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Payback-System soll Patienten locken

19.04.2004  00:00 Uhr
Hausarztmodell

Payback-System soll Patienten locken

von Daniel Rücker, Eschborn

Die Praxisgebühr ist nicht nur bei den Patienten unbeliebt. Am Wochenende stimmten Krankenkassen und Bundesregierung den Abgesang auf die erst zu Jahresbeginn eingeführte Selbstbeteiligung an. Dass diese noch vor wenigen Wochen als sinnvolles Steuerungsinstrument gefeiert wurde, scheint vergessen.

Den ersten Schuss auf die Praxisgebühr gab die Barmer Ersatzkasse ab. Barmer-Versicherte, die sich am Hausarztmodell der Kasse beteiligten, müssten die 40 Euro pro Jahr nicht mehr bezahlen, meldete das „Westfalen-Blatt“. Hintergrund ist ein Vertrag zwischen der Kasse und dem Deutschen Hausärzteverband. Danach soll sich der Versicherte dazu verpflichten, Fachärzte nicht direkt aufzusuchen, sondern nur nach hausärztlicher Überweisung. Falsch ist allerdings, dass dem Patienten die Praxisgebühr erlassen wird. Die steht schließlich im Gesetz. Die Barmer will sie den Teilnehmern vielmehr als Bonus zum Jahresende zurückerstatten.

Das Bundesgesundheitsministerium freut sich darüber, dass die Kassen die Praxisgebühr diskreditieren. „Wir haben das Hausarztmodell immer favorisiert“, erklärte eine Sprecherin des Ministeriums. Es sei in der Gesundheitsreform ausdrücklich vorgesehen, erklärte die Ministeriumssprecherin. „Dass verschiedene Krankenkassen es jetzt umsetzen, zeigt: Strukturelle Veränderungen sind möglich, und sie beginnen zu greifen.“ Das Ministerium begrüße solche Initiativen.

Andere Kassen ziehen nach

Die Ankündigung der Barmer löste eine mediale Abrechnung mit der Praxisgebühr aus. Etliche weitere Krankenkassen stellten den Abschied in Aussicht. Nach Informationen der „Bild am Sonntag“ planen die AOKs ähnliche Modelle. In Baden-Württemberg laufe bereits ein Projekt, bei dem über 100 Ärzte mitmachen, sagte AOK-Sprecher Rainer Eikel dem Blatt. Weitere Landes-AOKs wollten folgen. Bis zum Jahresende will auch die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) mit rund acht Millionen Mitgliedern Hausarztmodelle anbieten. Bei der Techniker-Krankenkasse (5,5 Millionen Mitglieder) hieß es: „Wir werden unsere Vertragsverhandlungen bis Ende April abschließen. In Kürze bieten auch wir dann unseren Versicherten die Teilnahme am bundesweiten Hausarztmodell.“ Bei der Gmünder Ersatzkasse und den Innungskrankenkassen werde ebenfalls über solche Modelle nachgedacht.

Der Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Hans-Jürgen Ahrens, forderte, das Hausarztmodell müsse zu qualitativ besserer Versorgung der Patienten führen. Hausärzte, die an einem solchen Modell teilnehmen wollen, müssten für die „zusätzlichen Qualitätsanforderungen“ geschult sein.

Der Sprecher des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen, Florian Lanz, sieht Chancen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Er macht sich deshalb zwar auch für Hausarztmodelle stark, allerdings nur mit den für die Kassen geeigneten Weißkitteln. „Klasse statt Masse muss das Ziel sein, nicht umgekehrt“, sagte Lanz. Nach seiner Ansicht wäre nichts gewonnen, wenn alle Kassen pauschal Verträge mit allen Hausärzten ohne Beachtung von Mindeststandards schlössen. Der Versicherte bekomme nur dann mehr Qualität. Die Möglichkeit zur freien Hausarzt-Arztwahl werde aber eingeschränkt.

Die Diskussion um das Hausarztmodell lockte auch den in den vergangenen Wochen ungewöhnlich stillen Regierungsberater Professor Dr. Karl Lauterbach aus der Deckung. Er bezeichnete die Initiative der Kassen als „überfällig“. Es habe ihn überrascht, dass die Kassen hier nicht schon früher aktiv geworden seien, sagte Lauterbach.

Als moderate Spaßbremse betätigte sich dagegen DAK-Vorstand Herbert Rebscher. Die ersten Hausarzt-Modelle werde es frühestens Ende 2004 geben. Rebscher warnte davor, voreilige Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Details der Hausarztmodelle seien bislang nicht geklärt.

Ende der freien Arztwahl

Der Verband der niedergelassenen Ärzte, NAV-Virchowbund, will dagegen nicht in den Jubel um das Hausarztmodell einstimmen. „Mit dem fragwürdigen Vorschlag läutet die Barmer Ersatzkasse als erste Kasse das Ende der freien Arztwahl ein.“ Das Hausarztmodell sei ein „billiger Köder“. Das Hausarztmodell sei ein Schritt in Richtung Zuteilungsmedizin, erklärt der stellvertretende Vorsitzende des NAV-Virchowbundes, Dr. Hans-Martin Hübner.

Ähnlich bewertet der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Hans-Jürgen Thomas das Modell: „Das bürokratische Ärgernis der Inkassotätigkeit für Krankenkassen durch niedergelassene Ärzte bleibt bestehen, und für die Patienten ist die Abschaffung der Praxisgebühr nur um den Preis der Einschränkung der freien Arztwahl zu haben.“ Jeder Patient sollte es sich reiflich überlegen, ob er sich für 40 Euro Rückerstattung am Jahresende die freie Arztwahl abkaufen lassen wolle. Beide Ärzteverbände wiesen darauf hin, dass die Praxisgebühr zur Finanzierung des Gesundheitssystems beitrage und ihr Wegfall ein Loch in die Kassen der Kassen reiße, das anderwärtig gestopft werden müsste. Top

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