Mehr Disziplin beim Sonnenbad |
08.10.2001 00:00 Uhr |
1927 bot Beiersdorff mit Nivea angeblich das erste Sonnenschutzmittel an. Erst Jahre später kam Delial. Das Präparat enthielt Filter, die die Haut tatsächlich vor schädlichen UV-Strahlen schützten. Heute ist die Palette der Sonnenschutzmittel schier unendlich, die Vielfalt der Filtersubstanzen groß und die kompetente Beratung in der Apotheke daher unverzichtbar. Dr. Gerd Kindl, Offizinapotheker aus Baldham bei München, lotste das Auditorium durch den unübersichtlichen Markt der Sonnenschutzmittel.
Die meisten Präparate verfügen heute über hochpotente Schutzfilter, dennoch entscheiden richtige Auswahl und Anwendung darüber, ob das Sonnenbad ohne unangenehme Folgen bleibt. Der Schutz vor UV-B-Strahlen sei entscheidend, erklärte Kindl. Die Schutzwirkung wird über den Lichtschutzfaktor (LSF) definiert, der heute europaweit einheitlich nach einer Prüfvorschrift des Dachverbandes der Europäischen Kosmetikindustrie (COLIPA) bestimmt wird. Daher kann die Schutzwirkung der Präparate unterschiedlicher Hersteller problemlos miteinander verglichen werden.
Kindl kritisierte dennoch die Methodik. Bei der COLIPA-Methode werden 2 mg Substanz pro Quadratzentimeter Haut aufgetragen. Die meisten Verbraucher gingen mit Gels, Cremes oder Milch jedoch wesentlich sparsamer um. Sie erreichten daher nie die deklarierte Schutzwirkung. Kindl schlägt einen Hinweis auf den Präparaten vor, der dem Verbraucher genau empfiehlt, wann, wie oft und wie viel Sonnenschutzmittel er auftragen muss, um entsprechend geschützt zu sein.
Inzwischen sind Produkte mit Schutzfaktoren bis zu 100 auf dem Markt. Dagegen sei prinzipiell nichts zu sagen, meinte er. Der hohe Faktor verführt seiner Meinung nach allerdings dazu, zu lange in der Sonne zu bleiben. Der LSF beziehe sich auf die Erythemschwelle, die Haut würde aber schon vorher geschädigt. Der Offizinapotheker sieht noch ein anderes Problem: Präparate mit extrem hohen Faktoren belasten stärker die Haut und bergen ein größeres Allergierisiko.
Eine gerade für Kinder sinnvolle Alternative sind Sonnenschutzmittel mit Mikropigmenten. Solche Kosmetika schützen häufig nicht nur vor UV-B-, sondern auch vor UV-A-Strahlen. Die Pigmente, die dank moderner Verfahren wie der Mikrodispersion immer kleiner werden, reflektieren und absorbieren das Licht. Die Energie wird dabei auf chemische Gruppen an der Oberfläche der Partikel übertragen.
Prinzipiell empfiehlt Kindl, sich auch vor UV-A-Strahlung zu schützen. Lange Zeit galt Licht dieser Wellenlängen nicht als gesundheitsschädlich, sondern wurde lediglich für den bräunenden Effekt verantwortlich gemacht. UV-A-Licht lasse die Haut altern, induziere Hautkrebs, unterdrücke Immunreaktionen und führe zu krankhaften Hautreaktionen, erklärte Kindl den aktuellen Wissensstand.
Leider fehlt bislang ein einheitlicher Standard, nach dem die Schutzwirkung der einzelnen Filter bestimmt werden kann, bedauerte er. Neben diversen In-vivo-Methoden, bei denen zum Beispiel der Grad der Hautbräunung gemessen wird, prüfen einige Hersteller ihre Produkte nach dem so genannten Australischen Standard, der weltweit einzigen rechtlich verbindlichen Methode. Demnach darf der Hersteller nur dann mit einer Schutzwirkung vor UV-Strahlen werben, wenn 90 Prozent der Strahlen zwischen 320 und 390 Nanometer abgefiltert werden.
"Eigentlich können wir auf die Angabe von UV-A-Faktoren verzichten", sagte Kindl. Solche Angaben gäben dem Verbraucher keine nützlichen Hinweise, wie er sich vernünftig vor der Strahlung schützt. "Es reicht, wenn der Hersteller auf seiner Packung generell auf einen UV-A-Schutz hinweist." Diese Angabe müsse dann allerdings mit einer standardisierten Methode nachprüfbar sein.
Regelungsbedarf sieht Kindl bei der Begriffsvielfalt. Angaben wie
wasserfest, seewasserfest, abrubbelfest et cetera sorgten beim Verbraucher
nicht unbedingt für mehr Transparenz. Daneben hofft der Apotheker auf
neue Produkte, die nicht nur vor Sonnenbrand schützen, sondern auch
Hautalterung bremsen und die Repair-Mechanismen in Hautzellen
unterstützen. Seiner Meinung nach sind das die Präparate der Zukunft.
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