Noch kein Durchbruch bei der Mukoviszidose-Therapie |
30.09.2002 00:00 Uhr |
Enttäuschende Ergebnisse der Gentherapie, Studien, deren Resultate viel zu lange auf sich warten lassen, und eine dramatische Zunahme bei den Antibiotika-Resistenzen: Dr. Doris Staab von der Lungenklinik Heckeshorn, Berlin, bewertete die Situation von Mukoviszidose-Patienten nicht optimistisch. „Wir therapieren mit dem Rücken zur Wand“, sagte sie.
Dabei hatten viele Menschen große Hoffnungen gerade in die Gentherapie gesetzt. Denn die Mukoviszidose, auch zystische Fibrose genannt, beruht auf dem Defekt eines einzigen Gens (siehe Kasten). Mit Viren oder Liposomen als Shuttles versuchen Wissenschaftler seit Beginn der 90er-Jahre, ein funktionsfähiges Gen in die Zellen zu bringen, um damit den Defekt zu korrigieren.
In-vitro-Studien lieferten zunächst auch viel versprechende Ergebnisse. Wissenschaftler brachten ein intaktes CFTR-Gen in Epithelien ein, die den Defekt trugen. Der Chloridtransport normalisierte sich daraufhin. In ersten klinischen Studien bei Mukoviszidose-Patienten besserte die Inhalation der Vektoren mit dem Gen die Chloridkanalfunktion jedoch nur für einige Tage.
Weitere Studien zeigten die Barrieren des Gentransfers auf: Die Viren bringen das CFTR-Gen mit hoher Trefferquote in die Zellen, aber die Patienten entwickeln eine Immunreaktion gegen die Genfähren. Dadurch ist eine wiederholte Anwendung nicht möglich. Jetzt versuchen Wissenschaftler, die Viren so zu modifizieren, dass sie keine Immunantwort hervorrufen.
Zudem müssen die Viren von der unzugänglichen basolateralen Seite in die Zellen eindringen. Dort sitzen die Rezeptoren, an die die Viren andocken. Was in Gewebekultur nicht weiter dramatisch war, stellte sich bei der Anwendung am Menschen als problematisch heraus. Damit die Viren leichter durch die obere Zellschicht gelangen, versuchen Wissenschaftler jetzt, die außerordentlich dichten Verbindungen zwischen den Epithelzellen zu lockern. Zudem sind die Forscher auf der Suche nach einem neuen, einfacher zugänglichen Rezeptor auf der apikalen Zellmembran.
Die Liposomen provozieren im Gegensatz zu den Viren zwar keine Immunantwort, sind jedoch wesentlich weniger erfolgreich beim Gentransfer. Außerdem litten die Patienten auch nach Inhalation der Fetttröpfchen unter einer Entzündung der Lunge. Jetzt entwickeln Forscher Liposomen, die spezifische Adhäsionsmoleküle an der Oberfläche tragen, und so ein Andocken an die Zelle und die Übertragung des Erbmaterials erleichtern sollen.
Mehr Erfolg als von der Gentherapie verspricht sich Staab von einer pharmakologischen Korrektur des Proteindefekts. Inzwischen ist die Forschung zu den verschiedenen Mutationen im CFTR-Gen so weit fortgeschritten, dass die Wissenschaftler relativ genau wissen, welche Mutation welche Defekte mit sich bringt. Sie haben für eine Reihe von Mutationen Substanzen gefunden, die in der Lage sind, den Gendefekt zu korrigieren. Dazu gehören zum Beispiel Gentamicin und Phenylbutyrat, beide werden derzeit in klinischen Studien getestet.
Bereits im Einsatz ist die gentechnisch hergestellte DNAse, die durch den Abbau der DNA die Viskosität des Schleims reduzieren soll. Deren Wirkung auf den Verlauf der Lungenfunktion scheint zwar nur marginal, das Enzym bewirkt jedoch eine signifikante Reduktion der Infektexazerbationen, erklärte Staab. Ob DNAse auch eine antientzündliche Wirkung hat, wird derzeit in klinischen Studien geprüft.
Der Natriumkanalblocker Amilorid, der in Langzeitstudien den Wirkungsnachweis als Mukolytikum schuldig blieb, scheint in Kombination mit Uridinphosphat, einem Aktivator alternativer Chloridkanäle, deutlich besser zu wirken. Klinische Studien, die zeigen sollen, ob die Kombination tatsächlich den Salz- und Wassertransport verbessert, stehen aber noch aus.
Die derzeit etablierte Behandlung der Mukoviszidose besteht in einer außerordentlich aufwendigen symptomatischen Therapie. Dazu gehört eine Ernährungsüberwachung mit Supplementation von Verdauungsenzymen, Physiotherapie und Sport sowie die Therapie der Entzündung der Lunge. Dabei kommen Antibiotika, antiinflammatorische Substanzen sowie Sekretolytika zum Einsatz. Mit dem konsequenten Einsatz von Antibiotika ließ sich zwar der Verlust der Lungenfunktion bei vielen Patienten aufhalten, aber die meisten Keime haben inzwischen Resistenzen gebildet.
Die Therapie basiert vor allem auf der Erfahrung der Ärzte. Nur wenige Regime sind evidenzbasiert, erklärte Staab. Erst seit etwa fünf Jahren werden hier zu Lande Mukoviszidose-Therapien in großen multizentrischen Studien geprüft.
Der Gendefekt Mukoviszidose beruht auf einem Defekt im CFTR-Gen (CFTR = Cystic Fibrosis Transmembrane Regulator). Dadurch kommt es zu einer Störung der Chloridkanäle in allen Epithelzellen der exokrinen Drüsen. Von dem Defekt sind die Schweißdrüsen ebenso betroffen wie die Bauchspeicheldrüse, die Gallengänge und die Geschlechtsorgane. Entscheidend für Morbidität und Mortalität ist letztlich jedoch ein zäher Schleim in der Lunge, der die Lungenbläschen verstopft und Bakterien einen Nährboden bietet. Die Immunreaktion des Patienten verschlimmert die Situation zusätzlich. Beim vergeblichen Versuch, Keime abzuwehren, zerfallen zahlreiche Granulozyten, deren DNA den Schleim noch zähflüssiger macht. Es kommt zu chronischen Infektionen, die das Lungengewebe sukzessive zerstören. Vom CFTR-Gen sind inzwischen viele verschiedene Mutationen bekannt, die letztlich zu ganz unterschiedlichen Manifestationen der Erkrankung führen können. Die Patienten erreichen heute ein Alter von 40 bis 50 Jahren.
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