COX-2-Hemmer sind nur solo magenfreundlicher |
08.10.2001 00:00 Uhr |
Möglichst peroral, möglichst ein Monopräparat und möglichst nach dem WHO-Stufenschema - diese Grundregeln sollten bei der Auswahl des passenden Schmerzmittels berücksichtigt werden, erklärte der Frankfurter Pharmakologe Professor Dr. Gerd Geißlinger. Je nach Schmerztyp sollte man zudem die richtige Formulierung wählen. Während bei akuten Schmerzen schnell wirksame Präparate gebraucht werden, eignen sich für chronische Formen spezielle Zubereitungen, die über einen längeren Zeitraum für gleichmäßige Wirkspiegel sorgen.
Ausführlich widmete sich Geißlinger den nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR), insbesondere den seit einiger Zeit verfügbaren selektiven Cyclooxygenase-(COX)-2-Hemmern. Die NSAR sowie andere nicht opioide Analgetika wie Paracetamol oder Metamizol bilden die Basismedikation der WHO-Stufe 1. Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen hätten sich vor allem bei entzündlichen Schmerzen oder Knochenmetastasen bewährt, erklärte der Pharmakologe. Grundsätzlich hätten alle NSAR das gleiche Wirkspektrum, aber auch die gleichen Nebenwirkungen.
Die unerwünschten Effekte im Gastrointestinaltrakt stehen eindeutig im Vordergrund. Jährlich landen 100.000 der 13 Millionen US-Bürger, die NSAR einnehmen, in der Klinik. Die Zahl der Todesfälle bezifferte Geißlinger auf 16.000.
Einleuchtend daher, dass die Medizin große Hoffnung in die selektiven COX-2-Hemmer setzt. Inzwischen verglichen Wissenschaftler in zahlreichen Studien das Nebenwirkungspotenzial von Celecoxib und Rofecoxib mit nicht selektiven Substanzen. Geißlinger interpretierte vor allem die Ergebnisse der kürzlich publizierten CLASS- und VIGOR-Studie. Während die Patienten in der CLASS-Studie entweder Celecoxib oder Ibuprofen beziehungsweise Diclofenac erhielten und zur Infarktprophylaxe zusätzlich ASS einnehmen durften, prüfte man in der VIGOR-Studie Rofecoxib gegen Naproxen und die ASS-Einnahme war nicht erlaubt.
Sowohl Celecoxib als auch Rofecoxib schnitten in punkto gastrointestinale Nebenwirkungen besser ab als die unselektiven Vergleichspräparate. Unter Celecoxib (ohne ASS zusätzlich) beobachtete man eine höhere Infarktrate, die bei Rofecoxib noch deutlicher ausgeprägt war, berichtete Geißlinger. "Rofecoxib wirkt nicht kardiotoxisch", warnte der Referent vor voreiligen Interpretationen. Da die Patienten jedoch auf eine Basismedikation mit niedrig dosierter ASS verzichten mussten, profitierten sie auch nicht von deren Blut verdünnender Wirkung.
Die Studien sowie weitere Tierexperimente liefern noch andere Erkenntnisse, so der Frankfurter Hochschullehrer. Mäuse, die eine COX-1-selektive Testsubstanz erhalten, entwickelten beispielsweise zunächst keine Magenulzera. Der schädigende Effekt trat erst ein, wenn beide Isoformen des Enzyms blockiert wurden. "Sowohl Rofecoxib als auch Celecoxib dürfen also nicht mit herkömmlichen NSAR kombiniert werden, da der magenschonende Effekt ansonsten verloren geht", erläuterte er.
Seine Schlussfolgerung: Die selektiven COX-2-Hemmer haben eine vergleichbare analgetische Potenz wie ihre Vorgänger. Auch die glomuläre Filtrationsrate wird wie bei alten NSAR herabgesetzt. Daher sollten auch hier niereninsuffiziente Patienten engmaschig kontrolliert werden. Dagegen hemmen die COX-2-Hemmer natürlich nicht die Plättchen-Aggregation. Der Blut verdünnende Effekt geht also durch die COX-2-selektive Wirkung verloren.
Als Alternative für Patienten, die insbesondere unter Kolikschmerzen leiden, nannte Geißlinger Metamizol. Die als Nebenwirkung so gefürchtete Agranulozytose relativierte er. Diese trete vor allem in nordeuropäischen Ländern häufiger auf. Viel gefährlicher sei es, die Substanz parenteral zu verabreichen. Denn Patienten reagieren auf die Bolusgabe häufig mit einer Schockreaktion.
Doppelter Effekt
Vom Klassiker Morphin könnten Tumorpatienten eventuell sogar doppelt profitieren. Das Betäubungsmittel lindert nicht nur stärkste Schmerzen, sondern geht auch Krebszellen an den Kragen. Geißlinger und seine Frankfurter Forscherkollegen beobachteten, dass Morphin entartete Zellen in den programmierten Zelltod treibt, indem es die Bildung so genannter FAS-Rezeptoren auf der Zelloberfläche ankurbelt. Makrophagen erkennen diese Proteine und eliminieren dann die entsprechende Zelle. Geißlinger berichtete in Palma erstmals über diese neuen Erkenntnisse. Jetzt plant die Frankfurter Arbeitsgruppe eine entsprechende Publikation.
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