Kontaktallergien von Naturkosmetika |
20.10.2003 00:00 Uhr |
Dermopharmazie
von Jürgen Rakoski, München
Immer mehr Menschen entscheiden sich für Pflegeprodukte auf pflanzlicher Basis. Sie erhoffen sich davon eine bessere Verträglichkeit. Doch auch Naturkosmetika bergen ein gewisses Allergiepotenzial. Etwa 9 Prozent der Deutschen, so schätzt der Deutsche Allergie- und Asthmabund, leiden an einer Kontaktallergie.
Es gibt ein breites Spektrum an Stoffen, die so genannten Allergene, die eine Kontaktallergie oder andere Allergien auslösen können. Die deutsche Kontaktallergie-Gruppe erstellt jährlich eine Hitliste der häufigsten Kontaktallergene. Seit einigen Jahren führt Nickel (Jeansknopf- oder Modeschmuckallergie) mit 17 Prozent diese Liste an, gefolgt von einem Duftstoff-Mix (Kosmetika- oder Parfümallergie) mit 12,6 Prozent und Perubalsam (Kosmetika-, Aromastoffallergie) mit 9,8 Prozent.
Wie entsteht eine Kontaktallergie
Beim ersten Kontakt mit dem Allergen erfolgt zwar noch keine allergische Reaktion, jedoch wappnet sich der Körper gegen nachfolgende Kontakte. Beim nächsten Kontakt kommt es dann zur Reaktion. Die Sensibilisierung hat zur Folge, dass das Immunsystem der Haut aktiviert wird. Auf der Haut beginnt eine Entzündungsreaktion, um das Allergen abzuwehren. 24 bis 48 Stunden nach dem Kontakt mit der Substanz kommt es zu einer Rötung der Haut und sie beginnt stark zu jucken. Es bilden sich Bläschen, die aufplatzen können und nässen. Die Hautveränderungen können weit über die Hautareale hinausgehen, die ursprünglich Kontakt mit dem auslösenden Allergen hatten. Klinisch äußert sich die Allergie als Kontaktekzem.
Die meisten Kontaktallergien sind eine zelluläre Allergie vom Typ IV. Die auslösenden Allergene sind kleine Moleküle mit einem Molekulargewicht unter 1000 Dalton, die durch die Haut aufgenommen und den Lymphozyten zugeführt werden.
Auslöser kann fast alles sein
Häufige Kontaktallergene, die auch in Naturkosmetika vorkommen können, sind natürliche Substanzen wie Duftstoffe, Kolophonium, Terpentin, Propolis, Perubalsam, sowie Konservierungsmittel wie Parabene oder Salbengrundlagen, beispielsweise mit Wollwachsalkoholen (Tabelle).
Kontaktallergene* mit Bedeutung für Kosmetika (Angaben in Prozent)
Allergen1999 2000 Duftstoff-Mix 13,1 10,2 Perubalsam 10,3 8,4 Wollwachsalkohole 5,1 4,3 Kolophonium 4,4 4,2 Methyldibromoglutaronitrile (MDBGN)/Phenoxyethanol (PE), (Euxyl K 400) 4,6 3,8 5-Chlor-2-methyl-2,3-dihydroisothiazol-3-on (CMI)/2-Methyl-2,3-dihydroisothiazol-3-on (MI), (Kathon CG) 2,0 2,3 Terpentin 2,9 2,2 Propolis (2,5) 1,8 Paraben Mix 1,4 1,2*) nach Daten des IVDK. Getestet wurden circa 10.000 Personen/Jahr. Die Prozentangaben beziehen sich auf die Gesamtzahl der Getesteten.
Kosmetika mit Duftstoffzusätzen werden oft selbst von Duftstoffallergikern vertragen, wenn die Verweilzeit auf der Haut sehr kurz ist oder die Konzentration im Endprodukt deutlich unter 0,5 Prozent liegt. Dies ist zum Beispiel bei Deosprays und Handlotionen der Fall. In Rasierwässern und Eau de Toilette wird häufig eine Konzentration zwischen 5 und 10 Prozent verwendet, was zu einem Kontaktekzem führen kann.
Lactone in Kosmetika
Ein gewisses Allergierisiko birgt auch die Anwendung von Pflanzenextrakten, die Sesquiterpenlactone enthalten. Beispiele sind Rainfarnkraut, Kamillenblüten, Scharfgarbe und Mutterkrautblüten. Bei Patienten mit Ulcus cruris (Unterschenkelgeschwür) beobachtet man gehäuft Allergien gegen Salben aus Ringelblumenextrakten (Calendula officinalis). Das Hauptallergen ist hier ebenfalls ein Lacton, allerdings kein Sesquiterpenlacton.
Nach Allergiepass fragen
Für den Apotheker empfiehlt es sich, im Rahmen einer Kosmetikberatung nach Allergien beziehungsweise eventuell vorhandenen Allergiepässen zu fragen. So lässt sich das Risiko allergischer Reaktionen auf Kosmetika minimieren.
Allergiesituation in Deutschland Der Informationsverbund dermatologischer Kliniken (IVDK) erfasst die Ergebnisse von so genannten Epikutantests aus ungefähr 20 Kliniken in Deutschland. Im Rahmen dieses Informationsverbundes werden jedes Jahr rund 10.000 Patienten getestet, so dass man ein Abbild der Allergiesituation in Deutschland in Bezug auf die Kontaktallergene erhält.
Bei dem Epikutantest handelt es sich um ein diagnostisches Verfahren, bei dem die zu prüfenden Substanzen für 48 Stunden mit einem Pflaster auf den Rücken des Patienten aufgebracht werden. Nach dieser Zeit wird das Pflaster entfernt und die Lokalreaktion geprüft und nach weiteren 24 Stunden noch einmal dokumentiert. Im Fall einer Kontaktallergie kommt es im Testareal zu einer Ekzemreaktion.
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. Jürgen Rakoski
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein
Technische Universität
Biedersteiner Straße 29
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