Pharmazeutische Zeitung online

Wir sind auf dem richtigen Weg

18.10.2004  00:00 Uhr

PHARMAZIE

Pharmazeutische Betreuung

Wir sind auf dem richtigen Weg

 

von Kerstin A. Gräfe und Hartmut Morck, Tübingen

Das Hausapothekenmodell und die Pharmazeutische Betreuung sind optimale Lösungen, um den Ansprüchen der Politik und Kassen, aber auch der Patienten gerecht zu werden. Dies war der Tenor des Workshopwochenendes „Patient und Pharmazeutische Betreuung“ am 16. und 17. Oktober in Tübingen.

„Die Hausapotheke ist der Problemlöser für alle Beteiligten: Für Apotheker, Kassen, Politik und vor allem für den Patienten“, zeigte sich Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, sichtlich überzeugt. So ermögliche das Modell, auf Herstellerseite einen Wettbewerb zur Kostensenkung anzuregen, pharmazeutische Leistungen flächendeckend in die Integrierte Versorgung einzubinden und eine wohnortnahe kontinuierliche Betreuung von Patienten sicherzustellen. Zugleich biete es dem Patienten viele Leistungen wie persönlichen Berater, Interpretation der Medikamentendatei, Hauslieferung, Treuebonus und Medikamentenmanagement. Diese müssten dem Kunden allerdings erfahrbar gemacht werden. So erhalten zurzeit Apothekenkunden in Sachsen-Anhalt ein „Hausapothekenscheckheft“, das Schecks für all diese Leistungen enthält. Dass man mit dem Hausapothekenmodell auf dem richtigen Weg sei, zeige eine aktuelle Umfrage. Demnach würden 45 Prozent der Befragten sofort daran teilnehmen, weitere 30 Prozent vielleicht später.

Interaktionen erkennen

„Unerwünschte Arzneimittelwirkungen verursachen in Deutschland jährlich rund 45.000 Todesfälle“, sagte Professor Dr. Peter Ruth, Leiter des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie in Tübingen. Etwa ein Drittel der 60- bis 79-Jährigen nehme mehr als drei Medikamente ein, die zudem häufig ein hohes Interaktionspotenzial besitzen. Die klinische Relevanz einer Arzneimittelinteraktion für den einzelnen Patienten zu bewerten und ihn gezielt zu beraten, sei daher eine wichtige Aufgabe des Apothekers. Pharmakodynamische und pharmakokinetische Wechselwirkungen verdeutlichte Ruth an konkreten Beispielen und stellte heraus, dass auch bei der Selbstmedikation Wachsamkeit gefordert ist. So zum Beispiel bei Johanniskraut mit oralen Kontrazeptiva oder Grapefruitsaft mit Terfenadin.

Wie kann eine gesunde Einstellung zur Erkrankung gefördert werden? Wie sieht die Betreuung in der Familie im Spannungsfeld Kind/Eltern aus? Welche Medikamente sind ab welchem Alter einsetzbar und welche Dosierung ist die richtige für den jeweiligen Schweregrad der Asthmaerkrankung? Antworten auf diese Fragen erarbeitete Dr. Alexandra Wewel vom Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie, Großhansdorf, in ihrem Workshop „Asthma bei Kindern – Betreuung von Eltern und Kindern“. „Die Pharmazeutische Betreuung von Kindern mit Asthma bronchiale stellt eine ganz besondere Herausforderung an den Apotheker“, sagte die Ärztin. Um eine erfolgreiche Umsetzung der Therapie zu gewährleisten, seien neben dem kleinen Patienten zwingend auch die Eltern mit in die Betreuung einzubeziehen.

Asthma bronchiale ist die häufigste chronisch-entzündliche Erkrankung bei Kindern. So sind in Deutschland etwa 15 Prozent vom kindlichen Asthma betroffen. Charakterisiert ist das Krankheitsbild durch eine anfallsartige Luftnot, Husten und reversible Obstruktion der unteren Atemwege infolge einer erworbenen, aber auch genetisch veranlagten Hyperreagibilität. Wenn beide Elternteile Asthma haben, beträgt die Wahrscheinlichkeit etwa zwei Drittel, dass auch das Kind erkrankt. Insofern sei bei der Diagnosestellung, die sich bei Säuglingen und Kleinkindern meist als sehr schwierig erweist, die Familienanamnese von entscheidender Bedeutung.

Laut Definition gelten mehr als drei bronchiale Obstruktionen pro Jahr bereits als Asthma und nicht mehr als „einfache Bronchitis“. Diese erste Stufe einer dreiteiligen Schweregradeinteilung des kindlichen Asthma bronchiale wird auch als „wheeze“ bezeichnet. Bei mehr als sechs Episoden pro Jahr spricht man von einem episodischen Asthma, wobei auch hier die Lungenfunktion noch ohne Befund ist. Erst beim persistierenden Asthma, bei dem die Symptome an mehreren Tage pro Woche oder nachts auftreten, ist die Lungenfunktion pathologisch.

Das vorrangige Ziel einer Therapie ist es, stabile Atemwege zu schaffen. Dabei haben neben der medikamentösen Behandlung nicht medikamentöse Aspekte einen bedeutenden Stellenwert. Potenzielle Auslöser wie Schimmelpilz und Hausstaubmilben müssen identifiziert und gemieden werden. Unter den Arzneimitteln stehen b2-Sympathomimetika zur Bronchienerweiterung und inhalative Glucocorticoide zur antientzündlichen Therapie im Vordergrund. Hier sei es hilfreich, die Medikamente mit einem kindgerechten Aufkleber zu kennzeichnen. So könne zum Beispiel das Theophyllin-Präparat mit einem Schwert oder Boxhandschuh gekennzeichnet werden: „Dies ist dein Medikament, dass die Bronchien wieder frei boxt.“ Dementsprechend könne das Cortisonpräparat einen Aufkleber mit einem Feuerlöscher tragen: „Dies ist dein Medikament, das die Entzündung löscht.“ Die Referentin riet den Teilnehmern, das Kind so früh wie möglich mit in das Gespräch einzubeziehen. Erfahrungsgemäß erhöhe dies die Compliance.

Zudem sei hier von dem Apotheker auch hohes psychologisches Einfühlungsvermögen gefordert, da häufig bereits das Erwähnen des Begriffs „Cortison“ eine Abwehrhaltung der Mütter hervorrufe. „Klären Sie die Mutter zum Beispiel darüber auf, dass Cortison ein körpereigenes Hormon ist und dass die zu inhalierende Menge des ganzes Jahres der Menge einer einzigen Tablette entspricht.“

Mehr Zusammenarbeit gefragt

Im Diskussionsforum am Sonntag, das PZ-Chefredakteur Professor Dr. Hartmut Morck moderierte, diskutierten Vertreter aus dem Berufsstand, der Krankenkassen sowie der Patienten über die Rolle des Apothekers in neuen Versorgungsstrukturen und -formen. Über gute Erfahrungen von Patienten mit den Apothekerinnen und Apothekern konnte Patientenvertreter Herbert Häussermann von der Initiative Selbsthilfe und Integrationsförderung e.V. berichteten, äußerte aber auch Wünsche an die Apotheker. Konkret erhofft er sich mehr Hilfestellungen und Aufklärung bei den Zuzahlungen sowie mehr Erläuterungen zum Beipackzettel, vor allem zu Wechselwirkungen und Nebenwirkungen. Darüber hinaus plädierte er für eine bessere Vernetzung der Apotheken untereinander und eine stärkere Zusammenarbeit mit den Selbsthilfegruppen.

Als „Problemlöser“ sieht Uwe Geiß den Apotheker. Der Vizepräsident des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg begrüßte, dass die Schwerpunkte bei der Betreuung des Patienten auf pharmazeutischen Themen liegen. Er beklagte allerdings die geringe Nachfrage des Patienten, vor allem bezogen auf das Hausapothekenmodel. Grund hierfür scheint der noch geringe Bekanntheitsgrad des Konzepts zu sein. Denn auch Häussermann war das Modell bisher nicht bekannt, er sei aber bereit, es nun in Patientenkreisen vorzustellen.

Als Antwort auf schlechte Beratungsergebnisse aus den Apotheken startete die Landesapothekerkammer Bayern eine Beratungsoffensive, die auch auf Bundesebene forciert würde. Die Vizepräsidentin der Apothekerkammern Bayern, Jutta Rewitzer, betonte, dass die Beratung die Kernkompetenz der Apothekerinnen und Apotheker sei und diese weiter gestärkt werden müsse. In Bayern geschehe dies in mehreren Qualitätszirkeln, die 21 Indikationen bearbeiten. An Teamschulungen hätten inzwischen 2500 Kolleginnen und Kollegen teilgenommen. Man arbeite inzwischen auch unter dem Stichwort Pharmazeutische Beratungskompetenz an statistischen Daten, damit gegen schlechte Beratungsergebnisse entsprechende Daten entgegengesetzt werden können.

Auch in Baden-Württemberg werden die Kolleginnen und Kollegen in pharmazeutischen Arbeitszirkel für die pharmazeutische Beratung fit gemacht. Ein Schwerpunkt ist der Diabetes mellitus. Die Vizepräsidentin der Apothekerkammern Baden-Württemberg, Karin Graf, appellierte noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen, sich der freiwilligen Qualitätskontrolle mittels des Pseudo-customer-Konzepts anzuschließen. Dabei machte sie allerdings deutlich, dass die intensive Betreuung des Patienten, die weit über die bisherige Basisberatung hinausgehe, nicht von den Apotheken alleine finanzierbar sei. Hier müsse über eine Honorierung diskutiert werden, wie es auch der Apothekerverband fordert.

Kassen-Vertreter Norbert Völkerath wollte hier allerdings keine Zusage machen. Der Geschäftsführer der AOK Tübingen sieht darüber hinaus einen Kompetenzstreit zwischen Ärzten und Apothekern um die Frage, wer wann welche Rolle spielt oder spielen soll. Dabei siedelt Völkerath die Diabetikerschulung mehr bei den Ärzten an und auch die Früherkennung bezeichnete er als primäre Aufgabe des Arztes, worin ihm das Plenum deutlich widersprach. Bei der primären Prävention sei es ohnehin um eine Honorierung der Ärzte oder Apotheker schlecht bestellt. Es stünden keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung und die vorhandenen würden nicht ausreichen, die eigenen Programme zu finanzieren.

In der Diskussion meldete sich auch eine Ärztin zu Wort und zog für sich ein Fazit aus dem Workshop in Tübingen: Sie habe erfahren können, dass bei den Apothekern ein fundiertes Wissen vorhanden sei. Eine gemeinsame Betreuung zum Wohle des Patienten ist aus ihrer Sicht sinnvoll, weshalb sie ihren Kollegen raten würde, enger mit den Apothekerinnen und Apothekern zusammenzuarbeiten. Sie halte nichts von einem Kompetenzstreit, der ohnehin mehr auf der Funktionärsebene ausgetragen werde.

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