Apotheker werden akzeptiert |
11.04.2005 00:00 Uhr |
Zwischen Quantensprung und Etikettenschwindel: Wenige Wochen nach In-Kraft-Treten durchläuft der Integrationsvertrag der Barmer Ersatzkasse seine politische Feuertaufe. Den Apotheken gestehen selbst Kritiker des Modells eine wichtige Rolle zu.
Eigentlich wollte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit den Gästen ihrer Veranstaltung »KBV kontrovers« über die Zukunft flexibler Vertragsformen debattieren. Immer wieder drehte sich die Diskussion jedoch um den Hausarzt- und Hausapothekenvertrag der Barmer. Denn von den mittlerweile fast 400 geschlossenen Integrationsverträgen wird allein das Barmer-Modell öffentlich wahrgenommen.
Die Meinungen dazu gehen deutlich auseinander: Je nach Betroffenheit kritisieren die Verantwortungsträger der verschiedenen Berufsgruppen ihre vermeintliche Zwangsbeteiligung oder ihren Ausschluss vom Dreiervertrag. Hinter der Kritik einiger Interessensvertreter verbergen sich nur allzu häufig Partikularinteressen der von ihnen vertretenen Gruppe.
Strategische Kritikmanöver beenden
Schützenhilfe erhält der Barmer-Vertrag von der Wissenschaft: Medizinmanagement-Experte Professor Dr. Jürgen Wasem sprach sich für eine Verlängerung der Anschubfinanzierung aus. Denn laut Wasem kommt die integrierte Versorgung mit dem Barmer-Vertrag erstmals in Schwung. Kassen und Leistungserbringer bräuchten dringend ein Signal, dass auch nach Ablauf der dreijährigen Einführungsphase die Politik entsprechende Projekte fördere und unterstütze.
Auch Dr. Klaus Jacobs, Geschäftsführer des wissenschaftlichen Instituts der AOK, sprach sich für eine weitergehende Förderung flexibler Vertragsformen aus. Obwohl er persönlich das finanzielle Risiko des Barmer-Modells als zu hoch einschätze, betrachte er den eingeschlagenen Weg zu mehr Wahlmöglichkeiten für die Versicherten als richtig. Jacobs forderte die Interessensvertreter auf, ihre Kritik am Hausarztvertrag zu beenden. Die Inhalte der Abmachung seien Sache der Vertragspartner, über Erfolg entschieden die Versicherten.
Von den Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung kam erwartungsgemäß Kritik. In bewährter Weise trat der Vorsitzende der KV Nordrhein, Dr. Leonhard Hansen, als entschiedener Gegner des Barmer-Modells auf: Der Vertrag werde weder akzeptiert noch gelebt; alle Beteiligten seien gezwungen, »mit zwei Fäusten in der Tasche mitzumachen«. Den Verzicht auf drei Quartale Praxisgebühr hält er für falsch. Sie habe mittlerweile eine sinnvolle Steuerungsfunktion und die Refinanzierung sei unklar. Richters Prognose, der Vertrag rechne sich schon auf Grund der Effizienzsteigerung, wollten Hansen und sein Kollege Dr. Andreas Köhler nicht gelten lassen. Der KBV-Vorsitzende forderte Richter auf, den Erfolg seines Vertrags binnen Dreijahresfrist nachzuweisen.
Balkanisierung
Trotz ihrer Kritik an der »Balkanisierung der Versorgungslandschaft« kündigten die beiden KV-Funktionäre erstmals ihre Bereitschaft an, künftig verstärkt auch als Berater und Dienstleister an entsprechenden Modellen zu partizipieren. Nicht zuletzt der Barmer-Vertrag hat deutlich gemacht, wie schnell die KVen bei der integrierten Versorgung sowohl als Vertragspartner als auch bei der Abrechnung außen vor stehen.
Obwohl Hansen den Vertrag für »Etikettenschwindel« hält, sprach er sich für eine Weiterentwicklung der »sinnvollen Einbindung der Apotheken« aus, zum Beispiel bei der Versorgung von Altenheimen. ABDA-Geschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz nahm den Vorschlag gerne auf. Die Zusammenarbeit mit den Ärzten motiviere zur Teilnahme am System. Auch der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes (BDA), Rainer Kötzle, lobte die Kooperation mit den Apotheken als »ganz wesentlich«. Bei den Hausärzten mache das Verordnen von Arzneimitteln einen erheblichen Teil des ärztlichen Handelns aus. Deshalb sei Arzneimittelsicherheit auch besonders wichtig.
Gemeinsam wiesen Schmitz und Kötzle Vorwürfe der Fachärzte zurück, die Apotheken drängten in ärztliches Hoheitsgebiet. Es sei nicht Sinn und Zweck des Versorgungsvertrages, Diagnose und Therapie in die Apotheke zu verlagern. Vielmehr hätten Hausärzte und Apotheker die jeweiligen Aufgaben vertraglich definiert, um die Zusammenarbeit zu verbessern. Kundenbindung über die Hausapotheke sei auch keine Marktabschottung, so Schmitz: Die kontinuierliche Begleitung der Arzneimitteltherapie durch den Hausapotheker sei ein eindeutiges Anliegen des Vertrags gewesen.
Gleichzeitig sprach sich der ABDA-Geschäftsführer gegen die völlige Vertragsfreiheit bei der Regelversorgung aus. Wie Köhler und Hansen warnte Schmitz vor wachsenden organisatorischen Problemen innerhalb eines sich diversifizierenden Marktes von Einzelverträgen. Individuelle Vereinbarungen könnten sich nur auf der Grundlage von Kollektivverträgen entfalten. Schmitz begrüßte wettbewerbliche Anreize, sprach sich aber gegen eine Schwächung der Leistungserbringer aus.
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