Mit Hormonentzug gegen das Prostatakarzinom |
28.05.2001 00:00 Uhr |
PHARMACON MERAN
PZ Das Prostatakarzinom (PCA) ist in Deutschland die zweithäufigste Tumorform bei Männern. Sehr viele, vor allem ältere Männer haben ein latentes PCA, das sie ein Leben lang still begleitet. Viele Karzinome werden nur zufällig entdeckt.
"Nur ein Fünftel bis ein Drittel aller Prostatakarzinome werden klinisch manifest und damit behandlungsbedürftig", betonte Dr. Günther Scherbel, Leiter der Apotheke im Klinikum Nürnberg-Süd. Je älter der Mann, umso geringer die Wahrscheinlichkeit, dass er an seinem Prostatakrebs stirbt. Allerdings gibt es bislang keine sichere Methode, um zwischen einem "klinisch insignifikanten" und einem relevanten, also behandlungsbedürftigen Tumor zu unterscheiden.
Ethnische, geographische, genetische, hormonelle oder berufliche Risikofaktoren werden für das PCA diskutiert. Bei Asiaten ist die bösartige Prostataerkrankung sehr viel seltener. Epidemiologische Studien fanden einen Zusammenhang mit fettarmer, faserreicher Ernährung. Angeblich sollen diese Kostform, Vitamin E (ab 50 mg täglich) und b-Carotin die Inzidenz mindern.
Die Therapie eines PCA richtet sich nach dem Stadium des Tumors und dem Befinden des Mannes, zum Beispiel seinem Alter oder einem zu erwartenden Operationsrisiko. Nach der TNM-Klassifikation spricht man beim lokal begrenzten Tumor ohne Lymphknotenbefall und Metastasen vom Stadium T1 und T2. T3 kennzeichnet einen Tumor, der die Kapselwand der Prostata durchbrochen hat. Sind bereits Lymphknoten befallen oder Fernmetastasen nachweisbar, spricht man vom Stadium T4.
Digital-rektale Untersuchung, transrektaler Ultraschall und Prostatabiopsie helfen bei der Diagnose. Wichtigster Gewebemarker zur Primärdiagnostik und Verlaufsbeobachtung ist das Prostata-spezifische Antigen. PSA ist eine neutrale Serinprotease, die in der Prostata gebildet und ins Drüsenlumen sowie ins Blut abgegeben wird. PSA sollte heute mit Hilfe monoklonaler Antikörper nachgewiesen werden, forderte Scherbel. Ältere Methoden könnten zum Teil höhere Werte ergeben.
Als Norm gilt ein PSA bis 4 ng/ml. Bis zu 10 ng/ml gelten als Grauzone und müssen diagnostisch geklärt werden. Ein Wert über 10 ng/ml ist in jedem Fall verdächtig. Wichtig: Der PSA-Spiegel ändert sich schnell bei mechanischer Belastung der Prostata, zum Beispiel durch Radfahren oder nach digital-rektaler Untersuchung.
Testosteron unterdrücken
Eine radikale Entfernung der Prostata oder eine Strahlentherapie können bei lokal begrenztem Tumor die Krankheit heilen. Neue Methoden sind die laparoskopische Prostatektomie, die Kryotherapie (setzt gezielte Nekrosen) und die Hyperthermie. Das Aufheizen des Gewebes soll die Zellen empfindlicher für die nachfolgende Bestrahlung machen. In manchen Fällen, zum Beispiel bei älteren Männern, ist kontrolliertes Zuwarten ("wait and see") gerechtfertigt, zumal die invasiven Methoden spezielle Risiken bergen (Impotenz, Inkontinenz).
Bei lokal fortgeschrittenem Karzinom rückt der Hormonentzug in den Vordergrund, denn etwa 80 Prozent der Karzinome sind hormonabhängig. Fehlt Testosteron, stoppt das Wachstum. Am häufigsten eingesetzt werden Gonadorelin-(GnRH)-Analoga, die - nach initialer Stimulation - die LH-Ausschüttung aus der Hypophyse und in der Folge die Testosteron-Produktion in den Hoden hemmen. Wirkstoffe wie Buserelin, Goserelin, Leuprorelin, Nafarelin und Triptorelin müssen gespritzt werden. Die Hormonwerte sinken (reversibel) auf Kastrationsniveau.
Antiandrogene wie Cyproteronacetat oder nicht steroidale Substanzen wie Flutamid und Bicalutamid blockieren die Androgenrezeptoren. Damit unterdrücken sie auch den Effekt der geringen Testosteron-Mengen, die in den Nebennieren gebildet werden (etwa 10 Prozent).
Lebensqualität im Vordergrund
Hat das PCA metastasiert, steht der Erhalt der Lebensqualität des Mannes an oberster Stelle. Bei hormonrefraktären Tumoren kann eine Chemotherapie mit Zytostatika zur subjektiven Besserung führen. Estramustinphosphat, Epirubicin oder Mitomycin werden hier eingesetzt. Analgetika, Antidepressiva oder Bisphosphonate (bei Knochenmetastasen) können dem Patienten das Leben erleichtern.
Neue Optionen sollen GnRH-Antagonisten eröffnen, deren Zulassung bei der
FDA beantragt ist, sowie CYP-17-Inhibitoren, die die
Testosteron-Produktion in Hoden und Nebennieren blockieren, berichtete
Scherbel. Größeren Nutzen erhoffe man sich ferner von der
intermittierenden totalen Androgenblockade. Dabei wechseln Phasen, in
denen GnRH-Analoga plus Antiandrogene kombiniert gegeben werden, mit
Zeiten des "wait and see". Dahinter steht die Überlegung, dass
die Mehrzahl der Tumorzellen länger im hormonsensiblen Stadium verbleibt
als unter dem "Selektionsdruck" des permanenten Hormonentzugs.
© 2001 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de