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Apotheke 2004 – modern und facettenreich

01.12.2003  00:00 Uhr

PHARMAZIE

ABDA-Presseseminar

Apotheke 2004 – modern und facettenreich

 

von Christiane Berg, Hamburg

Apotheker werden in der Öffentlichkeit häufig zu Schubladenziehern degradiert. Ein vielfältiges Programm, das die unterschiedlichen Facetten des Apothekerberufs aufzeigte, bot das ABDA-Presseseminar am 24. und 25. November den circa 30 teilnehmenden Journalisten.

Unter dem Motto „noch mehr Leistung für Ihre Gesundheit“ schilderten an zwei Tagen Dr. Martin Schulz, Leiter des Zentrums für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP), Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Leiter des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker e.V. (ZL), Dr. Christiane Eckert-Lill, Geschäftsführerin Pharmazie der ABDA, Professor Dr. Volker Dinnendahl, Leiter der Arzneimittelkommission (AMK), und Dr. Holger Reimann, Leiter des Pharmazeutischen Laboratoriums des Neuen Rezeptur-Formulariums (NRF), das breite Spektrum der Tätigkeiten, das in der Apotheke täglich zu bewältigen ist.

Spart Geld und erhält Leben

So machte Schulz deutlich, dass die im „Stern getroffene Aussage chronisch Kranke mit immer gleicher Medikation benötigen keinerlei Apothekenberatung“ schlichtweg falsch ist. Richtig sei, dass sich laut Studien etwa die Hälfte aller chronisch kranken Menschen nicht an ärztliche Verordnungen oder apothekerliche Empfehlungen hält. Die durch Non-Compliance bedingten Notfalleinweisungen in Kliniken hätten allein im Jahr 1996 zu Ausgaben von 960 Millionen DM (491 Millionen Euro) geführt. Die Gesamtkosten durch falsche Medikamenten-Einnahme hätten im selben Jahr bei 10, 5 Millionen DM gelegen.

50 Prozent der so genannten Therapieversager bei Hypertonie sind auf Non-Compliance zurückzuführen. 8o Prozent der Organabstoßungen bei Transplantationen resultieren aus ungenügender oder unterlassener Medikation. US-amerikanische Studien, so Schulz, belegen, dass 50 Prozent der Krankenhauseinweisungen durch Pharmazeutische Betreuung vermeidbar sind.

Garant für Sicherheit

Durch kontinuierliche Erfassung und Dokumentation der Medikation, durch die Erstellung von Medikationsprofilen, die Detektion arzneimittelbezogener Probleme und das Führen einer Kundenkarte und Patientendatei sowie durch entsprechende Kommunikation mit Arzt und Patient könne der Apotheker wesentlich zum Rückgang arzneimittelbezogener Morbidität und Mortalität beitragen. Schulz: „Pharmazeutische Betreuung spart Geld und erhält Leben.“

Die Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit hob auch Schubert-Zsilavecz als eine der wichtigsten Aufgaben der Apotheke hervor. Der ZL-Leiter betonte, dass der Apotheker zur Qualitätsprüfung in der Apotheke beziehungsweise durch das Zentrallaboratorium verpflichtet ist. „Der Apotheker achtet bei jedem Rezept auf die korrekte Abgabe des Medikamentes, damit eine Verwechslung ausgeschlossen wird. Er überprüft die vom Arzt verordneten Medikamente auf die Möglichkeit von Unverträglichkeiten und Interaktionen. Er informiert über neue Wirkstoffe und berät in der Selbstmedikation.“ Schubert-Zsilavecz unterstrich, dass auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne kompetenten Rat die Gesundheit schädigen können. „Die Menschen brauchen ihre Apotheke, weil sie für Sicherheit steht“, so lautete sein Fazit.

Arzneimittelfälschungen

„Medikamente sollten nur aus der Apotheke des Vertrauens bezogen werden. Nur diese bietet größtmöglichste Gewähr für Effizienz und Qualität“, bestätigte Dr. Christiane Eckert-Lill. Die ABDA-Geschäftsführerin verwies auf die Gefahr von Arzneimittel-Fälschungen, die auf allen Kontinenten im Umlauf sind. Der weltweite Schaden durch teilweise oder ganz gefälschte Arzneimittel liege bei 17 Milliarden Euro. Als Ursachen für die Zunahme von Fälschungen nannte Eckert-Lill die Globalisierung der Märkte, der Herstellung und des Vertriebes mit Wegfall von Handelsauflagen, E-Commerce und Versandhandel sowie die international organisierte Kriminalität.

Die Referentin betonte, dass die Kontrollen insbesondere in Ländern der Dritten Welt mit unzureichender Gesetzgebung und Korruption nicht ausreichen. Deutschland sei von Arzneimittelfälschungen bislang glücklicherweise weniger betroffen. Seit 1996 habe das BKA 26 Fälle verzeichnet. Dennoch oder gerade daher sei bei dem Bezug von „Schnäppchen“ im Ausland, über Internet oder per Versandhandel besondere Vorsicht geboten. Der Verbraucher könne sich schützen, indem er niemals Arzneimittel mit abgelaufenem Verfallsdatum, fehlerhaftem Herstellernamen oder mangelhafter Verpackung kauft. Eindringlich warnte Eckert-Lill vor Märkten und fliegenden Händlern beziehungsweise dubiosen Internetquellen.

Warnung vor Wundermitteln

Pu-Erh-Tee, Man-Koso 3000, Béres-Tropfen, Recancostat, Amborum spezial F, Chuifong Toukuwan, Steinmehl-Kapseln: Professor Dr. Volker Dinnendahl warnte vor „Wundermitteln“, die die Chance zur Gewichts-Reduktion, zur Potenz, zu neuem Haarwuchs oder gar Bekämpfung von Krebs vorgaukeln. Auch von „Pseudo-Lebensmitteln“ wie Extrakten aus Broccoli, Tomate, Rotwein, Algen oder Grünlippmuscheln in Kapseln sowie von Haifischknorpel riet er ab. „Dieses sind weder Nahrungsergänzungsmittel, noch Lebensmittel noch Arzneimittel und somit überflüssige Produkte“, sagte der Leiter der Arzneimittelkommission.

Der häufig verwendete Gebrauch des Spruches „Nur in der Apotheke“ für derartige Präparate nannte Dinnendahl „Missbrauch“ und „Ruf schädigend“ für die Apotheke. Der Referent appellierte an die Kritikfähigkeit der Verbraucher bei entsprechend marktschreierischer Anzeigenwerbung oder Hochglanzprospekten. Wundermittel seien im guten Fall überflüssig, im schlechten schädlich. Dinnendahl riet, vor dem Griff zu zweifelhaften Produkten stets den Rat des Fachmannes einzuholen. „Diese Mittel helfen oft nur einem, nämlich dem Hersteller, der damit sein Geld verdient.“

25 Millionen Rezepturen

Hält die Apotheke Pillen, Spritzen, Zäpfchen, Kapseln, Tropfen oder Tabletten en masse bereit, so stellt sich die Frage, ob es da noch der für einen Patienten maßgeschneiderten Rezeptur bedarf. „Die Antwort lautet eindeutig Ja“, sagte Dr. Holger Reimann. Apotheken können und müssen oft Arzneimittel für Fälle anfertigen, in denen ein Fertigarzneimittel wegen Unrentabilität oder Instabilität nicht zur Verfügung steht, führte er aus. In bestimmten Fällen könne die rezepturmäßige Herstellung lebenswichtig sein. In anderen Fällen lassen sich die Lebensqualität des Patienten oder die Verträglichkeit beziehungsweise Effizienz der Behandlung durch Rezepturen verbessern, so der Leiter des NRF-Laboratoriums.

Gut 25 Millionen Rezepturen stellen Deutschlands Apotheken im Jahr für Patienten her. Das hätten Schätzungen der ABDA ergeben. Dabei machen Salben nach Rezepten der Dermatologen den Löwenanteil aus. Als „freie Komposition“ sei die dermatologische Rezeptur anfällig für Fehler. Deshalb seien seitens der Hautärzte und der Apotheker in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen zur Qualitätssicherung und Standardisierung vorgenommen worden.

6000 Anfragen pro Jahr

Reimann hob hervor, dass die Rezeptur in der „normal“ ausgestatteten Apotheke betriebswirtschaftlich gesehen ein Zuschussgeschäft sei. Das gelte meist auch für die defekturmäßige Herstellung auf Vorrat, die als so genannte „verlängerte Rezeptur“ den Aufwand im Rezepturbetrieb nur abmildert. Dennoch werde beides von Apothekerinnen und Apothekern als unabdingbar und originäre pharmazeutische Tätigkeit akzeptiert. Das NRF beinhalte 243 Rezepturmonographien mit Hinweisen zur Erstellung nicht nur von Dermatika, sondern auch von Zytostatika, Opthalmika, Kapseln, Pulver zur Einnahme, oralen Liquida, Rektalia, Vaginalia, Nasalia oder Teegemischen und -aufgüssen. Per Hotline beantworte das NRF-Laboratorium 6000 Apothekeranfragen pro Jahr.

ABDA-Vizepräsident Heinz-Günter Wolf bestätigte, dass trotz der Vielzahl an industriell gefertigten und normierten Arzneimitteln die Herstellung individueller Rezepturen auch heute noch zum Alltag jeder Apotheke zählt. „Diese Rezepturen sind kein Luxus, sondern dringende Notwendigkeit für viele Patienten“, bemerkte er. Der Mensch sei keine Normgröße, die sich in Schablonen zwängen lässt.

Selbst geschaffene Einrichtungen

Wolf hob das ZL, dass NRF-Laboratorium und die Arzneimittelkommission als Einrichtungen hervor, die der Berufsstand selbst errichtet hat, um seinen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit zu leisten. Als neuen Dienst der Apotheken, der „die Versicherten nicht einen Cent kostet“, schilderte er im weiteren Verlauf seiner Ausführungen die „Hausapotheke“. Der Patient könne hier telefonisch Medikamente ordern; das pharmazeutische Fachpersonal bringe sie bis ans Krankenbett.

Der ABDA-Vizepräsident machte deutlich, dass der Hausapotheker auf Wunsch auch den häuslichen Arzneimittelbestand überprüft und bei der Einnahme von Arzneien berät. Jedes Vierteljahr erstelle er ein Arzneimittel-Dossier und überprüfe, ob die eingenommenen Arzneimittel miteinander harmonieren. Ebenfalls auf Wunsch nähme der Apotheker auch Kontakt zum Arzt auf, um offene Fragen zu klären. Der Patient erhalte einen Treuebonus auf alle von ihm erworbenen, nicht apothekenpflichtigen Medikamente.

Gut gerüstet in die Zukunft

Apothekervergütung, rezeptfreie Arzneimittel, Zuzahlung, Versandhandel, Mehrbesitz: Der Pressesprecher der ABDA-Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Elmar Esser, erläuterte, was sich ab 1. Januar 2004 in der Apotheke ändert. Esser begrüßte die zukünftige Abkopplung der Honorierung des Apothekers vom Arzneimittelpreis. Diese bringe mit sich, dass Kostensenkungsmaßnahmen im Arzneimittelbereich nicht länger mehr automatisch auf Apotheken durchschlagen, Quersubventionen entfallen, Krankenkassen Geld sparen und der Einsatz innovativer Arzneimittel gefördert wird. Auch hob Esser das auf honorierter Wirtschaftlichkeit basierende Hausapothekenmodell mit Home Service, www.aponet.de, pharmazeutischer Betreuung, Arzneimitteldossier oder Apothekerbrief als ein für alle Beteiligten viel versprechendes Modell hervor. Esser: „Wir gehen gut gerüstet in die Zukunft.“

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