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Antidementiva – Utopie oder Realität?

12.06.2000  00:00 Uhr

-PharmazieGovi-Verlag

PHARMACON MERAN

Antidementiva – Utopie
oder Realität?

von Brigitte M. Gensthaler

Die Frage, ob Antidementiva noch Utopie oder bereits Realität sind, konnte Professor Dr. Michael Rösler vom Institut für gerichtliche Psychiatrie der Psychiatrischen Klinik der Universität des Saarlandes in Homburg nur bedingt beantworten. Es gebe zu viele ungelöste Probleme, sowohl von den Grundlagen, als auch von der fachlichen Seite her. Der Einsatz der vorhandenen Therapeutika müsse bezüglich Nutzen und Risiken aber auch der Kosten kritisch hinterfragt werden.

Die Hauptindikation der Antidementiva, die früher als Nootropika bezeichnet wurden, ist die Alzheimer Demenz. Jeder dritte Mensch, der das 75. Lebensjahr erreicht, leidet an dieser chronischen progredienten Krankheit, die histologisch durch extrazelluläre Amyloid-Plaques und Neurofribillen beschrieben wird. Die Symptome der Erkrankung werden in drei Gruppen zusammengefasst:

· nachlassende Leistungsfähigkeit · Verlust von Alltagskompetenz · gestörtes Verhalten

Von den bisher als Nootropika zugelassenen Arzneimittel, die unter anderem Dihydroergotoxin, Nicergolin, Nimodipin, Piracetam, Pyritinol oder Gingko-Extrakt enthalten, wisse man lediglich, dass sie die Leistungsfähigkeit positiv beeinflussen. Wie sie genau wirken, sei noch unklar. Bei guter Verträglichkeit - ohne die Langzeitwirkungen zu kennen - sei die Responderrate bei diesen Arzneimittel nur 15 Prozent besser als unter Placebo. Wie und ob sich auch die Alltagsfähigkeiten und das Verhalten bessere, wisse man nicht, so Rösler.

Die heutigen Anforderungen an moderne Antidementiva schlössen diese Symptomkomplexe mit ein. Voraussetzung für deren Einsatz sei heute eine genaue Diagnostik. Außerdem seien folgende pharmakologische Angriffspunkte definiert: Einfluss auf das cholinerge System, den Energiestoffwechsel und eine antiinflammatorische Wirkung.

Als gut dokumentiert bezeichnete Rösler die Acetylcholinesterasehemmer, die die Konzentration des Transmitters Acetylcholin in den Synapsen erhöht. Zwei Stoffe seien vorzuziehen: Rivastigmin und Donezepil. Für Rösler ist Tacrin auf Grund der Lebertoxizität obsolet, während Metrifonat wahrscheinlich wegen seiner muskulotropen Nebenwirkungen erst gar nicht auf den Markt kommen werde. Mit Acetylchloinetserasehemmern konnte eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit um 15 Prozent gegenüber Placebo erreicht, Aggressivität abgebaut und die Heimeinweisung hinausgezögert werden.

Die großen Hoffnung, mit Muskarinrezeptoragonisten therapeutische Erfolge zu erzielen, haben sich laut Rösler leider nicht erfüllt. Auch die Chancen der Nikotinrezeptoragonisten, an Bedeutung zu gewinnen, schätzte er auf Grund der unerwünschten Wirkungen als sehr gering ein. Weitere Therapieansätze seien der Einsatz von Antioxidanzien und Radikalfänger sowie Estrogene und Antiphlogistika. Erkenntnisse bezüglich der Estrogene und Antiphlogistika ließen sich bisher aber nur aus epidemiologischen Studien ableiten.

Die Notwendigkeit, die Progredienz der Demenz hinauszuzögern, begründete Rösler mit einer einfachen Rechnung. Würde es gelingen, den Ausbruch der Krankheit um fünf Jahre zu verzögern, könnte man die Inzidenz der Alzheimer-Demenz halbieren, was sich bei den Kosten bemerkbar machen würde.Top

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