Akzeptanz und Evaluation der zertifizierten Diabetes-Fortbildung |
08.11.2004 00:00 Uhr |
von Andrea Gerdemann, Wiesbaden, Uta Müller und Martin Schulz, Berlin
Seit 2002 bieten die Landesapothekerkammern die zertifizierte Fortbildung zur Pharmazeutischen Betreuung von Diabetikern an. Zur Evaluation dieser Fortbildung wurden die Kammern sowie die Teilnehmer befragt und die Ergebnisse auf der DDG-Jahrestagung in Bremen präsentiert.
Die EADV-Kommission (Einbindung des Apothekers in die Diabetiker-Versorgung) ist ein aus Diabetologen und Apothekern bestehender Ausschuss der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) und der Bundesapothekerkammer (BAK) (1). Sie entwickelte von 1998 bis 2000 eine zertifizierte „Intensiv Diabetes-Fortbildung“, die im Jahr 2000 durch die BAK ratifiziert, publiziert (2) und damit allen Landesapothekerkammern für die Umsetzung zur Verfügung gestellt wurde. Im weiteren Verlauf der Kommissionsarbeit wurde vom ZAPP der ABDA in Abstimmung mit der EADV-Kommission ein Fragebogen zur Evaluation dieser Fortbildungen entwickelt. Er wurde allen Landesapothekerkammern (LAKs) mit Bitte um Beantwortung zugesandt. Ein zweiter Fragebogen wurde Teilnehmern der zertifizierten Fortbildungsveranstaltungen in den Kammerbezirken Baden-Württemberg, Bayern und Berlin übermittelt. Die Apothekerinnen und Apotheker wurden jeweils bei der Fortbildung sowie drei und sechs Monate danach um ein Feedback gebeten.
Befragung der LAKs
An der Befragung nahmen alle 17 LAKs teil. Die zertifizierte Fortbildung wurde bundesweit ab Mitte 2002 angeboten. Da bei einer Kammer entsprechende Veranstaltungen zum ersten Mal angeboten wurden, konnten zahlreiche Fragen nicht beantwortet werden, sodass im Folgenden nur die Antworten von 16 LAKs dargestellt werden.
Im Mittel wurden pro LAK 2,5 Schulungen pro Jahr angeboten, an denen durchschnittlich 31 Apotheker teilnahmen. Auf Grund der großen Nachfrage existierten zum Befragungszeitpunkt in zehn Kammern Wartelisten mit durchschnittlich 46 Personen. 11 LAKs gaben an, ein eigenes Skript einzusetzen. Das Manual zur Pharmazeutischen Betreuung für die Indikation Diabetes mellitus (erschienen im Govi-Verlag) wurde in sieben LAKs eingesetzt, davon in fünf Kammern obligat. Bei vier Kammern war das Manual bereits in der Teilnehmergebühr enthalten.
Das Praktikum, welches gegen Ende der Schulung entweder in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis oder in einer diabetologischen Klinik im Curriculum der Schulung vorgesehen ist, war für 78 Prozent der Teilnehmer realisierbar. In fünf Kammern war es zum Befragungszeitpunkt fakultativ, in neun verpflichtend (zwei LAKs machten hierzu keine Angaben). Zu 60 Prozent fand das Praktikum in einer Diabetes-Klinik statt.
14 von 16 Landesapothekerkammern gaben an, für die Fortbildungen über ausreichend Referenten zu verfügen. Lediglich für den Themenblock „Umsetzung der Pharmazeutischen Betreuung in der Apotheke“ wurden Defizite berichtet. Eine Abschlussprüfung, die von der EADV-Kommission im Curriculum empfohlen wird, wurde in acht Kammern durchgeführt. Die Landesapothekerkammer Brandenburg fordert statt einer Abschlussprüfung den Nachweis über die durchgeführte Pharmazeutische Betreuung von drei Patienten. Vorgelegt werden müssen zur Erlangung des Zertifikates die Beratungsprotokolle, eine Zusammenfassung der Besonderheiten der betreuten Patienten und die erzielten Ergebnisse.
Die Zusammenarbeit zwischen den Landesapothekerkammern und Landesverbänden der Deutschen Diabetes Gesellschaft wurde von den Kammern in den meisten Fällen als gut bis sehr gut beurteilt.
Verbesserungsvorschläge der Kammern
Befragung der Teilnehmer
131 Teilnehmer der zertifizierten Diabetes-Schulung im Zeitraum von März bis Dezember 2002 in den Kammerbezirken Baden-Württemberg, Bayern und Berlin wurden um Feedback gebeten. 42 Apothekerinnen und Apotheker hatten alle drei Fragebögen (während der Fortbildung, nach drei und nach sechs Monaten) beantwortet, so dass nur diese Teilnehmer in die Auswertung eingingen (Rücklaufquote 32 Prozent).
Im Durchschnitt hatten die Apotheken, in denen die Teilnehmer der zertifizierten Fortbildung tätig waren, sieben Angestellte (zwei Approbierte, zwei PTAs, eine PKA, einen Pharmazieingenieur oder Vorexaminierten und eine Person, die unter die Kategorie „Sonstige“ fiel). Jeweils die Hälfte der Apotheken lag in der Stadt und auf dem Land. Die mittlere Kundenfrequenz pro Tag betrug 197. Die Apotheken gaben einen Stammkundenanteil von 68 Prozent an. Pro Monat besuchten durchschnittlich 83 Diabetiker die Apotheke.
Folgende Parameter wurden in den Apotheken gemessen (aufgelistet nach Häufigkeit, n = 42):
Über eine Patientendatei verfügten 31 von 42 Apotheken. Mit der Pharmazeutischen Betreuung wurde nach dem Besuch der Schulung in 16 Apotheken begonnen. Dabei wurden folgende Umsetzungsprobleme genannt (inklusive der Apotheken, die nicht mit der Pharmazeutischen Betreuung begonnen haben, n = 42):
Von den 16 Apotheken, in denen mit der Pharmazeutischen Betreuung begonnen wurde, wurden in den ersten sechs Monaten nach der Fortbildung durchschnittlich acht Patienten betreut. Auffällig bei der Beantwortung dieser Frage war die große Spanne bei der Angabe der betreuten Patienten, sie lag zwischen 2 und 150! Hier ist es sicherlich gerechtfertigt, zu hinterfragen, ob der Begriff Pharmazeutische Betreuung in allen Apotheken gleich interpretiert wird.
Für die Diabetiker-Betreuung in der Apotheke wurden im Mittel zwei Apotheker und eine halbe PTA benötigt. Teilweise waren auch eine Vorexaminierte und eine Diätassistentin tätig. 11 der 16 Apotheken bestätigten die Annahme, dass bei den Patienten zu Beginn der Betreuung ein erhöhter Gesprächsbedarf besteht. Um die Patienten für das neue Angebot zu interessieren und zu motivieren, wurden folgende Aktivitäten durchgeführt (n = 16):
In neun Apotheken wurden Termine mit den Patienten vereinbart, in zwei Apotheken fanden in regelmäßigen Abständen Beratungsgespräche statt. Die Vor- und Nachbereitungszeit der Gespräche dauerte im Mittel jeweils 10 bis 20 Minuten.
5 der 16 Apotheken dokumentieren ihre Tätigkeiten, wobei nur zwei hierzu ein EDV-Programm nutzen. Die Akzeptanz der Pharmazeutischen Betreuung durch die Ärzteschaft wurde von den Apothekern als indifferent (9), schlecht (4) oder sogar sehr schlecht (3) bewertet. Bei Problempatienten reagierten die Ärzte eher positiv, während sonst Vorbehalte wie „Einmischung in die Therapie“ oder auch „Konkurrenz“ zu erkennen waren. Die Akzeptanz der Pharmazeutischen Betreuung durch die Patienten wurde besser bewertet: sehr gut (3), gut (9), indifferent (3) und schlecht (1). Schwierig stellte sich jedoch die Betreuung von berufstätigen Diabetikern dar.
34 der insgesamt 42 Teilnehmer bewerteten die zertifizierte Diabetes-Fortbildung mit sehr gut (13) oder gut (21), sechs waren indifferent, eine Person fand sie schlecht (ein Teilnehmer machte keine Angabe).
Verbesserungsvorschläge der Teilnehmer
Fazit
Die zertifizierte Fortbildung zur Pharmazeutischen Betreuung von Menschen mit Diabetes wird seit 2002 von allen Landesapothekerkammern angeboten. Die Akzeptanz bei den Apothekern ist groß. Die Kurse sind ausgebucht, in zahlreichen Kammern existieren Wartelisten. Mindestens 10 bis 20 Prozent der Apotheker, welche die zertifizierte Fortbildung besucht haben, haben im Anschluss die Pharmazeutische Betreuung in die Praxis umgesetzt. Das Messen von Stoffwechselparametern wird in allen Apotheken angeboten (vor allem Blutdruck und Blutzucker). Diverse Aktionen der Apotheken wecken das Interesse von Diabetes-Patienten für die Pharmazeutische Betreuung, die in der Regel positiv auf das Angebot der Apotheke reagieren.
Ein Punkt fiel bei der Befragung der Teilnehmer besonders auf. Die Zahl derer, die die Pharmazeutische Betreuung nach besuchter Fortbildung in die Praxis umsetzen, ist verbesserungsbedürftig. Hierzu gibt es verschiedene Ansatzpunkte: Zum einen sollte der Anteil der praxisrelevanten Themen wie zum Beispiel Fallbeispiele, Umsetzungsbeispiele oder auch EDV-Training erhöht werden. Des Weiteren erscheint es sinnvoll, für die Erlangung des Zertifikats einen Nachweis der Pharmazeutischen Betreuung von etwa drei Patienten zu fordern. Außerdem könnte anstelle der Abschlussprüfung ein kollegiales Gespräch („Kolloquium“) geführt werden, in dem unter anderem die Fälle der betreuten Patienten besprochen werden.
Literatur
Anschrift der Verfasser:
Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP) der
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