Pflastervielfalt mit nur neun Wirkstoffen |
18.09.2000 00:00 Uhr |
Die Transdermalen Therpeutischen Systeme, kurz TTS, haben nicht nur einen teils komplizierten Aufbau. Der Apotheker ist auch gefordert, seine Patienten im richtigen Umgang mit den Pflastern vertraut zu machen. In zwei Seminaren während des Pharmacon in Westerland informierten die Technologen Professor Dr. Peter C. Schmidt und Privatdozent Dr. Martin Wahl von der Uni Tübingen Apothekerinnen und Apotheker über die unterschiedlichen Systeme. Im praktischen Teil des Seminars konnten die Teilnehmer dann selber Hand ablegen.
In Deutschland sind derzeit nur acht Arzneistoffe als TTS verfügbar. Diese relative kleine Zahl resultiert aus den spezifischen chemischen Anforderungen an die Substanzen, die nötig sind, damit diese zunächst über längere Zeit gleichmäßig aus einem Pflaster diffundieren und dann noch die Barriere Haut durchdringen. Die Wirkstoffe sollten semipolar sein, möglichst schon in geringen Dosen effektiv wirken und über ein Molekulargewicht unter 1000 verfügen, erklärte Schmidt. Wolle man zum Beispiel die sehr hydrophile Acetylsalicylsäure per TTS applizieren, sei mindestens eine Pflasterfläche von 174.800 Quadratzentimetern nötig, um den Körper pro Tag mit 500 mg Wirkstoff zu versorgen. Da der menschliche Körper aber nur eine Oberfläche von 1,6 Quadratmetern hat, müsste der Betroffene theoretisch einen mit ASS getränkten Ganzkörperanzug tragen, so der Technologe.
Je nach der erforderlichen Tagesdosis und den Wirkstoffeigenschaften fällt die Pflastergröße aus. Das heißt, die Dosierung lässt sich über die Fläche steuern. Fällt das Scopolaminpflaster mit 2,5 Quadratzentimetern relativ klein aus, mutiert das Pflaster zur Testosteronsubstitution mit seinen rund 60 Quadratzentimetern schnell zum Ungetüm.
Unter den vier verschiedenen Aufbauformen der TSS hat sich auf Grund der preisgünstigen Herstellung das Matrixsytem inzwischen durchgesetzt. Es besteht lediglich aus einer Klebeschicht, in der der Wirkstoff suspendiert oder gelöst vorliegt. Der Urvater der TSS, das Membransystem, bei dem eine Kontrollmembran die Wirkstoffabgabe gesteuert, wird wegen der höheren Produktionskosten bald völlig verschwinden, prognostizierte Schmidt.
Entscheidend für jedes TTS sei die Wahl des richtigen Klebers, so die Seminarleiter. "Deren Funktionalität ist das A und O", berichtete Schmidt. Und die Anforderungen an solche Substanzen seien enorm. Schließlich müsse sich auch nach drei Jahren Lagerzeit noch problemlos die Schutzfolie abziehen lassen und das Pflaster nach kurzem Druck sofort auf der Haut kleben. Silikonkleber und so genannte Blockpolymere würden heute zunehmend durch die vielseitigeren Mischungen verschiedener Polyacrylate ersetzt. Die Kunst der Entwickler sei es, für jedes Matrixpflaster mit seinen unterschiedlichen Wirkstoffen die richtige Mischung zu finden.
Nach der Wahl des richtigen Klebers muss vor der Markteinführung natürlich noch die
In-vitro-Freisetzung geprüft werden. Neben den aus der Tablettenformulierung bekannten
Paddle-Apparaturen bedient sich die Industrie heute einer sogenannten
LTS-Diffussionszelle. Sie besteht aus einem Stück Menschenhaut, auf dem das TTS klebt und
einer Akzeptorkammer mit Flüssigkeit darunter. Aus dieser werden dann in regelmäßigen
Abständen Proben gezogen und deren Wirkstoffgehalt bestimmt.
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