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Comeback als Antiepileptika

18.11.2002  00:00 Uhr

PHARMAZIE

Calciumkanalblocker

Comeback als Antiepileptika

 

PZ  Der ursprünglich für die Bluthochdrucktherapie entwickelte Wirkstoff Mibefradil, der wegen unerwünschter Wirkungen auf die Leber vom Markt genommen werden musste, könnte in einem ganz anderen Indikationsgebiet eine überraschende Renaissance erleben: Möglicherweise ist künftig ein Einsatz gegen eine bestimmte Form der Epilepsie denkbar. Dafür sprechen Forschungsarbeiten des Physiologen Privatdozent Dr. Thomas Budde aus Magdeburg.

Budde beschäftigt sich mit der Erforschung niederschwelliger Calciumkanäle in bestimmten Hirnregionen (im dorsalen Thalamus) und deren antiepileptischer Aktivität. Zur Förderung erhielt er am 5. November ein Graduiertenstipendium der Novartis-Stiftung für therapeutische Forschung.

Calciumkanäle in menschlichen Zellmembranen sind Proteine, die wassergefüllte Poren bilden. Sie besitzen bewegliche Tore und haben die Aufgabe, je nach Bedarf Calcium-Ionen in die Körperzellen zu schleusen. Die Signale zum Öffnen und Schließen der Tore erhalten die Kanäle durch die elektrische Ladung der Zellmembran. Überall im Körper spielen die Calciumkanäle eine wichtige Rolle bei der biologischen Aktivität von Zellen. Der Calciumeinstrom in Muskelzellen führt zum Beispiel zur Kontraktion des Muskels. Aber auch in Befruchtung oder Apoptose ist Calcium involviert.

Im Gehirn steuert Calcium die Signalverarbeitung. Die Ionen setzen in Nervenzellen eine ganze Reihe elektrische und biochemische Prozesse in Gang. Auch an Störungen dieser elektrischen Aktivität, wie sie beispielsweise bei epileptischen Anfällen auftreten, ist der Calciumeinstrom maßgeblich beteiligt.

Erstaunlicherweise fanden Forscher in den letzten Jahren einen Zusammenhang zwischen der Aktivität der Hirnzellen in der Region des Thalamus („Sehhügel“) während bestimmter Schlafphasen und bei der so genannten Petit-mal-Epilepsie. In beiden Situationen sind die Thalamuszellen rhythmisch tätig, und unter bestimmten Bedingungen finden sich im EEG nachweisbare Übergänge zwischen beiden Zuständen. Hier spielen niederschwellige Calciumkanäle eine entscheidende Rolle. Sie öffnen sich schon bei negativer elektrischer Ladung an der Zellmembran. Bislang wird die Petit-mal-Epilepsie durch Blockade der Calciumkanäle mittels Ethosuximid behandelt.

Budde will nun den Wirkstoff Ethosuximid durch einen anderen, neu zu entwickelnden Calcium-Antagonisten ersetzen. Dieser Abkömmling des Mibefradil wirkt sehr viel spezifischer gerade an den niederschwelligen Calciumkanälen. Eine Therapie könnte schon in deutlich geringerer Dosis erfolgreich sein. „Man müsste Mibefradil als Leitsubstanz betrachten. Sie hat eine hohe Affinität zu den niederschwelligen Calciumkanälen“, berichtet Budde. Mit Hilfe computergestützter Methoden wie dem „targeted drug design“ will er nun die Eigenschaften von Mibefradil soweit verändert, dass Nebenwirkungen an Leber oder Herz-Kreislauf-System ausgeschlossen werden können.

Außerdem müsse gewährleistet sein, dass der so entwickelte Wirkstoff leicht die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Budde geht sogar noch weiter: Letztlich treten auch bei Parkinson, Tinnitus und einigen Schmerzformen sowie Depressionen im Thalamus ähnliche elektrische Vorgänge wie bei der Petit-mal-Epilepsie auf. So könnten vielleicht auch Patienten mit diesen Erkrankungen in Zukunft von einem Mibefradil-Abkömmling profitieren.

Die Novartis-Stiftung für therapeutische Forschung stellt jedes Jahr deutschlandweit bis zu 93.000 Euro für Graduierten-Stipendien zur Verfügung. Die Vergabe dieser Fördermittel erfolgt völlig unabhängig: Die Einrichtungen von Forschung und Lehre der Universitäten werden dazu aufgefordert, aus dem Kreis ihrer Nachwuchswissenschaftler selbst die vielversprechendsten Projekte vorzuschlagen.

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