Einige Millionen Unterschriften und sieben Versandapotheker |
29.04.2002 00:00 Uhr |
Versandhandel
Die Initiative Pro Apotheke läuft bestens. Doch auch die Lobbyisten für den Versandhandel halten das Thema in den Medien. Sie haben in Köln einen Verband der Versandapotheker gegründet.
Zusammen mit dem Geschäftsführer der Versandapotheke Mediservice, Dr. Thomas Kerckhoff, haben sieben Apotheker am vergangenen Freitag in Köln den Bundesverband Deutscher Versandapothekerinnen (BVDVA) ins Leben gerufen.
Der Verband macht sich für die Zulassung des Arzneimittel-Versandhandels in Deutschland stark. Gleichzeitig fordern sie gleiche Wettbewerbsbedingungen in der gesamten Europäischen Union. Schon heute finde trotz Verbotes der Versandhandel nach Deutschland statt, heißt es in einer Pressemeldung des Verbandes. Deutschen Apothekern sei dieser Weg versperrt.
Der ABDA wirft der Verband Untätigkeit vor. Sie nehme diese Wettbewerbsverzerrungen hin und verweigere sich dem Dialog mit dem Gesundheitsministerium.
Verband vertritt nur wenige Apotheker
In einer Pressemitteilung weist die ABDA diese Kritik zurück. Der neue Verband habe allein den Zweck, dem Versandhandel den Boden zu bereiten. Er vertrete die Interessen einer verschwindend kleinen Anzahl von Apothekern. Mit der Gründung werde versucht, das bewährte deutsche System der Arzneimittelversorgung vom Ausland aus zu zerstören.
Dabei sei offensichtlich, dass die Argumente des Vorsitzenden Kerckhoff für die Gründung des Verbandes nur vorgeschoben sind. Weder besteht mangelnde Rechtssicherheit für die deutschen Apotheker hinsichtlich des Versandhandels, noch verweigerten sie sich in der Vergangenheit einem konstruktiven Dialog mit Politik und Gesellschaft. So hat die ABDA die Versorgung von Patienten durch pharmazeutisch qualifiziertes Botenpersonal ortsnaher Apotheken dem Gesetzgeber angeboten. Bereits heute können Patienten über das Internetportal aponet.de ihre Arzneimittel von zu Hause aus bestellen.
ABDA-Präsident Hans-Günter Friese vermutet, dass der BVDVA-Vorsitzende Kerckhoff mit der Verbandsgründung eigene Interessen verfolgt. Schließlich sei er Geschäftsführer der schweizerischen MediService AG, die dort ohne nennenswerten Erfolg Medikamente via Versandhandel vertreibt. Um in Deutschland ein System von Kettenapotheken zu errichten, werde die Zerstörung der unabhängigen Individual-Apotheken angestrebt. Dies hätte aufgrund von Konzentrationsprozessen nicht nur fatale Auswirkungen auf die Arzneimittel-Versorgung der Bevölkerung.
Auch eine Steigerung der Arzneimittelpreise werde durch oligopolistische Marktstrukturen wahrscheinlich. Statt Mehrwertsteuer-Differenzgeschäfte zu Lasten der Arzneimittelsicherheit zu legalisieren, sollte der Gesetzgeber den langjährigen Forderungen nachkommen, den Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel zu ermäßigen und damit den europäischen Wettbewerbern anzugleichen, so Friese.
Deutliche Kritik an der Verbandsgründung in Köln übte auch der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein, Thomas Preis: "Dies ist ein Schlag ins Gesicht von allen deutschen Apothekern. Die Kollegenschaft wird sich nicht von sieben selbsternannten Interessensvertretern vom Kampf gegen den Versandhandel abbringen lassen.
Weitere Politiker gegen Versandhandel Immer mehr Politiker machen ihre Bedenken gegen die Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln deutlich. Der mittelstandspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Dr. Hansjürgen Doss befürchtet, den Apothekern werde "das Wasser abgegraben", wenn Internetanbieter sich ausschließlich auf profitable Produkte konzentrierten. Es sei fraglich ob Beratung und Notdienst dann zu den bisherigen Konditionen weitergeführt werden könnten.
Auch die beiden schleswig-holsteinischen CDU-Landtagsabgeordneten Werner Kalinka und Uwe Greve rechnen mit einem Apothekensterben, falls Internetversender in den Markt drängen. Kalinka, gesundheitspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion erwartet keine Einsparungen durch den Versand: " Das Medikament von der Stange mag auf den ersten Blick den Eindruck von Kostengünstigkeit erwecken. Aber alle Erfahrung zeigt: Nur auf den ersten Blick. Mehr Angebote im Internet oder durch andere Versandformen werden nach aller Lebenswahrscheinlichkeit zu einer größeren Nachfrage und insgesamt höheren Gesundheitskosten führen."
Greve befürchtet, dass Arzneimittelsicherheit und Verbraucherschutz auf der Strecke bleiben. Anderslautende Beteuerungen seien "plakative Worthülsen". Mit sinkender Apothekenichte gingen den Patienten wertvolle Zusatzleistungen verloren.
Auch der bayerische Gesundheitsminister Eberhard Sinner hat seine Kritik am Versandhandel erneuert. "Der Versandhandel mit beratungsbedürftigen Arzneimitteln, vor allem in Internet, birgt unkalkulierbare Risiken für die Verbraucher", warnte er. Es sei völlig offen wie die vom Runden Tisch geforderte Sicherstellung der Verkehrsfähigkeit von im Versandhandel angebotenen Arzneimitteln gewährleistet werden soll. Auch sei die Sicherung der Patientenrechte nach deutschem Recht kaum machbar. Sinner: "Mit schöner Theorie, die praktisch nicht vollziehbar ist, kann man Risiken für die Patienten nicht verhindern."
Erwartungen übertroffen
Bei den Apothekenkunden dürfte die Gründung des Versender-Verbandes auf wenig Zustimmung stoßen. Mit dem Verlauf der Unterschriftenaktion gegen den Arzneimittelversandhandel ist die ABDA sehr zufrieden. Aller Voraussicht nach wird sie die größte Befragung werden, die jemals in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt wurde. Wenige Tage nach dem Start der Aktion waren bereits fast 3 Millionen Informationsbroschüren vergriffen und müssen in Millionenauflage nachgedruckt werden. Einzelne Apotheken haben schon bis zu 1000 Unterschriften vorliegen. Das lebhafte Interesse der Bevölkerung an dieser Diskussion zeige eindeutig, dass der Versandhandel von den meisten Menschen nicht gewünscht werde, bilanziert Friese.
Der ABDA-Präsident stellte ausdrücklich klar, dass das Verbot des Versandhandel weiterhin in vollem Umfang gültig ist. Eine - übrigens mit Auflagen versehene - Empfehlung des Runden Tisches hebt nicht bestehende Gesetze auf. Am Runden Tisch sitzen neben der Spitze des Gesundheitsministeriums Vertreter der Leistungserbringer, der Patientenverbände und Krankenkassenfunktionäre. Für Gesetze sind aber Bundestag und Bundesrat zuständig. Friese begrüßte ausdrücklich, dass führende Politiker der Unionsparteien und der FDP sich gerade jetzt wieder vehement gegen den Versandhandel mit Arzneimitteln ausgesprochen haben.
Fast alle Apotheken machen mit
Auch wenn es für konkrete Zahlen noch zu früh ist, sicher ist, dass die Resonanz der Apothekenkunden die Erwartungen deutlich übertrifft. Erfolgsmeldungen kommen aus zahlreichen Bundesländern. So berichtete der stellvertretende Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein, Werner Heuking, auf einer Pressekonferenz von zahlreichen Apotheken, die bereits in den ersten Tagen mehr als 500 Unterschriften gesammelt hatten.
Auch die bayerischen Apotheker sind mit dem Verlauf der Aktion bislang zufrieden. Nach Informationen des Bayerischen Apothekerverbandes läuft die Aktion in den meisten Apotheken hervorragend. "Viele Kollegen haben bereits mehr als 600 Unterschriften gesammelt, so BAV-Geschäftsführer Schneider. Ähnlich sieht es in Westfalen-Lippe aus. Fast alle Apotheken machen bei der Aktion mit, heißt es aus der Geschäftsstelle des Verbandes. Zahlreiche Apotheken haben bereits neue Unterschriftenlisten über den Großhandel bestellt.
Und selbst im Internet scheint die Zahl der Sympathisanten für den Versandhandel gering zu sein. In einer Online-Umfrage der Verbraucherzentrale Thüringen, sprachen sich 82 Prozent der Teilnehmer gegen die Bestellung von Arzneimitteln im Internet aus.
Stammkunden stehen zu den Apothekenvon Elke Hinkelbein, Frankfurt
Die "Initiative Pro Apotheke" wird von den meisten Kunden sehr positiv aufgenommen. Das ist das Ergebnis einer Telefonumfrage der Pharmazeutischen Zeitung zwischen Flensburg und Konstanz. Alle von der PZ befragten Apotheken beteiligen sich an der Unterschriftenaktion und freuen sich über den regen Zuspruch ihrer Kundschaft.
Das Umsetzen der Aktion in den einzelnen Apotheken ist dabei sehr unterschiedlich. Während die einen demonstrativ die Plakate "Pro Apotheke" prominent an die Schaufenster und in die Eingangsbereiche kleben, belassen es andere dabei, den Broschürenaufsteller am Handverkaufstisch zu platzieren. Einige der befragten Apothekerinnen und Apotheker sprechen die Kunden offensiv auf die Unterschriftenaktion und deren Hintergrund an, andere wiederum nicht oder reagieren erst, wenn die Kundinnen und Kunden gezielt nachfragen.
In den von der PZ befragten Apotheken wurden innerhalb kürzester Zeit zwischen 26 bis mehr als 400 Unterschriften je Apotheke gesammelt. Ein Trend wurde allerdings deutlich: Apotheken mit Stammkundschaft brauchen sich über fehlenden Zuspruch ihrer Kunden nicht beklagen, im Gegensatz zu Apotheken mit Laufkundschaft. Hier unterschreiben die Kunden etwas zögerlich.
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