Vitamin K und seine Funktionen im Körper |
26.07.2004 00:00 Uhr |
Für Vitamin K ist bekannt, dass es für die Blutgerinnung von Bedeutung ist und bei einem Mangel die Blutungsneigung erhöht ist. Neuere Arbeiten weisen nun zusätzlich auf einen Effekt in einem ganz anderen Funktionsbereich hin – den Knochenstoffwechsel.
Im Organismus ist Vitamin K für die Synthese der Blutgerinnungsfaktoren II, VII, IX und X sowie der Proteine C und S in der Leber verantwortlich. Dabei fungiert Vitamin K als Cofaktor bei der Synthese von Gamma-Carboxyglutaminsäure aus Glutaminsäure, was für die genannten Proteine von Bedeutung ist, da hierdurch die Bindung des für die Blutgerinnung bedeutsamen Calciums beeinflusst wird.
Auf Grund dieser wichtigen Funktion kann es bei einem Mangel an Vitamin K zu einer Hypothrombinämie und zu vermehrten Blutungen kommen (2). Ein primärer Mangel an Vitamin K ist beim Erwachsenen jedoch selten. Unter bestimmten Bedingungen kann es aber durch eine unzureichende Aufnahme aus dem Darm oder unzureichende Ausnutzung im Organismus zu Vitamin-K-Mangelsymptomen (Blutungen) kommen. Zu den einen Mangel begünstigenden Faktoren zählen Nebenwirkungen einiger Arzneimitteln (zum Beispiel Antibiotika), Fettresorptionsstörungen und Lebererkrankungen. Durch Vitamin-K-Mangel hervorgerufene innere Blutungen bei Neugeborenen beruhen vor allem auf der geringen Plazentapassage des Vitamins und der dadurch bedingten geringen neonatalen Körperreserve sowie dem relativ geringen Vitamin-K-Gehalt der Muttermilch (2). Daher erhält das Kind am 1. und 2. Lebenstag 1 mg/kg Vitamin K intramuskulär (17).
Von pharmakologischer Bedeutung ist die Hemmung der endogenen Vitamin-K-Funktion durch die Gabe von Vitamin-K-Antagonisten (Cumarine), deren Wirkung durch hohe Dosen Vitamin K wieder aufgehoben werden kann. So werden nach der Einnahme hoher Cumarin-Dosen bei behandlungsbedürftigen Blutungen 5 bis 10 mg Vitamin K1 oral verabreicht. Bei lebensbedrohlichen Blutungen sollten 10 bis 20 mg Vitamin K1 langsam intravenös gegeben werden.
Hinsichtlich einer Ernährungsempfehlung für Patienten, die mit Cumarinderivaten behandelt werden, rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in der DGE-Beratungspraxis 04/2001: „Patienten unter einer Antikoagulationstherapie brauchen keine besondere Ernährungsweise oder Diät einzuhalten. Es gelten die Empfehlungen der DGE für eine abwechslungsreiche, vollwertige Ernährung. Auf Vitamin-K-reiche Lebensmittel muss nicht verzichtet werden ...“ (3). Es geht um eine stabile Versorgung mit Vitamin K (16). Diese Empfehlung gilt auch für von Patienten eventuell eingenommene Nahrungsergänzungspräparate, welche Vitamin K enthalten. Gegebenenfalls kann der Patient beim Kauf derartiger Vitamin-K-enthaltende Nahrungsergänzungspräparate auf die damit erfolgende zusätzliche Einnahme von Vitamin K hingewiesen werden.
Vitamin K Unter Vitamin K werden Derivate des 2-Methyl-naphthochinons (1, 4) verstanden. Entsprechend der Seitenketten in Position 3 werden Vitamin K1, K2 und K3 unterschieden. Da es sich um chemisch verwandte Verbindungen mit qualitativ gleicher biologischer Vitaminwirkung handelt, werden Sie als Vitamere bezeichnet. Vitamin K1 (Phytomenandion) wird von Pflanzen produziert und findet sich besonders reichhaltig in Kohlarten (Tabelle 1). Das physiologische K-Vitamin ist Menachinon (K2), das von einigen grampositiven Bakterien produziert wird. Es steht dem Organismus zur Verfügung, wenn diese Bakterien den distalen Dünndarm und den Dickdarm besiedeln. Vitamin K2 kann durch Phytomenadion (K1) ersetzt werden, da der Phytylrest des Phytomenadion durch die menschliche Darmbakterienflora abgespalten wird und so Menadion entsteht. Dieses wird im Organismus teilweise in Menachion (K3) umgewandelt. Der lipophile Menadion-Grundkörper ist biologisch wirksam.
Funktionen im Knochenstoffwechsel
In einer kürzlich erschienenen Arbeit zeigten japanische Autoren (8), dass Vitamin K die Knochendichte von jungen weiblichen Ratten erhöht, deren Futter einen normalen oder erniedrigten Calciumgehalt aufwies. Dass Vitamin K den Knochenstoffwechsel reguliert, zeigten auch weitere tierexperimentelle Arbeiten (9, 10). Mehrere epidemiologische und klinische Veröffentlichungen geben Hinweise darauf, dass Vitamin K für den Knochenstoffwechsel von Bedeutung ist. So belegte eine Studie mit über 70.000 Frauen, dass bei ausreichender Zufuhr von Vitamin K mit der Nahrung ein deutlich niedrigeres Risiko für eine Oberschenkelhalsfraktur besteht (5).
Gehalt verschiedener Nahrungsmittel an Vitamin K (modifiziert nach Biesalski 1999 [14])
Lebensmittel Vitamin-K-Gehalt (μg/100g) Fleisch (ohne Fett) Huhn 300 Rind 210 Gemüse Blumenkohl 300 Rosenkohl 570 Sauerkraut 1540 Spinat 350
Des weiteren wurde in einer placebokontrollierten Interventionsstudie mit Vitamin K bei 39 Osteoporosepatientinnen innerhalb von 24 Wochen eine Zunahme der Knochendichte erreicht (6). Dieser Effekt ließ sich auch bei Spitzenathletinnen nachweisen (7).
Unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit in der Raumfahrt – ebenso wie bei längerer Bettlägerigkeit – kommt es zur Abnahme der Knochenmasse. Bei Astronauten gelang es durch eine Vitamin-K-Gabe die während der Raumfahrt ausgebildeten Störungen des Knochenstoffwechsels fast wieder bis auf die Anfangswerte zu normalisieren (1, 11).
Ausschlaggebend für diese Effekte ist das Zusammenspiel von Vitamin K mit Proteinen des Knochenstoffwechsels wie Osteocalcin (negativer Regulator der Knochenbildung), das Matrix Gla protein (Inhibitor der Calcifizierung) und das bereits erwähnte Protein S. Osteocalcin gilt als Marker des Knochenauf- und -umbaus. Wie die Blutgerinnungsproteine ist Osteocalcin durch die Umwandlung von Glutaminsäureresten in Gamma-Carboxyglutaminsäure an der Regulierung des Calciumstoffwechsels beteiligt. Unter dem Einfluss des Vitamin-K-abhängigen Osteocalcins werden Matrixproteine carboxyliert, die mit hoher Affinität Calcium binden und damit die Mineralisation des Knochen bewerkstelligen. Dadurch ist Osteocalcin für die Formung der mineralisierten Knochenmatrix bedeutsam.
Darüber hinaus wird auch eine Rolle des Vitamins bei der Vermittlung der Knochenresorption diskutiert, da die Ostoecalcinkonzentration bei weiblichen Schafen deutlich niedriger als bei männlichen Tieren ist, was mit dem erhöhten Osteoporoserisiko von Frauen übereinstimmt (12). In Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass „untercarboxyliertes“ Osteocalcin (das heißt, weniger funktionstüchtiges) bei Frauen mit zunehmendem Alter ansteigt und dieser Prozess mit einer abnehmenden Knochendichte, der Osteoporoseausbildung und dem Frakturrisiko korreliert.
In der Schwerelosigkeit ist die Osteocalcinkonzentration erniedrigt. Die Zufuhr von Vitamin K konnte den Carboxylierungsgrad auch bei den erwähnten Untersuchungen an Astronauten weitgehend wieder normalisieren (1).
Vitamin K im Vergleich zu Vitamin D
Im Gegensatz zu Vitamin K ist für Vitamin D eine Wirkung auf den Knochenstoffwechsel bereits seit längerem bekannt. Der Effekt vom Vitamin D3 (beziehungsweise seiner Hydroxylierungsprodukte) beruht darauf, dass es zusammen mit dem Parathormon für die Aufrechterhaltung der physiologischen Calciumkonzentration im Blut verantwortlich ist. Dies geschieht durch das Zusammenwirken verschiedener Wirkkomponenten: Zum einen durch Steigerung der Calciumresorption aus dem Darm, zum anderen durch Beeinflussung der Calcium-Rückresorption in den Nierentubuli, des Weiteren durch Stimulation der Osteoklastentätigkeit mit dadurch hervorgerufener Calciummobilsation aus den Knochen (13, 4). Trotz dieser stimulierenden Effekte von Vitamin D auf die Knochen abbauenden Osteoklastentätigkeit bewirkt es in der Summe einen verstärkten Knochenaufbau, da die Knochen aufbauende Tätigkeit der Osteoblasten an einen ausreichenden Blutcalciumspiegel gebunden ist, welcher durch die drei vorangehend genannten Wirkkomponenten gewährleistet wird.
Nach Bindung an einen zytosolischen Rezeptor stimuliert der Komplex im Zellkern die Bildung von Proteinen, welche am Calciumtransport und am Calcium-Stoffwechsel beteiligt sind. Zu den Beziehungen zwischen Vitamin-D-Mangel und Störungen des Knochenstoffwechsels existiert eine umfangreiche gesicherte Literatur. Die Einnahme von Calcium und Vitamin D bei Osteoporose gilt heute als Basistherapie (15).
Fazit
Bekannt ist, dass sich Calcium und Vitamin D günstig auf den Knochenstoffwechsel auswirken. Aber auch andere Vitamine, allen voran Vitamin K, haben einen positiven Einfluss auf die Knochen. So liegen für Vitamin K und seine Wirkungen auf den Knochenstoffwechsel zahlreiche epidemiologische, klinische und experimentelle Befunde vor. Studien, die eine genaue Dosis-Wirkungsbeziehung einer Vitamin-K-Supplementierung untersuchen, fehlen jedoch noch zurzeit.
Fest steht, dass das Knochenprotein Osteocalcin für die Knochenmineralisation Vitamin K benötigt, damit es in die funktionell wirksame Form, das gamma-carboxylierte Osteocalcin überführt werden kann. Diese gamma-carboxylierten Glutamatbausteine (Gla-Reste) können Calcium binden, was eine wichtige Voraussetzung für einen normalen Knochenstoffwechsel und somit für eine ausreichende Knochendichte und Belastbarkeit des Knochen ist. Vor diesem Hintergrund wird Vitamin K zur unterstützenden Regulierung der Knochenmineralisation empfohlen. Auf dem Markt befinden sich hierfür Vitamin-K-Monopräparate sowie auch Vitamin K in Kombination mit Vitamin D und Calcium. Diese sind dann sinnvoll, wenn mit einer ausgewogenen und vollwertigen Ernährung keine ausreichende Zufuhr erreicht wird.
Literatur bei den Verfassern
Für die Verfasser:
Ulrika Hinkel
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