Schmidt für regionalen Versandhandel |
14.01.2002 00:00 Uhr |
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt will die wohnortnahe Apotheke. Das versprach sie bei einem Gespräch mit dem Gesamtvorstand der ABDA am vergangenen Montag in Aachen. Allerdings rechnet die Ministerin damit, dass der Versandhandel mit Arzneimitteln in den nächsten Jahren auch nach Deutschland kommt. Sie forderte deshalb den Berufsstand auf, solche neuen Versorgungsformen von Anfang an mitzugestalten.
Bereits im vergangenen Jahr hatte die gebürtige Aachenerin den ABDA-Vorstand in ihre Heimatstadt eingeladen. Am vergangenen Montag hatte das Gremium dann Gelegenheit, im Rathaussaal der Kaiserstadt rund zwei Stunden mit Ulla Schmidt über die zukünftige Gesundheitspolitik und anstehende Strukturreformen zu diskutieren. Die Apotheker befürchten, dass die Ökonomisierung Überhand gegenüber der Qualität in der Gesundheitsversorgung gewinnen könnte? Hauptthema war der Versandhandel.
In Aachen wurde deutlich, dass Schmidt auch in Zukunft auf die Individualapotheke setzen und diese mit mehr Kompetenz ausrüsten will. Die neue Aut-idem-Regelung sei ein erster Schritt. Die wohnortnahe Apotheke ist für die Ministerin ein Garant für die hohe Versorgungsqualität im deutschen Gesundheitssystem. Neben dem Hausarzt und der wohnortnahen Pflege sei die Offizin ein wesentlicher Baustein in einem neuen Versorgungskonzept.
Dennoch könne man sich der europäischen Entwicklung nicht verschließen. Versandhandel ließe sich auf Dauer nicht verhindern. Schmidt forderte die Apothekerinnen und Apotheker deshalb auf, neue Strukturen mit zugestalten. Wer frühzeitig agiere, werde später nicht überrollt. "Ich will alles dafür tun, dass wenn der Versandhandel kommt, dieser über die Apotheken abgewickelt wird", bekräftigte die Ministerin. Sie strebe eine regionale Lösung mit den Apotheken an, die den Versand aus dem Ausland überflüssig macht. Über 90 Prozent der Bevölkerung wollen auch in Zukunft ihre Arzneimittel aus einer nahegelegenen Apotheke und nicht per Internet und Paketdienst.
In der Versorgung könnten die Apotheken neue Aufgaben übernehmen. Nach ihrer Meinung sollten die Offizinen auch in Disease-Management-Programme einbezogen werden. Auch der Arzneimittelpass werde dabei eine Rolle spielen.
Gegen Apothekenketten
Eine klare Absage erteilte Schmidt den überregionalen Versendern. Wer behaupte, mit dem Versandhandel den Arzneimittelkosten in den Griff zu bekommen, rede Unsinn. Die derzeit illegal praktizierte Rosinenpickerei sei indiskutabel. Schmidt: "Ich kann nicht verlangen, dass der Vertrieb hochpreisiger Präparate an den Apotheken vorbei geht, und diese trotzdem die Grundversorgung der Bevölkerung sicherstellen müssen". Ihre Partei und sie würden sich gegen Apothekenketten einsetzen. Allerdings könne sie keine Garantie für die Existenz jeder einzelnen Apotheke geben.
Praktikable Lösungen für ein Modell hatte die Ministerin in Aachen noch nicht parat. Eine Regelung über die Veränderung der Preisspannenverordnung oder eine Gebührenregelung seien denkbar. Auch eine Harmonisierung der Mehrwertsteuer würden die Preise vergleichbarer machen, so dass sich der Versand mancher Arzneimittel erübrige. Ob die Bildung des Herstellerabgabepreises europaweit einheitlich geregelt werden könne, beurteilte sie skeptisch. Natürlich seien hohe Anforderungen an ein Versandsystem zu stellen. Die niedergelassenen Apotheken müssten die hohe Versorgungsdichte und die Nähe zum Patienten als Trümpfe ausspielen und damit werben.
Der Vorstand forderte Schmidt auf, gegen illegale Aktivitäten
verschiedener Krankenkassen vorzugehen. Es sei indiskutabel, dass
Krankenkassen als Anstalten des öffentlichen Rechts für Versand werben
und damit vorsätzlich geltendes Recht brechen. Die Gesundheitsministerin
versprach, das Bundesversicherungsamt auf die Missstände aufmerksam zu
machen und aufzufordern dagegen vorzugehen.
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