz für den Versandhandel. Dieses Problem muss durch die "Initiative Pro Apotheke" politisch bekämpft werden.
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