Ropinirol verzögert die Progression |
06.05.2002 00:00 Uhr |
Morbus Parkinson
von Christina Hohmann, Berlin
Eine Therapie mit Dopaminagonisten wie Ropinirol (ReQuipÒ)scheinen den Verlauf von Morbus Parkinson im Vergleich zu Levodopa (L-Dopa) besser bremsen zu können. Entsprechende Studienergebnisse stellten Experten auf einer Pressekonferenz des Herstellers GlaxoSmithKline in Berlin vor.
Morbus Parkinson, die häufigste neurodegenerative Erkrankung neben Alzheimer, ist durch den fortschreitenden Verlust von dopaminergen Neuronen in einem Teil des Mittelhirns, der Substantia nigra, gekennzeichnet. Als Therapeutikum der Wahl gilt noch immer Levodopa. Der Goldstandard hat allerdings einen Nachteil: Er verursacht bei einem Großteil der Patienten Dyskinesien. Diese abnormen ruckartigen, zuckenden Bewegungen treten nach fünf bis zehn Jahren Therapie bei etwa 66 Prozent der Patienten auf, nach einer Behandlungsdauer von über 15 Jahren sind 88 Prozent betroffen.
Erste klinische Daten
"Wir wollen Patienten besser behandeln können als mit L-Dopa", erklärte Professor Dr. Johannes Schwarz, Leipzig. Ziel der Behandlung sei es, den Untergang der Neuronen aufzuhalten oder zu verlangsamen. Dopaminagonisten wie Ropinirol und Pramipexol schützen sowohl in Zellkultur als auch in Tierversuchen Neuronen vor dem Zelltod. Bisher lagen aber noch keine klinischen Daten vor.
Daher wurde die multizentrische, zweiarmige REAL-PET-Studie (ReQuip as Early Therapy versus L-Dopa) gestartet, um zu testen, ob der Dopaminagonist den Krankheitsverlauf im Vergleich L-Dopa besser aufhalten kann. Dazu untersuchte man 186 neu diagnostizierte, bisher unbehandelte Patienten: Je 96 Teilnehmer erhielten über einen Zeitraum von zwei Jahren Levodopa (L-Dopa) oder Ropinirol.
Die Rate des Verlustes an dopaminergen Neuronen wurde mit Hilfe des modernen bildgebenden Verfahrens, der dreidimensionalen Positronenemissions-Tomographie (PET), bestimmt. Diese Technik weist die Menge an radioaktiv markierten Fluorodopa nach, das die dopaminergen Neuronen aufgenommen haben. Das PET-Signal ist also ein Indikator für die Anzahl an funktionierenden dopaminergen Nervenzellen. Bei jedem Patienten fertigten die Mediziner zwei PET-Scans an: Einen zu Beginn der Arzneimitteltherapie und einen am Ende des zweijährigen Untersuchungszeitraums. Insgesamt schlossen 138 Patienten die Studie ab.
Neuroprotektive Wirkung
Die Ergebnisse der REAL-PET-Studie wurden erstmals auf der 54. Tagung der American Academy of Neurology in Denver öffentlich vorgestellt. Das PET-Signal nahm in der Ropinirol-Gruppe im Verlauf der Studie deutlich weniger ab als in der L-Dopa-Gruppe. Hier ging das Signal um 20 Prozent zurück, unter Ropinirol dagegen nur um 13 Prozent. Für Schwarz "ein klarer Beweis dafür, dass der klinische Verlauf der Krankheit beeinflussbar ist". Zusätzlich untersuchten die Mediziner die Häufigkeit von Dyskinesien bei den Studienteilnehmern. Hier zeigte sich ein drastischer Unterschied zwischen den beiden Gruppen: Während in der L-Dopa-Gruppe 27 Prozent der Patienten nach zwei Jahren Behandlung unter Dyskinesien litten, traten die Nebenwirkungen nur bei 3 Prozent der mit Ropinirol behandelten Patienten auf.
Wie der neuroprotektive Effekt von Ropinirol zustande kommt, ist noch unklar, sagte Schwarz. Aber die Wirkung könnt dadurch erklärt werden, dass die Substanz als Radikalfänger dient und außerdem an die postsynaptische Membran bindet, wodurch sie den Metabolismus des geschädigten dopaminergen Neurons schont und auch weniger freie Radiale entstehen.
Wie die Studienergebnisse zeigen, kann Ropinirol den Krankheitsverlauf im Vergleich zu L-Dopa verlangsamen. Aber wirkt die Substanz wirklich neuroprotektiv? Da eine Placebokontrolle aus ethischen Gründen nicht möglich ist, weil keinem Patienten eine Behandlung verweigert werden kann, ist diese Frage nicht zu beantworten, erklärte Schwarz. Eventuell schützt der Dopaminagonist die dopaminergen Neurone nicht, sondern hat nur nicht den zelltoxischen Effekt, den L-Dopa in In-vitro-Versuchen gezeigt hat. "Dies ist allerdings unerheblich", so der Referent, "da es zu L-Dopa keine Alternative gibt".
Auf Anfrage aus dem Publikum erklärte Privatdozent Dr. Guy Arnold, Neurologe an der Charité in Berlin, dass vermutlich alle Dopaminagonisten den Krankheitsverlauf von Morbus Parkinson aufhalten können. "Aber für Ropinirol ist der Effekt bewiesen." Auf Dopaminagonisten gut eingestellte Parkinson-Patienten würde er daher nicht auf Ropinirol umstellen, Patienten mit L-Dopa-Therapie dagegen schon.
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