Metzger will für Individualapotheke kämpfen |
15.01.2001 00:00 Uhr |
"Qualität muss wieder zum Maßstab einer zukunftsorientierten Gesundheitspolitik werden." Das betonte Johannes M. Metzger, neuer Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK) in seiner Rede zum Auftakt des 31. Pharmacons am 14. Januar im Schweizer Wintersportort Davos.
Harsche Kritik übte der neu gewählte BAK-Präsident nicht nur an der Gesetzlichen Krankenversicherung, sondern auch an der Politik. Metzger: "Ich kann die Zumutungen des Staates gegenüber Apothekerinnen und Apothekern, die Tag für Tag oder besser Tag und Nacht die Arzneimittelversorgung sicherstellen, mit den Namen von Ehrenberg über Blüm und Seehofer bis hin zur kürzlich zurückgetretenen Andrea Fischer durchaus personifizieren." Jeder dieser Namen stehe für Maßnahmen, die die Existenz der Individualapotheke gefährdeten. Glücklicherweise sei es dem Berufsstand bisher gelungen, das Schlimmste zu verhindern.
Leider lasse sich die Bundesregierung immer wieder zum "Büttel der gesetzlichen Krankenkassen" machen. Denn erst den kürzlich wieder laut gewordenen Behauptungen von Kassenvertretern, Apothekenmargen seien zu hoch, Apotheken zu zahlreich, Arzneiversand sinnvoll und Preisbindungen müsse man abschaffen, habe im Gesundheitsministeriums niemand widersprochen.
Ausgrenzende statt integrierte Versorgung
Im Zusammenhang mit der integrierten Versorgung nach Paragraph 140 SGB V warnte der BAK-Präsident vor den Plänen der Krankenkassen, die damit "in ihrem öffentlich-rechtlichen Schutzraum ihre glänzend gesicherten Positionen" weiter ausbauten. Die Kassen wollten doch nur die unabhängige Leistungserbringung zerschlagen, um dann als Monopolisten bei den Billigsten zu ihren Bedingungen einzukaufen. Versorgungsqualität spiele dabei nur eine untergeordnete Rolle. Dass Kassen und Regierung weiterhin hartnäckig an Budgets festhalten, ist laut Metzger erst der Anfang. Mit der durch die Änderungen im Sozialgesetzbuch V geschaffenen Rechtslage zur Integrierten Versorgung lasse sich nach und nach das Solidaritätssystem ganz im Sinne der Kassen aushebeln. "Ein System, das nur wenige einschließt, sollte mit ausgrenzender Versorgung betitelt werden", kritisierte der BAK-Präsident.
Einen "wahren Skandal" nannte Metzger die Tatsache, dass man nun neben den seit Jahren bestehenden Pfeilern ambulante und stationäre Versorgung für einige wenige Patienten eine dritte und bessere Betreuung mit einem günstigeren Beitrag einführe. Was die Koalition als Herzstück der Reform bezeichne, entsolidarisiere die Versichertengemeinschaft.
Der BAK-Präsident geht zudem davon aus, dass die zwangsläufig höheren Kosten, die seiner Meinung nach in solchen "Versorgungsinseln" entstehen, vom Rest der Solidargemeinschaft getragen werden müssen. Ausgegrenzten Ärzten stehe ein noch geringeres Budget zur Verfügung. Und auch unter der Apothekerschaft entflamme beim Wegfall einheitlicher Arzneimittelpreise einen "systemzerstörenden Wettbewerb, der am Ende nur Verlierer sehen wird." Nicht die Apotheke, die sich um ihre Patienten am meisten bemüht, werde künftig am häufigsten von Kunden frequentiert, sondern diejenige, die im Preiswettbewerb mithalten könne.
Einen "ungeheuerlichen Paradigmenwechsel" sieht Metzger darin, dass sich künftig laut Gesetz auch fremde Kapitalgeber in das System einkaufen könnten, deren Namen zwar den Vertragspartner bekannt sein muss, nicht aber den Patienten. Die rot-grüne Regierung, die für sich beanspruche, das "soziale Gewissen des Landes" zu sein, ebene so den Weg zu einem grundlegenden Systembruch, weg von der Solidargemeinschaft hin zu einem Shareholder-Value-System.
Freier Wettbewerb kann nach Meinung von Metzger in keinem Gesundheitssystem der Welt funktionieren, da eine wichtige Grundvoraussetzung fehle: ein in seiner Entscheidung freier Nachfrager. Dies zeige sich auch in den USA. Trotz des dort weitgehend deregulierten Systems, hätten sich die weltweit höchsten Preise im Gesundheitswesen durchgesetzt. Wer eine integrierte Versorgung einführe, die die bisherige Regelversorgung als qualitativ nachrangig abstufe, missbrauche "das Ideal der europäischen Solidargemeinschaft", betonte der Präsident.
Versandhandel gefährdet Verbraucherschutz
Metzger forderte die anwesenden Apothekerinnen und Apotheker dazu auf, ihre Kunden nicht nur über die Gefahren eines Systemwechsels, sondern auch des Arzneimittelversands aufzuklären. Besonders heftig kritisierte er die Krankenkassen, die Versandhandel mit Gewalt durchsetzen wollen. "Es ist ein unglaublicher Vorgang, wenn ein hochrangiger Kassenvertreter noch am Tag der Urteilsverkündung erneut erklärt, seine Kasse werde weiter Rezepte von Versandapotheken vergüten." Aber die ehemalige Gesundheitsministerin Andrea Fischer habe den Krankenkassen nach ihrer Stippvisite in den USA ja mit der Aussage Mut gemacht, Versand müsse nur sicherer werden, dann könne man ihn auch zulassen.
Die BSE-Krise zeige zu deutlich, was passieren könne, wenn man für Bürger essenzielle Dinge wie Ernährung oder Gesundheitsfürsorge dem kommerziellen Wettbewerb überlässt, warnte der BAK-Präsident. Wer in dieser Situation den Versandhandel von Arzneimitteln mit dem Argument befürworte, man müsse ihn nur sicherer machen, der könne sich beim ersten Schadensfall nicht dahinter verschanzen, er habe nichts gewusst. Kein anderes Versorgungssystem biete eine bessere Kontrolle zum Schutz der Verbraucher, als der bewährte Vertriebsweg über die Apotheken.
Metzger kritisierte zudem den unfairen Wettbewerb zwischen Versandhändlern und niedergelassenen Apotheken. Man könne dem Berufsstand nicht zumuten, dass er die "Restversorgung" flächendeckend sicherstelle, während Patienten ihre hochpreisigen Arzneimittel aus dem Ausland bezögen.
Positiv bewertete der Präsident, dass die neuberufene Ministerin Renate Künast künftig auch für den Verbraucherschutz zuständig ist. Es könne dem Anliegen des Gesundheitsschutzes durchaus zuträglich sein, "wenn dieser der Einfluss-Sphäre der Kassen im Bundesgesundheitsministerium entzogen wird".
Metzger wünscht sich aber auch von der neuen Gesundheitsministerin rasch einen offenen Dialog. Die Qualität der Arzneimittelversorgung müsse endlich wieder zum Maßstab einer zukunftsorientierten Gesundheitspolitik werden.
Er habe sich als neu gewählter Präsident der Bundesapothekerkammer als wichtigstes
Ziel gesetzt, den Apotheker als freien und unabhängigen Heilberuf zu erhalten. Metzger:
"Das ist der beste Verbraucherschutz, den sich eine Gesellschaft wünschen
kann".
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