Anreize zur wirtschaftlichen Verordnungsweise lassen nach |
02.04.2001 00:00 Uhr |
INTERVIEW
Die Politik der vergangenen Wochen hat den Vorstandsvorsitzenden des BKK-Bundesverbandes, Wolfgang Schmeinck, enttäuscht. Vor allem die neue Regelung der Festbeträge für Arzneimittel ist für ihn ein Beispiel für staatsnahe Lösungen. Schmeinck ist für die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung zuständig für Fragen des Arzneimittelmarktes.
PZ: Die Politik wird den Krankenkassen durch Festbeträge und Abschaffung des Kollektivregresses erhoffte Einsparungen vorenthalten. Sind Sie darüber enttäuscht?
Schmeinck: Ja. Anreize zur wirtschaftlichen Verordnungsweise lassen bereits nach. Die Kassen befürchten, dass die Ausgabendisziplin gelockert wird. Die Arzneiausgaben im Januar stiegen um 12 Prozent - ein Zeichen dafür, wie schnell Akteure auf Veränderungen der politischen Bedingungen reagieren.
PZ: Kann der Individualregress dieselben Einsparerfolge bringen wie der Kollektivregress?
Schmeinck: Das ist eher unwahrscheinlich. Individualregresse sind sehr verwaltungsaufwendig. Über 20 Prozent der Ärzte müssten in individuelle Prüfungsverfahren einbezogen werden. Bei jeder Prüfung sind Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen, auf die sich Ärzte berufen werden. Der Steuerungseffekt wird sich spät und nicht im notwendigen Umfang einstellen.
PZ: Wird insgesamt der Einfluss der Selbstverwaltung - siehe Festbeträge - heruntergeschraubt?
Schmeinck: Genau das steht zu befürchten, nicht nur bei Festbeträgen, sondern grundsätzlich und mit Wirkung in andere Bereiche des Gesundheitswesens hinein. Das wäre gelassener zu beurteilen, wenn sich ein alternatives Modell für die Organisation sachgerechter Entscheidungen abzeichnete. Dies ist nicht der Fall, auch wegen ausstehender Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs.
PZ: Hat sich der Standpunkt der Krankenkassen bei der Festbetragsfestsetzung im Laufe der politischen Auseinandersetzung verändert?
Schmeinck: Er hat sich seit 1999 nicht verändert. Allerdings ist zunehmend klar geworden, dass die politische Diskussion um Festbeträge nur Prototyp einer Debatte um andere Selbstverwaltungslösungen ist, beispielsweise im Krankenhaussektor.
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