Sauer macht nicht lustig |
07.10.2002 00:00 Uhr |
Die Therapie des Magen- oder Zwölffingerdarm-Ulcus hat sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verändert. Während die Diagnose vor 30 Jahren noch fast zwangsläufig einen Krankenhausaufenthalt mit Operation nach sich zog, lässt sich die Krankheit heute in den meisten Fällen medikamentös beherrschen.
Das Risiko, im Laufe seines Lebens an einem einen Magen- oder Darm-Ulcus zu erkranken, ist recht hoch. Wie Professor Dr. Stefan Laufer vom Pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen erklärte, liegt die Prävalenz bei 10 bis 16 Prozent. Zur Freude der Pharmaindustrie. Die Ulcus-Therapeutika Cimetidin, Ranitidin und Omeprazol gehörten zu den absoluten Blockbustern der Branche. Mit mehr als 5 Milliarden Dollar Jahresumsatz pro Jahr war Omeprazol eines der wirtschaftlich erfolgreichsten Medikamente aller Zeiten.
Eine übermäßige Säureproduktion ist zwar nur eine von vielen Ursachen für die Ausbildung eines Ulcus. Trotzdem steht die konsequente Hemmung der Magensäuresekretion im Mittelpunkt der medikamentösen Therapie. Denn, so Laufer: „Obwohl Pepsin und Gallenflüssigkeit, Helicobacter und Arzneimittel, Rauchen und Stress die Entstehung eines Ulcus mitverschulden gilt ‚ohne Säure kein Ulcus’.“
In die Säuresekretion greifen verschiedene Klassen von Arzneistoffen an unterschiedlichen Rezeptoren ein. Ort des Geschehens sind die Belegzellen der oxyntischen Drüse in der Fundus-Region des Magens. Sie sezernieren Protonen in das Magenlumen, dabei überwinden sie einen Gradienten von 1 zu 1 Million.
Wie Laufer erläutert, wird die Aktivität der Belegzellen von einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Steuermechanismen beeinflusst. Aktivierende Einflüsse vermitteln Muskarin-, Gastrin und Histamin (H2)-Rezeptoren. Gastrin wird in den G-Zellen des Antrums produziert und über den Blutkreislauf zu den entsprechenden Rezeptoren transportiert, Histamin wird aus der Mucosa freigesetzt und erreicht die Belegzelle auf parakrinem Weg, also durch Diffusion von Zelle zu Zelle.
Nervus vagus und Protonenpumpen
Die muskarinergen Rezeptoren werden von cholinergen Neuronen des Vagus angesteuert. Acetylcholin und Gastrin lassen intrazellulär den Calciumspiegel steigen. Der H2-Rezeptor vermittelt seine Wirkung über eine membranständige Adenylatcyclase und einen sekundären Botenstoff. Über Zwischenschritte verändern Calcium-Ionen und der Botenstoff cAMP das Carboanhydrat-Gleichgewicht zu Gunsten einer verstärken Bildung von Protonen. Über eine Protonenpumpe werden die Protonen gegen den Gradienten in das Magenlumen transportiert. Eine hemmende Wirkung auf die Säureproduktion vermitteln Prostaglandinrezeptoren. Prostaglandin hemmt die Adenylatcyclase und antagonisiert somit die Histaminwirkung. Protonenpumpenhemmer greifen irreversibel am Cystein im Inneren der Protonenpumpe an und zerstören sie so.
In der medikamentösen Therapie haben sich nach Laufers Einschätzung zwei Prinzipien als die wirksamsten herauskristallisiert: Die H2-Rezeptorantagonisten und die Protonenpumpenhemmer. In klinischen Studien erzielten Vertreter dieser Stoffklassen Abheilraten von 80 Prozent innerhalb von acht Wochen. Relativiert wird das gute Ergebnis allerdings von Rezidivraten um die 50 Prozent. Zu den den H2-Rezeptorantagonisten gehören unter anderem Cimetidin (Tagamet®), Ranitidin (Zantic®, Sostril®), Nizatidin (Nizax®, Gastrax®), Famotidin (Pepdul®) und Roxatidin (Roxit®). Zu den Vertretern der Protonenpumpenhemmer gehören Omeprazol (Antra®), Lansoprazol (Agopton®, Lanzor®) und Pantoprazol (Pantozol®).
Auch wenn die pharmazeutische Industrie dies glauben machen will, sind die klinischen Unterschiede zwischen Vertretern der einzelnen Substanzklassen, nach der Einschätzung Laufers gering. Da Cimetidin über das Cytochrom P450-System verstoffwechselt wird, gibt es Wechselwirkungen mit einigen anderen Medikamenten. Diese seien jedoch selten und für die Klinik kaum relevant. Nachfolgende H2-Antagonisten unterschieden sich vor allem durch eine höhere Wirksamkeit und deshalb niedrigere Dosierung vom ersten Vertreter der Klasse. Eine tatsächliche Neuerung, nämlich langwirksame H2-Antagonisten, sind in der Forschungspipeline hängen geblieben. Im Langzeit-Rattenversuch hat die Substanz Lupitidin Magenkrebs ausgelöst. Ihre Entwicklung wurde deshalb eingestellt. Laufer hält dies für einen Fehler. Die Tumorbildung sei nicht auf den Menschen übertragbar.
Auch bei den Protonenpumpenhemmern kann Laufer keine klinisch bedeutsame Verbesserung seit Omeprazol erkennen. Das Medikament sei sehr gut wirksam und habe nur marginale Nebenwirkungen, da es als Prodrug gegeben wird werde und erst durch die Protonierung am Wirkort in Sulfenamid umgewandelt werde. Da durch die Protonierung auch das chirale Zentrum von Omeprazol zerstört wird, hat Laufer auch Zweifel ob das reine Enantiomer Esomeprazol einen deutlichen therapeutischen Fortschritt darstellt.
Weitere Arzneistoffe, die in der Indikation eingesetzt werden sind die Acetylcholin-Rezeptorantagonisten wie Pirenzepin (Gastrozepin®), die Prostaglandin-E-Rezeptorantagonisten, etwa Misoprostol (Cytotec®), und die Antacida, zum Beispiel Magaldrat (Gastripan®) und Hydrotalcit (Talcid®).
Der Einsatz von Antacida bei einem Ulcus sei allerdings wenig sinnvoll, schränkte Laufer ein. Voraussetzung für eine erfolgreiche Abheilung des Gsechwüres sei die langfristige Anhebung des pH-Wertes. Dies sei mit Antacida nicht möglich. Wenn ein Patient im Rahmen der Selbstmedikation bei Sodbrennen nach einem Antacidum fragt, dann sollten ihm in jedem Fall die Schichtgitterantazida Magaldrat oder Hydrotalcit empfohlen werden. Sie enthielten mit Al(OH3) und Mg(OH2) noch die wirksamsten Substanzen. Zurückhaltung empfahl er dagegen bei Ca(CO3)-haltigen Antacida.
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