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Gefitinib als Joker

15.03.2004  00:00 Uhr

PHARMAZIE

Bronchialkarzinom

Gefitinib als Joker

von Elke Wolf, Frankfurt am Main

Die Überlebenschancen von Patienten mit nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom sind wenig ermutigend. Daran konnten auch neue Zytostatika oder verbesserte Bestrahlungstechniken nichts ändern. Die Prognose beträgt nur rund fünf Monate, wenn zwei Chemotherapien vorangegangen sind. Hoffnung weckt der perorale Tyrosinkinase-Hemmer Gefitinib.

Sind eine oder zwei Chemotherapien bei Patienten mit nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) bereits fehlgeschlagen, sind den Medizinern praktisch die Hände gebunden. Denn die Chance, dass eine neuerliche Chemotherapie anschlägt, beträgt gerade mal 2 Prozent. In dieser auswegslosen Situation kann das relativ neue Konzept der EGFR-Hemmung des mittels des Tyrosinkinase-Inhibitors Gefitinib (IressaTM) greifen. Gefitinib erzielte in klinischen Studie noch Ansprechraten von 10 bis 18 Prozent. Der Wirkstoff ist bereits unter anderem in den USA, Japan und der Schweiz zugelassen, und zwar für die 3rd-line-Therapie bei lokal fortgeschrittenem und metastasiertem NSCLC. Für Deutschland wird die Zulassung im Laufe des Jahres erwartet.

Der epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) an der Zelloberfläche spielt bei der Weiterleitung von Wachstumsimpulsen eine Schlüsselrolle. Befinden sich zu viele EGF-Rezeptoren auf der Zelloberfläche, kommt die Balance zwischen Replikation und Absterben der Zellen aus dem natürlichen Gleichgewicht, und die Zellen wachsen unkontrolliert. Das niedermolekulare Chinazolinderivat Gefitinib stoppt die neoplastische Proliferation, indem es die intrazelluläre Tyrosinkinase des EGF-Rezeptors und damit gezielt die über diesen Rezeptor aktivierte Signalstrecke und die damit einhergehende Tumorzellproliferation blockiert. Die Ansprechraten scheinen unabhängig von der EGFR-Expression auf der Tumorzelle zu sein, im Gegensatz zu einer Antikörpertherapie zum Beispiel mit Herceptin, informierte Dr. Karl-Matthias Deppermann von der Ruppiner Klinik in Neuruppin auf einem Symposium von AstraZeneca anlässlich des Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie. Der EGFR-Hemmer reichere sich im Tumorgewebe an, was möglicherweise die Unabhängigkeit der Ansprechrate von der EGFR-Expression erklärt, so Deppermann.

Auch Third-Line noch Ansprechraten

Ausschlaggebend für die Zulassungen bisher waren die Ergebnisse der IDEAL-1- und IDEAL-2-Studie (Iressa Dose Evaluation in Advanced Lung Cancer). In beiden randomisierten Doppelblindstudien wurden jeweils zwei Gefitinib-Dosierungen (250 mg und 500 mg pro Tag) untersucht. Alle Probanden waren chemotherapeutisch vorbehandelt, wobei sich die beiden Studienkollektive allerdings in der Intensität der Vorbehandlungen unterschieden: Während die Patienten in IDEAL-1 zuvor eine oder zwei Platin-haltige Regime erhalten hatten, war für die Aufnahme in IDEAL-2 eine Vorbehandlung mit mindestens zwei Regimen, die aus Platin und Docetaxel bestanden, erforderlich.

Obwohl die Patienten in der IDEAL-2-Gruppe eine schlechte Prognose hatten, sprachen über 10 Prozent auf die Gefitinib-Monotherapie an. Bei den weniger stark vorbehandelten Patienten in IDEAL-1 betrug die Remissionsrate sogar fast 20 Prozent. In jeweils weiteren 30 Prozent der Fälle stabilisierte sich der Krankheitsverlauf. Dabei war der EGFR-Blocker bei Einnahme von 250 mg ebenso wirksam wie in der 500 mg Dosierung.

In beiden Studien bildeten sich die Tumoren recht schnell zurück, wobei Gefitinib auch gegen große Tumoren wirkte. 77 Prozent aller Remissionen waren bereits bei der ersten radiologischen Untersuchung nach vier Wochen nachweisbar, und 64 Prozent wurden in großen Tumoren festgestellt. Die mittlere Überlebenszeit betrug rund 16 Monate. Das entspreche einem um über 12 Monate verlängertem Überleben gegenüber dem Basalwert, sagte Deppermann.

Schnelle Besserung der Symptome

Auffallend war außerdem, dass sich tumorbedingte Symptome rasch besserten. Atemnot, Husten und Engegefühl in der Brust waren innerhalb weniger Tage deutlich gelindert. Diese Symptombesserung korreliert im Übrigen mit der gesteigerten Überlebensrate. Patienten der Gefitinib-Gruppe mit Symptombesserung überlebten median über 13 Monate, jene ohne Besserung nur rund vier Monate. Deshalb gilt die schnelle Symptombesserung als wichtigster Prädiktor für ein Therapieansprechen.

Was die Anwendung von Gefitinib für den Patienten im Vergleich zu konventionellen Chemotherapeutika akzeptabel macht, ist die perorale Verfügbarkeit und die relativ niedrige Nebenwirkungsrate. Anders als monoklonale Antikörper kann Gefitinib peroral eingenommen werden, wobei die gute Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt und die lange Halbwertszeit sogar eine Einmal-täglich-Gabe erlauben. Auch was die Nebenwirkungen betrifft, kann der Tyrosinkinase-Hemmer mit guten Daten aufwarten. In klinischen Studien waren die häufigsten unerwünschten Wirkungen Hautreaktionen wie Akne, Pruritus und Hautausschlag, außerdem Diarrhö und Übelkeit. Die Nebenwirkungen waren im Allgemeinen leicht bis mäßig ausgeprägt, gut beherrschbar und reversibel.

Mittlerweile wird das Potenzial von Gefitinib in Kombinationsstudien, als First-line- oder Second-line-Therapie oder auch gegen andere Tumorarten erprobt. Ergebnisse stehen größtenteils noch aus. Die bisherigen Erkenntnisse gehen jedoch dahin, dass Gefitinib nicht unmittelbar mit einer Chemotherapie zusammen gegeben werden sollte, sondern besser erst, wenn eine ebensolche abgeschlossen ist, um den Status quo zu erhalten. Derweil scheint der EGFR-Hemmer auch gegen Gehirnmetastasen, Mammakarzinom und Kolonkarzinom wirksam zu sein. Top

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