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Pharmaka, die auf den Magen schlagen

22.01.2001  00:00 Uhr

PHARMACON DAVOS

Pharmaka, die auf den Magen schlagen

PZ-Artikel

Einen vollständigen Bericht über alle Pharmaka, die zu Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt führen, hätte der klinische Pharmakologe Professor Dr. Thomas Hohlfeld in der ihm vorgegeben Vortragszeit sicher nicht geben können. Der Dozent von der Uni Düsseldorf konzentrierte sich daher in seinem Referat besonders auf die nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR). Alleine in Deutschland fordert deren Magenschleimhaut-schädigende Wirkung seinen Angaben zufolge jedes Jahr circa 2000 Todesfälle.

Laut Hohlfeld ist es vor allem der Mix aus den drei Risikofaktoren Helicobacter pylori, Magensäure und NSAR, der häufig zu einen peptischen Ulcus führt. Wissenschaftler hätten in Studien zeigen können, dass die Antirheumatika gerade dann die Schleimhaut angreifen, wenn zusätzlich der Keim den Magen besiedelt. Natürlich müsse man auch andere Risikofaktoren wie hohes Lebensalter oder einen bereits bestehenden Ulcus in die Risikobewertung mit einschließen. Interessant: Nehmen die Patienten neben den NSAR auch Glucocorticoide ein, ist das Ulcusrisiko um so höher. "Die Corticoide alleine scheinen das Risiko aber nicht zu erhöhen", mutmaßte Hohlfeld.

Ein günstigeres Nebenwirkungsprofil verspricht sich der Pharmakologe von den selektiven Cyclooxygenase-2-Hemmern. Substanzen wie Rofecoxib und Celecoxib hätten sich in klinischen Studien bewährt. Während das Enzym COX-2 vor allem Reaktionen katalysiert, die für die Entstehung von Schmerz und Entzündungen verantwortlich sind, übernehme COX-1 eine Art "houskeeping"-Funktion. Das Enzym ist unter anderem an der Produktion des Magenschleimhaut schonenden Protaglandins E2 beteiligt.

Inzwischen hätten Wissenschaftler auch die Cyclooxygenase 2 in der Magenschleimhaut entdeckt. Zudem sei das Enzym an Wundheilungsvorgängen beteiligt. Man gehe daher davon aus, dass COX-2 nicht nur die unerwünschten Wirkungen katalysiert, sondern auch für die Abheilung eines Ulcus essenziell ist. Entsprechend sollten Patienten mit einem bereits bestehenden Ulcus keine COX-2-Hemmer einnehmen. Die beiden Substanzen seien dann kontraindiziert, so Hohlfeld.

Um einen NSAR-bedingten Ulcus vorzubeugen, empfahl der Mediziner, zunächst eine eventuell bestehende Infektion mit Helicobacter zu therapieren. Zusätzlich könnten gemeinsam mit den NSAR verabreichte Protonenpumpenhemmer, H2-Antagonisten oder das Prostaglandinanalogon Miseprostol die Magenschleimhaut schützen.

Zahllose Pharmaka lösen auch unerwünschte Wirkungen im Darmtrakt aus. Hier stehen laut Hohlfeld Obstipation oder Diarrhöe im Vordergrund. Die Nebenwirkungen der einzelnen Arzneistoffgruppen würden über die unterschiedlichsten Mechanismen ausgelöst. Thienopyridine wie die Gerinnungshemmer Ticlopidin oder Clopidogrel lösten zum Beispiel Durchfall aus: In diesem Fall vermuteten Wissenschaftler, dass die Substanzen die Apoptose, also den programmierten Zelltod von Dünndarmzellen begünstigen, erklärte der Referent.

Über einen ganz anderen Mechanismus sei die Durchfall-fördernde Wirkung verschiedener Antibiotika zu erklären. Clindamycin, Ampicillin oder Tetracycline stören zum Beispiel die physiologische Bakterienflora des Darmes. Dann können resistente Keime überwuchern. In diesem Zusammenhang sei besonders die pseudomembranöse Enterokolitis gefürchtet, die durch den toxinbildenen Keim Clostridium difficile ausgelöst wird, so Hohlfeld. Top

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