Pharmazeutische Zeitung online

Gegen die gestörte Blasenfunktion antrainieren

28.05.2001  00:00 Uhr

PHARMACON MERAN

Gegen die gestörte Blasenfunktion antrainieren

PZ  Harninkontinenz bringt massive soziale, psychologische, berufliche, körperliche, partnerschaftliche und sexuelle Probleme mit sich. Dass sie vielen Betroffenen überaus peinlich ist, zeigt sich an der hohen Dunkelziffer: Bei einer postalischen Befragung gaben etwa 10 Prozent der über 65-jährigen Frauen an, unter Harninkontinenz zu leiden.

Grundsätzlich unterscheidet man bei Funktionseinbußen der Blase zwischen Störungen der Speicher- und der Entleerungsphase. Ist die Speicherphase gestört, handelt es sich oft um eine Belastungs-(Stress-) oder um eine Drang-(Urge-)Inkontinenz, erklärte Dr. Helmut H. Knispel, Ärztlicher Direktor der St.-Hedwig-Kliniken in Berlin. Natürlich gibt es auch Mischformen und weitere Inkontinenztypen. Wenn der Harn ungewollt rinnt, kann dies auch Erkrankungen wie Harnwegsinfekte oder Tumoren in Blase oder Prostata anzeigen.

Bei erhöhtem intraabdominellen Druck und insuffizientem Blasenverschluss kommt es zur Stress- oder Belastungsinkontinenz, an der überwiegend Frauen auch in jüngerem Alter leiden. Der Druck im Bauchraum steigt nicht nur beim Niesen, Husten und Heben, sondern kann chronisch erhöht sein durch Übergewicht oder (Raucher-)Husten bei chronischer Bronchitis. Vaginale Geburten erhöhen ebenso wie gynäkologische Operationen das Risiko, da hierbei kleine Nervenstrukturen reißen und die nicht mehr innervierten Muskeln allmählich atrophieren.

Bei der Dranginkontinenz geht der Harn durch unkontrollierbare Kontraktionen der Blasenmuskulatur trotz intaktem Schließmuskel ab; der Harndrang ist nicht unterdrückbar. Die klassische motorische Form sei medikamentös gut behandelbar, sagte Knispel, dagegen sei die sensorische Form schwer zu beherrschen.

Früh übt sich

Detailliert stellte der Referent die Therapieansätze bei Stress- und Drangformen vor (siehe Tabelle). Estrogensubstitution als Monotherapie gelte bei Stressformen als obsolet, sei bei Dranginkontinenz aber einen Versuch wert. Hohen Stellenwert maß er dem Blasentraining und dem körperlichen Training der Beckenbodenmuskulatur bei. Knispel: "Die beste Prophylaxe ist körperliches Training und Fitness. Beckenbodentraining ist für jede Frau ab zwanzig wichtig und ganz besonders in der Zeit um die Geburt." Eine Studie habe gezeigt, dass Frauen, die vor der Niederkunft nur ein Faltblatt mit Beckenbodenübungen bekommen hatten, nach fünf Jahren doppelt so häufig unter Inkontinenz litten wie Frauen, die bis zu einem Jahr lang Beckenbodengymnastik unter Anleitung einer Physiotherapeutin betrieben hatten.

 

Tabelle: Therapie bei Stress- und Dranginkontinenz

Stressinkontinenz Dranginkontinenz Beckenbodentraining
Elektrostimulation
Estrogensubstitution
Alpha-Sympathomimetika (nicht im Handel)
Vaginale Prothesen (Pessare)
Gewichtsreduktion
Operation Blasenspasmolytika
Estrogensubstitution
Blasentraining
Psychotherapie (Hypnose, Akupunktur)
Selektive Sakralnervenblockade
Operation

 

Üben kann frau auch mit Gewichten (Femconen), die in die Vagina eingeführt werden und dort mit Muskelkraft gehalten werden müssen. Auch dieses Training sollte von einer Physiotherapeutin begleitet sein. Zweitbeste Lösung ist ein passives Training durch Elektrostimulation. Weitere Hilfsmittel sind Pessare, die vaginal eingebracht werden und die Blase stützen sollen, sowie Harnröhrenstöpsel.

Anticholinergika wirken dem Druck entgegen

Vor allem bei Dranginkontinenz haben Anticholinergika ihre Bedeutung. Sie wirken der pathologisch übersteigerten Blasenkontraktion durch Blockade muskarinerger Rezeptoren entgegen, belasten den Patienten aber mit typischen Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Obstipation, Tachykardie und Akkomdationsstörungen. "Ausgezeichnet effektiv" sei Tolterodin, das von den verfügbaren Anticholinergika die höchste Affinität zu M3-Rezeptoren in der Blase habe und seltener zu Mundtrockenheit führ, sagte Knispel. Trospiumchlorid ist als quarternäres Amin nicht ZNS-gängig, muss jedoch individuell dosiert werden.

Neben einer anticholinergen Wirkung hat Oxybutinin auch einen lokalanästhetischen und direkt muskelrelaxierenden Effekt. Propiverin wirkt anticholinerg und (schwächer) Calcium-antagonistisch. Gute Studien hätten die Wirksamkeit beider Stoffe bei hyperaktiver Blase belegt, sagte Knispel. Bei neurogenen Blasenentleerungsstörungen kann Oxybutinin auch topisch appliziert, also in die Blase gespritzt werden (Beispiel Spresica®). Dies kommt vor allem für Patienten in Frage, die sich selbst katheterisieren. Top

© 2001 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa