Die Anlage 3 zu § 15 der Apothekenbetriebsordnung |
04.12.2000 00:00 Uhr |
Am 25. August 1994 trat die erste Verordnung zur Änderung der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (1. ApBetrO-ÄndV) vom 9. August 1994 in Kraft. Diese Änderung betraf auch die Anlage 3 zu § 15 Antidota (1).
Laut § 15 ApBetrO hat der Apothekenleiter die in der Anlage 3 genannte Arzneimittel vorrätig zu halten. Die in Anlage 3 Nr. 1 - 3, 7 und 8 genannten Arzneimittel in einer Darreichungsform, die eine parenterale Anwendung ermöglichen. Mit der oben genannten Änderungsverordnung wurde die ehemalige Nr. 4 der Anlage 3 zu § 15 ApBetrO "Blutvolumenersatzmittel" durch "Mittel zur Behandlung von Rauchgasvergiftung" ersetzt. Diese rasch bis zur Lebensgefährdung voranschreitende Intoxikation, zum Beispiel durch nitrose Gase oder Phosgen, erfordert eine forcierte Behandlung mit frühestmöglicher Inhalation eines Glucocorticoids. Hierzu kommt jedes inhalativ anzuwendende Glucocorticoid, wie zum Beispiel Dexamethason-21-isonicotinat, Fluticasonpropionat, Beclometasondipropionat, Budesonid, in Frage (2). Für Dexamethason-21-isonicotinat wird beispielsweise die Gabe von fünf Hüben alle zehn Minuten, bis zu einem Dosier-Aerosol pro Patient, empfohlen (Rote Liste 2000). Schon bei drohendem Lungenödem ist die parenterale Gabe einer hohen Glucocorticoiddosis, zum Beispiel Prednisolon 1000 mg wiederholt, indiziert (2).
Immer wieder wird aus der Praxis darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Überwachung gefordert wird, dass die Apotheken nur ein Präparat, nämlich Dexamethason-21-isonicotinat vorrätig halten dürften beziehungsweise müssten. Dieser Forderung muss eindeutig widersprochen werden. Dexamethason-21-isonicotinat ist nicht die wirksame Verbindung. Dieser Ester wird zunächst im systemischen Kreislauf resorbiert, dort gespalten und wirkt erst dann als Dexamethason an den Rezeptoren. Im Gegensatz zu Dexamethason-21-isonicotinat handelt es sich bei Fluticasonpropionat um die Wirksubstanz (3).
Die ApBetrO macht keine Vorgaben für entsprechende Arzneistoffe oder gar Fertigarzneimittel. Weiterhin ist es nicht stichhaltig, dass andere inhalative Glucocorticoide für die Indikation Rauchgasvergiftung nicht zugelassen wären. Eine für die Zulassung geeignete klinische Prüfung kann in diesem Anwendungsgebiet auch verständlicherweise gar nicht durchgeführt werden.
Weiterhin käme auch niemand auf die Idee, zum Beispiel Lefax® Tropfen Suspension nicht als Antischaum-Mittel zu bezeichnen, nur weil zum Beispiel die Zulassung für "Intoxikationen mit Spülmitteln" nicht gegeben ist beziehungsweise nicht beansprucht wird. Die Rote Liste 2000 führt diese Indikation bei diesem Fertigarzneimittel nicht auf. Hingegen wird bei Sab simplex® Suspension auch die Indikation "Anwendung bei Spülmittelvergiftung" angegeben (Rote Liste 2000). Ein in der Roten Liste aufgeführtes Anwendungsgebiet impliziert im übrigen nicht notwendigerweise, dass dieses Arzneimittel auch für die Indikation zugelassen ist.
Die Hinweise aus der Praxis haben wir zum Anlass genommen, dass vor sechs Jahren publizierte ergänzende Merkblatt zur Anlage 3 zu § 15 ApBetrO Antidota (1) zu konkretisieren und zu aktualisieren (siehe unten aufgeführte Tabelle). Die dort aufgeführten Handelspräparate sind Beispiele, die einen Kompromiss zwischen Notwendigkeit und Praktikabilität bezüglich Menge, Packungsgröße und Lagerstabilität für die öffentliche Apotheke darstellen.
Ergänzendes Merkblatt zu Anlage 3 zu § 15 Apothekenbetriebsordnung Antidota
Nr. Antidot Arzneistoff Beispiele für Handelspräparate Anmerkungen 1.1 Gegen Intoxikationen und Überdosierungen mit Opiaten Naloxon Narcantiâ oder Naloxon-ratiopharm oder Naloxon Curamed 0,4 mg 3 bzw. 5 Amp. zu 1 ml Bei Intoxikationen mit Buprenorphin ist Naloxon als Antidot nur teilweise geeignet 1.2 Gegen Intoxikationen undÜberdosierungen mit Cholinesterase-Hemmern a) Atropin Atropinsulfat 100 mg antidot. 5 Amp. zu 10 ml Bei Intoxikationen mit Phosphorsäureestern und Carbamaten wird Atropin in hohen Dosen eingesetzt b) Obidoximchlorid Toxogoninâ 5 Amp. zu 1ml Als Cholinesterase-reaktivator bei Phosphorsäure-estervergiftung. Nur nach Atropin. Nicht bei Carbamat- oder Methyl-phosphorsäure-esterintoxikation 1.3 Gegen Intoxikationen mit Cyanid(en) a) 4-Dimethylamino-phenol (DMAP), anschließend: 4-DMAP 1 Amp. zu 5 ml Als Methämoglobinbildner b) Natriumthiosulfat Natriumthiosulfat 10 %2. Emetika
Apomorphin Apomorphin Teclapharm 10 Amp. zu 1 ml Zusammen mit einem a -Sympathomimetikum, wie z.B. Norfenefrin (Novadralâ Amp.); wegen unerwünschter Wirkungen für die Routineanwendung sowie für die Anwendung bei Kindern nicht indiziert 3. Corticoid, hoch dosiert zur Injektion Glucocorticoid (zum Beispiel Prednisolon, Methylprednisolon) Solu-Decortinâ-H 250 1 St. oder Urbasonâ solubile forte 250 mg 1 St. oder anderes 4. Mittel zur Behandlung von Rauchgasvergiftungen Inhalatives Glucocorticoid (zum Beispiel Dexamethason-21-isonicotinat, Fluticasonpropionat) Auxilosonâ 1 Dosier-Aerosol oder 1 anderes Dosier-Aerosol, wie zum Beispiel Flutide® N forte 250 Bei Lungenreiz-Symptomen 5 Hübe alle 10 Minuten bis zum Abklingen der Beschwerden 5. Antischaum-Mittel zur Behandlung von Tensid-Intoxikationen Dimeticon Eluganâ Tropfen 1 x 30 ml oder Lefaxâ liquid Suspension 1 x 200 ml oder Lefaxâ Tropfen Suspension 1 x 50 ml oder Sab simplexâ Suspension 1 x 30 ml Nach Ingestion von Tensiden 0,5-1 g für Erwachsene, Kinder 10-20 mg/kg KG; in flüssiger Darreichungsform 6. Medizinische Kohle Carbo activatus DAB 10 1 x NRF 19.4. oder 1 x Ultracarbon®Die aufgeführten Handelspräparate sind Beispiel, die einen Kompromiss
zwischen Notwendigkeit und Praktikabilität bezüglich Menge, Packungsgröße und
Lagerstabilität für die öffentliche Apotheke darstellen.
Quelle: ZAPP, ABDA Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Eschborn,
Dezember 2000
Literatur
(1) Schulz, M., Peruche, B., Antidota: Anlage 3 zu § 15 ApBetrO. Pharm. Ztg.
139, 45 (1994) 3937 - 3938, 183 - 184.
(2) Ludewig, R., Akute Vergiftungen. 9. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft,
Stuttgart 1999.
(3) Möllmann, H. W., et al., Fluticason, ein neues inhalatives Glucocorticoid. Pharm.
Ztg. 141, 40 (1996) 3662 - 3672.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Martin Schulz
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