Apotheker am GMG-Erfolg beteiligt |
25.04.2005 00:00 Uhr |
von Thomas Bellartz und Daniel Rücker, Berlin
Die Auswirkungen der jüngsten Gesundheitsreform auf die deutschen Apotheken standen im Mittelpunkt des 29. Informationsgesprächs mit wirtschaftspolitischen Journalisten, zu dem die ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände am Dienstag in Berlin eingeladen hatte.
Von größtem Interesse waren für die Medienleute aus der ganzen Republik die aktuellen Zahlen zur wirtschaftlichen Situation der Apotheken und die Interpretation der aktuellen Lage der Apothekerschaft von ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf. Der Apotheker aus dem niedersächsischen Hemmoor ließ keinen Zweifel aufkommen: Das GMG könne zumindest mit Blick auf die Ausgabenseite als gut bewertet werden. Allerdings dürfe nicht vernachlässigt werden, dass »die drei großen Faktoren Demografie, Innovation und die Einkommensseite der Krankenkassen« wenig berücksichtigt worden seien.
Die Apothekerinnen und Apotheker hätten maßgeblich zu dieser Kostenreduktion und damit zum Erfolg des GMG beigetragen. Wolf erinnerte daran, dass man nicht alle Neuerungen des GMG in der Arzneimittelversorgung freudig begrüßt habe. Er konstatierte, dass die Bundesregierung bislang die Antwort schuldig geblieben sei, wie sie die Qualität beim Versandhandel mit Arzneimitteln gewährleisten wolle. Überdies fehle immer noch die angekündigte Liste mit EU-Ländern, deren Arzneimittelversorgung der deutschen gleichgestellt werden könne. Wolf, der seit Jahresbeginn an der Spitze der ABDA steht, ist sich sicher, dass der Homeservice der Präsenzapotheken mehr biete als jeder Versandhandel: »Ich bin überzeugt von der direkten Beratung und der direkten Versorgung.« An Beispielen skizzierte der ABDA-Präsident, welche konkreten Vorteile der persönliche Kontakt für Patientinnen und Patienten biete.
Ein besonderes Augenmerk legte Wolf, wie später auch ABDA-Geschäftsführer Dr. Frank Diener, auf die seit Beginn 2004 erlaubte Filialisierung. Ende vergangenen Jahres habe man 632 Filialen gezählt. Dort, wie auch in den Hauptapotheken, hat der Fall der Preisbindung im OTC-Segment jedoch nicht zu einer Preisschlacht geführt. Wolf betonte erneut den Unterschied zwischen Gütern des täglichen Bedarfs und Arzneimitteln. Er bekomme eine »Gänsehaut«, wenn er Lockangebote wie beispielsweise in den USA sehe. Wolf: »Da sind wir sehr altmodisch.« Und dies aus gutem Grund, denn die Preisfreigabe dürfe nicht dazu führen, »den Verbraucher über lautstarke Aktionen zum Mehrverbrauch zu animieren«.
Mit der Abkopplung der Vergütung vom Arzneimittelpreis sei es gelungen, den Apotheker stärker in die Rolle des Arzneimittelmanagers zu bringen. Schlüsselelemente seien auch die neuen Versorgungsformen, die zu einer stärkeren pharmazeutischen wie wirtschaftlichen Verantwortung des Apothekers führten.
Die neue Rolle lasse sich auch am Erfolg der jüngsten Verträge ablesen, insbesondere am kombinierten Hausarzt- und Hausapothekenvertrag mit der Barmer Ersatzkasse (BEK). Es sei spannend, dass hier drei Partner miteinander agierten und dadurch beispielsweise die Kommunikation zwischen Apothekern und Ärzten eine neue Qualität bekomme. Das Hausapothekenmodell werde nicht nur von den Leistungserbringern, sondern auch von den BEK-Versicherten sehr gut angenommen. Seit dem 1. März hätten sich nach Wolfs Angaben bereits rund 750.000 Barmer-Kunden eingeschrieben.
»Wir Apotheker stehen in einem völlig veränderten Vertragswettbewerb«, sagte der ABDA-Präsident mit Blick auf den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen und deren Möglichkeit zum Abschluss von Lieferverträgen mit einzelnen Herstellern. Die Apothekerverbände säßen mit am Tisch, erste Vereinbarungen stünden »unmittelbar vor dem Abschluss«.
Aus Sicht des ABDA-Chefs zeige die Selbstverwaltung, dass sie funktioniere. Man sei bemüht, die Erfolge des ersten GMG-Jahres mit Hilfe der zügig eingeleiteten strukturellen Maßnahmen fortzusetzen. Man werde die Chancen, die der Wettbewerb den Apothekern biete, »mit Erfolg« annehmen. Wolf: »Der Gesetzgeber soll uns erst einmal machen lassen. Wir kriegen das schon in den Griff.«
Lukratives Geschäft
Weitaus weniger erfreulich war die Botschaft, die ABDA-Geschäftsführerin Dr. Christiane Eckert-Lill den Journalisten überbrachte: »Die Globalisierung und das Internet begünstigen die Verbreitung von Arzneimittelfälschungen.« International operierende Banden wendeten sich zusehends vom Drogenhandel ab und stiegen auf gefälschte Arzneimittel um. Das schmutzige Geschäft habe nach Schätzungen mittlerweile ein jährliches Volumen von 17 Milliarden Euro erreicht, andere Quellen nennen sogar noch größere Zahlen. Den hohen Sicherheitsstandards in der deutschen Arzneimittelversorgung ist es zu verdanken, dass Fälschungen in Deutschland bislang sehr selten sind. Eckert-Lill: »Zwischen 1996 und 2002 gab es 26 Fälle.« Dies sei jedoch kein Anlass weniger wachsam zu sein.
Unter einer Arzneimittelfälschung verstehen Experten nicht nur Medikamente mit nachgemachten Wirkstoffen, sondern auch solche, die zwar das richtige Arzneimittel enthalten, bei denen aber Packung oder Beipackzettel nachgemacht wurden. In diesen Fällen habe der Fälscher häufig Bulkware gekauft und selbst verblistert. Da viele Arzneimittel heute von Lohnherstellern in Entwicklungs- oder Schwellenländern produziert würden, sei die Kontrolle der Warenströme extrem schwierig. In Umlauf kommen die Präparate häufig über Importeure oder Zwischenhändler, die die Plagiate entweder auf dem Schwarzmarkt direkt an den Endverbraucher verkaufen oder versuchten, ihre Ware über Großhändler in die legale Vertriebskette einzuschleusen. Mit der 12. AMG-Novelle sei dies in Deutschland jedoch noch schwieriger geworden, da nun der Vertriebsweg vom Hersteller zum Endkunden noch stärker kontrolliert wird.
Welche Produkte nachgemacht werden, hängt stark von der Wirtschaftskraft eines Landes ab. In armen Staaten können sich viele Menschen lebensnotwendige Arzneimittel nicht leisten, deshalb kaufen sie die preiswerten Plagiate. Eckert-Lill: »In Entwicklungsländern werden vorrangig Arzneimittel zur Behandlung schwerer Erkrankungen gefälscht, dies sind vor allem Antibiotika, Virustatika, Arzneimittel gegen Malaria oder Antituberkulostatika.«
In wohlhabenderen Staaten tauchen solche Präparate selten auf, da die Sozialsysteme die Behandlung schwerwiegender Erkrankungen finanzieren. Hier seien es vor allem Lifestyle-Arzneimittel wie Propecia oder Viagra und Steroide, die zum Muskelaufbau eingesetzt werden.
Ein Mittel gegen Fälschungen sind Markierungen auf den Arzneimittelpackungen. Eckert-Lill unterschied hierbei zwischen offenen und verdeckten Markierungen. Die offen angebrachten Markierungen, wie ein Siegel oder ein Hologramm, haben den Vorteil, dass sie vom Konsumenten einfach erkannt werden. Allerdings sind sie auch relativ einfach zu fälschen.
Weitaus schwieriger zu fälschen sind verdeckte Markierungen. Das können spezielle Farben sein, die unter Bestrahlung mit Licht einer bestimmten Wellenlänge leuchten. Noch sicherer sind kurze einsträngige DNA-Sequenzen, die vom Hersteller aufgetragen und mit dem komplementären Strang identifiziert werden. Allerdings sind solche Verfahren für den Verbraucher nicht zu erkennen. Zudem sind sie teuer und deshalb für Entwicklungsländer kaum eine Lösung.
Der Verbraucher kann sein Risiko selbst erheblich beeinflussen. Eckert-Lill: »Man sollte niemals Medikamente mit abgelaufenen Verfallsdatum, mit fehlerhaften Herstellernamen, fehlender Chargen-Nummer oder mangelhafter Verpackung kaufen.« Der Bezug über nicht eindeutig identifizierbare Internetanbieter oder fliegende Händler verbietet sich von selbst.
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