Kinderkrankheiten bereiten im Erwachsenenalter Probleme |
07.10.2002 00:00 Uhr |
Dank der konsequenten Durchimpfung der Bevölkerung konnte die Poliomyelitis in den letzten Jahrzehnten aus Europa verbannt werden. Inzwischen stellen Infektionskrankheiten wie Hepatitis B, Masern, Mumps oder Keuchhusten die Gesundheitsbehörden vor neue Herausforderungen. Probleme sieht Professor Dr. Burghard Stück von der Berliner Universitätsklinik Rudolf Virchow vor allem bei den Kinderkrankheiten. Durch veränderte sozioökonomische Verhältnisse treten typische Kinderkrankheiten heute immer häufiger im Erwachsenenalter auf.
„Die Bekämpfung der Masern steht nach der Polio nun in Europa ganz oben auf der Agenda“, berichtete Stück. Pro 100.000 Einwohner erkranken in Deutschland rund 20 Menschen. Dabei ist die Inzidenz in den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg höher als in der restlichen Republik.
Masern können über Wochen die Immunabwehr der Betroffenen schwächen. Daher erkranken besonders Kleinkinder währenddessen häufig an Mittelohrentzündungen oder Pneumonien. Besonders gefährlich ist allerdings eine Masern-Enzephalitis. Sie tritt unter den Zehn- bis Zwölfjährigen bei einem von 1000 Masern-Patienten auf. Nur jeder Dritte übersteht diese schwere Komplikation ohne Folgen.
Die Immunisierung bietet einen sicheren Schutz. Dazu sind zwei Impfungen im Abstand von mindestens vier Wochen nötig. „Die Masern-Mumps-Röteln-(MMR)-Impfung kommt in Deutschland zu spät zum Einsatz“, kritisierte der Referent. Probleme sieht er zudem in der relativ hohen Versagerrate. Als eine Ursache nannte Stück die unsachgemäße Lagerung der kühlpflichtigen Lebendimpfstoffe. Wird die Kühlkette unterbrochen, könne kein sicherer Schutz mehr garantiert werden.
Als zunehmende Gefahr auf Grund der Impfmüdigkeit in Deutschland stufte Stück auch den Keuchhusten ein. Neugeborene seien auf Grund des fehlenden mütterlichen Nestschutzes besonders gefährdet. Mitunter würde eine Diagnose nicht richtig gestellt, da die Infektion in den ersten Lebenswochen oft ohne die typischen Hustenanfälle verläuft. Der seit 1995 zugelassene azelluläre Pertussis-Impfstoff biete einen sicheren Schutz und führe dank der hoch gereinigten Antigene nur noch sehr selten zu Impfreaktionen. Stück empfahl die Immunisierung nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene, die mit den Kleinen in Kontakt stehen. Der Impfschutz hält nur rund 20 Jahre. Die Ständige Impfkommission spricht sich daher für eine Auffrischung im 9. bis 17. Lebensjahr sowie eine weitere Boosterimpfung von medizinischem Personal aus.
Der Mediziner forderte sein Auditorium auf, durch intensive Beratung die Impfbereitschaft der Bevölkerung zu erhöhen. Die kritische Haltung mancher Mediziner auf Grund der scheinbar häufigen Impfschäden sei heute nicht mehr zu rechtfertigen. Dennoch hält Stück Pflichtimpfungen für den falschen Weg. Die Freiwilligkeit zwinge die Ärzteschaft, ihre Patienten aufzuklären. Letztlich führe das bei der Bevölkerung zu einer höheren Akzeptanz als eine Zwangsimpfung.
Impfraten in der Deutschland* Diphtherie 96,9 Tetanus 97,1 Pertussis 75,9 Polio 95,4 Hepatitis B 84,1 (nur erste Impfung)
*) Erhebungszeitraum 1998 bis 2001, Angaben in Prozent der Bevölkerung
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