FAZ pöbelt gegen Apotheker |
31.12.2001 00:00 Uhr |
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung macht Stimmung gegen die Apotheker. Mit einem äußerst polemischen Artikel zog das Blatt am 30. Dezember den geballten Ärger der Pharmazeuten auf sich.
"Kein Mensch braucht heute noch Apotheken", stellte FAZ-Redakteurin Sybille Wilhelm die Tendenz ihres Beitrags schon im Vorspann klar. Das Arzneimittelmonopol treibe die Kosten zu Lasten von Krankenkassen und Patienten in die Höhe. Der Apotheker sei ein akademischer Schubladenzieher, ein Einzelhändler, der sich von anderen Gewerbetreibenden durch nichts unterscheide. "Gute Gründe, warum der Kunde seine Medikamente nicht im Supermarkt oder der Drogerie kaufen kann, gibt es nicht", weiß die FAZ-Redakteurin.
Und auch für die Abgabe "kritischer Medikamente" (was immer die Autorin damit meint) seien die 21.500 öffentlichen Apotheken nicht notwendig. Schließlich gebe es ja 600 Krankenhausapotheken, die diese Aufgabe übernehmen könnten.
Als hätte die PR-Abteilung einer Krankenkasse oder einer Internet-Apotheke die Schreibhände der Autorin über der Tastatur geführt, werden im FAZ-Beitrag die ökonomischen Vorzüge des Versandhandels und von DocMorris gepriesen. Es wird vom Glück der an Grippe erkrankten Hilde Mayer berichtet. Sie wohnt in Niedersachsen und darf sich deshalb ihre Arzneimittel auf Kosten einer Betriebskrankenkasse bei DocMorris bestellen. "So spart die kranke Hilde Mayer nicht nur die Rezeptgebühr, sondern auch noch 15 Prozent der Kosten für ihr Grippemittel." Glückliche Hilde: Sie wartet mindestens drei Tage auf ihr Medikament. Die Krankenkasse muss für 30 Tabletten Paracetamol 1,32 Euro bezahlen, obwohl solche Präparate nicht erstattungsfähig sind. Und DocMorris darf für diesen Betrag ein Päckchen nach Niedersachsen schicken. Ohne Frage ein gutes Beispiel für die Vorzüge des Internethandels.
Fachlich unterfüttern lässt sich die FAZ-Autorin ihre Tiraden auf die Apotheker vom Sachverständigen Professor Dr. Rolf Rosenbrock. "Die Apotheke, wie sie sich heute darstellt, stammt aus dem 19. Jahrhundert", wird der Ökonom zitiert. Laut FAZ plädiert er auch für eine Aufhebung der Preisbindung für nicht verschreibungspflichtige Medikamente. Im Gegensatz zur Autorin will er die verschreibungspflichtigen Arzneimittel aber weiterhin in der Offizin-Apotheke abgegeben sehen.
Nicht fehlen darf der Hinweis auf die großen Handelsspannen der Apotheker, die sie mit 27 bis 70 Prozent angibt. Wie sie zu diesen Zahlen kommt, verschweigt die Autorin. Nach Angaben der ABDA lag im Jahr 2000 die durchschnittliche Handelsspanne bei 27,1 Prozent.
Apotheker entsetzt
Die ABDA, die Landesapothekerkammer Hessen und zahlreiche Kollegen reagierten auf die Polemik mit scharfen Leserbriefen. "Die Behauptung, der Apotheker sei nichts anderes als ein Einzelhändler, zeugt von erschreckender Unkenntnis", schreibt ABDA-Hauptgeschäftsführer Professor Dr. Rainer Braun in einem Leserbrief an die Sonntags-FAZ. Braun äußert auch seine Verwunderung darüber, "dass eine renommierte Zeitung wie die FAZ, die sich ansonsten durch saubere Recherche auszeichnet, derart polemischen Ausführungen Platz bietet".
Es gebe gute Gründe dafür, dass Arzneimittel nicht bei Aldi oder Apothekenketten verkauft werden, schreibt Braun weiter. "Apothekenpflicht ist, anders als der Artikel weis machen will, ein Schutzgesetz für Verbraucher und nicht für Apotheker." Wenn Aldi schon Aspirin verkaufen soll, dann möge es auch den Nacht- und Notdienst übernehmen.
Entsetzt zeigte sich auch die Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen, Dr. Gabriele Bojunga. In einem Brief an die FAZ-Redaktion bot sie der Autorin eine Hospitanz in ihrer Apotheke an, um deren Kenntnisse über die Aufgaben der Apotheker "auf den Stand zu bringen, der sie in die Lage versetzt, Artikel zum Thema Apotheker zu schreiben".
Schon geschrieben? Zahlreiche Apotheker haben der FAZ bereits ihren Ärger über den einseitigen Beitrag mitgeteilt. Für alle, die dies noch nicht getan haben, hier die Adresse:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
Leserbrief-Redaktion
60267 Frankfurt am Main
E-Mail: Sonntagszeitung_Politik@faz.de
In ihrem Leserbrief wirft die hessische Kammerpräsidentin der FAZ "Bildzeitungsmanier" vor. Der Artikel sei nicht recherchiert und diffamiere einen ganzen Berufsstand. Bojunga: "Ich bin seit über 20 Jahren FAZ-Leserin und habe einen derartig niveaulosen Artikel in Ihrer Zeitung noch nicht gelesen."
Die Entrüstung zieht sich durch den ganzen Berufsstand. In zahlreichen Leserbriefen, von denen wir einige in der Druckausgabe der PZ veröffentlichen, beschweren sich Apothekerinnen und Apotheker über die FAZ-Polemik. Auch sie kritisieren vor allem die schlechte Recherche und sachliche Fehler im Beitrag. Etliche Kollegen kündigten ihr Abonnement der Sonntagszeitung.
Die Sonntags-FAZ verzichtete in ihrer Ausgabe vom 6. Januar allerdings darauf, die einzelnen Leserbriefe abzudrucken. Stattdessen fasste die Autorin in einem weiteren Beitrag die Kritik zusammen. Sie verzichtete dabei allerdings darauf, sachliche Fehler klarzustellen. So hatte Wilhelm behauptet, die Lagerhaltung von Arzneimitteln übernehme heute grundsätzlich der Großhandel. Wie oben erwähnt, ging sie auch von Apotheken-Aufschlägen zwischen 27 und 70 Prozent aus. Immerhin stellte sie fest: "Die Redaktion ist nicht für die Abschaffung der Apotheken."
Kommentar: Stimmungsmache Apotheker arbeiten zu wenig, verdienen zu viel und verteidigen ihre Pfründe mit allen denkbaren juristischen Winkelzügen gegen die Gutmenschen von Internet-Apotheken und Krankenkassen. Auf der Strecke bleiben die Kranken, die - vom Arzneimittel-Monopolisten in Geiselhaft genommen - um eine effizientere Versorgung gebracht werden. Die Wahrheit kann einfach sein, wenn man sich der Realität verweigert.
Denn diese ist erheblich komplizierter. Natürlich stellt die Autorin zu Recht fest, dass das Gesundheitswesen kein freier Markt ist. Sie beleuchtet aber nur die Bereiche, die in ihre Argumentation passen, die vermeintlich die Preise für Arzneimittel nach oben treiben. Dass öffentliche Apotheken im Gegensatz zu Internet-Apotheken eine flächendeckende Versorgung garantieren und auch solche Arzneimittel anbieten, die Internet-Apotheken wegen des geringen Deckungsbeitrages nicht führen, erwähnt sie nicht.
Wer einen freien Wettbewerb zwischen Versandhändlern und öffentlichen Apotheken fordert, der muss auch erwähnen, dass dann Not- und Nachtdienst nur noch kostendeckend - also um ein Vielfaches teurer - angeboten werden könnten. In der Akutversorgung müssten Patienten sich dann darauf einstellen, dass ein selten verordnetes Medikament erst in ein bis zwei Wochen geliefert werden kann. Im Einzelhandel - und nichts anderes ist ja nach Meinung der Autorin die Apotheke - sind solche Lieferzeiten die Regel. Wer all dies verschweigt, der argumentiert nicht, sondern betreibt dumpfe Stimmungsmache.
Daniel Rücker
PZ-Redakteur
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E-Mail: redaktion@govi.de