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Bortezomib beim multiplen Myelom

12.09.2005  00:00 Uhr

PHARMAZIE

PZ-Innovationspreis 2004

Bortezomib beim multiplen Myelom

von Elke Wolf, Rödermark

Bortezomib kann Patienten mit multiplem Myelom zwar nicht heilen, doch ist es selbst nach dem sechsten Rezidiv noch wirksam. Das trifft immerhin für 35 Prozent der sonst praktisch behandlungsrefraktären, schwer kranken Patienten zu. Das war ein Grund, warum Bortezomib (Velcade®) letztes Jahr mit dem PZ-Innovationspreis ausgezeichnet wurde.

Das multiple Myelom ist eine Krebserkrankung, die vor allem das Knochenmark befällt und unheilbar ist. Durch eine Aktivierung der Osteoklasten entstehen im Verlauf der Krankheit Osteolysen, die mit Brüchen und schmerzhaften Sinterungen im Bereich der Wirbelsäule einhergehen. Das Knochenmarkt wird verdrängt, Anämien, Blutungen und Infektionen sind die Folge. Bortezomib ist für die Behandlung von Patienten mit multiplem Myelom zugelassen, die mindestens zwei vorangehende Therapien durchlaufen und während der letzten Behandlung eine Krankheitsprogression erlitten haben.

Bortezomib ist auch deshalb ausgewählt worden, weil es ein neues Wirkprinzip in die Tumortherapie einführt. Es hemmt reversibel einen Enzymkomplex, das Proteasom, und in der Folge den Proteinabbau, den Zellzyklus und damit die Zellproliferation. Das Besondere: Der neue Arzneistoff dämpft nicht nur die Teilungswut der Krebszellen, sondern schickt die Zellen auch noch in den programmierten Zelltod, die Apoptose. Da Tumorzellen sich sehr rasch teilen und ein hoch aktives Proteasom haben, sind sie von dessen Hemmung besonders betroffen.

 

Nachfolger gesucht! Bortezomib, 2004 mit dem PZ-Innovationspreis ausgezeichnet, wartet auf Ablösung. Welcher neue Arzneistoff ist die Innovation 2005? Wer macht das Rennen unter den Neueinführungen? Die unabhängige sechsköpfige Jury unter der Leitung des Heidelberger Pharmakologen Professor Dr. Ulrich Schwabe hat ihre Wahl getroffen; die Pharmazeutische Zeitung verleiht ihren Innovationspreis auf dem Deutschen Apothekertag in Köln am Samstag, dem 24. September 2005, zum elften Mal.

 

Wie bei anderen Zytostatika werden aber alle schnell proliferierenden Zellen in Mitleidenschaft gezogen. Das erklärt die hohe Nebenwirkungsrate in Form von peripherer Neuropathie, Thrombozytopenie, Diarrhö und Müdigkeit. Das Problem geht man in der ambulanten Therapie an, indem man mehrere Zyklen verabreicht, die von einem behandlungsfreien Intervall unterbrochen werden. Nach rund 72 Stunden sollen sich die Proteasomen der gesunden Zellen wieder regenerieren haben.

Höhere Remissionsrate bei Myelom

In der bisher größten Studie zum multiplen Myelom mit 669 Patienten schnitt der Proteasomenhemmer gut ab. Die Kranken hatten bis zu drei Rezidive. 333 Patienten erhielten Bortezomib-Infusionen, 336 Probanden die bisherige Standardtherapie mit hoch dosiertem Dexamethason. Bei 52 Prozent der Dexamethason-Patienten, aber nur bei 29 Prozent der Bortezomib-Behandelten schritt die Krankheit unter der Therapie voran. Schon nach rund einem Monat gingen die Überlebenskurven auseinander, und nach einem Jahr lebten noch 80 Prozent der Bortezomib-Patienten, aber nur noch 66 Prozent der Vergleichgruppe. Außerdem waren komplette Remissionen bei Patienten der Bortezomib-Gruppe mit 38 Prozent häufiger zu verzeichnen als in der Vergleichsgruppe (18 Prozent). Diese Befunde waren hoch signifikant, so dass die Studie frühzeitig abgebrochen wurde und die Dexamethason-Patienten ebenfalls den neuen Arzneistoff bekamen.

Die klinische Erfahrung zeigt, dass sich durch die Kombination mit anderen Wirkstoffen wie Dexamethason/Prednison, Thalidomid, Adriamycin und Melphalan die Wirkung von Bortezomib steigern lässt. Interessant: Es sprachen auch Patienten auf manche Kombinationen mit Bortezomib an, die auf die Monotherapie mit den Einzelsubstanzen keine Remission zeigten. Ansonsten ist die Zulassung zur Rezidivtherapie als Monotherapie beantragt und wird noch in diesem Jahr erwartet.

Doch der Proteasomenhemmer strebt nach mehr: Präklinische Untersuchungen belegen, dass Bortezomib nicht nur gegen Lymphomzellen wirkt, sondern auch gegen Krebszellen solider Tumoren wie Prostata-, Bronchial- oder Ovarialkarzinom. Studien laufen bereits. Die Zulassung von Bortezomib bei Patienten mit Mantelzell- und niedrig malignem Non-Hodgkin-Lymphom wird für 2007/08 erwartet.

 

Wissen Sie's noch? Zehnmal hat die PZ bereits ihren Innovationspreis vergeben und damit seit 1995 das jeweils innovativste Arzneimittel des Jahres gewürdigt. Können Sie sich noch an die ehemaligen Preisträger erinnern?
  • 1995: Abciximab (Reopro®), Thrombozytenaggregationshemmer gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • 1996: Losartan (Lorzaar®), Angiotensin-II-Antagonist gegen Hypertonie
  • 1997: Saquinavir (Invirase®), Proteasehemmer gegen HIV-Infektion
  • 1998: Tolcapon (Tasmar®), COMT-Hemmer gegen Morbus Parkinson
  • 1999: Topiramat (Topamax®) gegen Epilepsie
  • 2000: Infliximab (Remicade®), TNF-α-Blocker gegen Morbus Crohn und rheumatoide Arthritis
  • 2001: Trastuzumab (Herceptin®), monoklonaler Antikörper gegen Brustkrebs
  • 2002: Imatinib (Glivec®), Tyrosinkinasehemmer gegen chronisch myeloischer Leukämie
  • 2003: Enfuvirtid (Fuzeon®), Fusionshemmer gegen HIV-Infektion
  • 2004: Bortezomib (Velcade®), Proteaseom-Hemmer gegen Multiples Myelom

 

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