Qualitätszirkel bewertet Mucolytika |
29.11.1999 00:00 Uhr |
Arzneimittel gegen Atemwegsinfekte gehören zu den Schnelldrehern in der Apotheke. Aufgrund dieser Erkrankungen suchen aber auch viele Patienten den Arzt auf, der dann häufig Antibiotika verordnet - auch wenn dies nicht immer sinnvoll ist. Helfen Mucolytika, Secretolytika und -motorika besser?
"Wir brauchen die Erfahrung der niedergelassenen Kollegen und die Kooperation von Arzt und Apotheker", sagte Dr. Erwin Häringer bei einem Qualitätszirkel Hausarzt/Apotheker*, der Handelspräparate kritisch beleuchtete und Hinweise für die Praxis gab.
Enttäuschend ist die Datenlage zu Ambroxol. Man bewege sich auf Basis der Monographie von 1993 und älteren Studien, erklärte Dr. Eckhard Schäfer von Boehringer Ingelheim. Die antiinflammatorischen und antioxidativen Eigenschaften würden derzeit nicht weiter erforscht.
Deutlich mehr Daten gibt es zu N-Acetylcystein, das seit 1960 als Mucolytikum und seit Mitte der 70er Jahre als Antidot bei Paracetamol-Vergiftung eingesetzt wird. Dies beruht auf der Fähigkeit des aktiven Metaboliten L-Cystein, Disulfidbrücken zu spalten oder zu bilden. Daher fungiert es auch als Radikalfänger und wirkt indirekt antioxidativ über den Einbau in Glutathion, sagte Dr. Andrea Klüthing vom Pharmaunternehmen Zambon. Gut belegt ist der präventive Effekt bei chronischer Bronchitis. N-Acetylcystein reduziert die Exazerbationsrate im Mittel um 23 Prozent, resümierte Professor Dr. Ralf Meister, Bad Lippspringe, die Ergebnisse von acht Studien, die jeweils im Winterhalbjahr geführt wurden. In der Folge sanken Antibiotikaverbrauch und die Zahl der Krankheitstage. Ähnlich gute Effekte - geringere Exazerbationsrate und bessere Lungenfunktion - zeigte eine aktuelle Studie bei Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD).
Meister: Zwischen Dezember und Februar, aber nicht ganzjährig, könnte die Prävention mit 600 mg NAC/Tag sinnvoll sein, da in diesen Monaten die Mortalität unter Patienten mit chronischer Bronchitis am höchsten ist. Patienten sollten Acetylcystein entgegen den Empfehlungen der Fachinformation morgens einnehmen.
Studien, in denen Exazerbationen als klinischer Parameter bestimmt wurden, zeigten nur im Winterhalbjahr signifikante Ergebnisse, bestätigte der Klinische Pharmakologe Privatdozent Dr. Christian de Mey. Dies gelte auch für das auf Myrtol standardisierte Präparat Gelomyrtol®, das sich in der Nachzulassung befindet, ergänzte Dr. Thomas Wittig von Pohl-Boskamp. In einer aktuellen, noch unveröffentlichten Studie mit 676 Patienten mit akuter Bronchitis waren Myrtol, Ambroxol und Cefuroxim ähnlich wirksam, während Placebo deutlich abfiel. De Mey nannte die Rate der Patienten, die auf die Medikation nicht ansprachen: nach einer Woche unter Myrtol 5,3 Prozent, unter Cefuroxim 7,6 und unter Ambroxol 9,8 sowie unter Placebo 20 Prozent. Nach zwei Wochen lag die Zahl der Non-Responder unter den Vera zwischen 0,1 und 5,3 Prozent und bei 11 Prozent in der Placebo-Gruppe.
Wenig Unterschiede in der Erfolgsquote bei akuter Bronchitis ergab auch eine sogenannte Post-marketing Surveillance Study, die Sinupret® (Zulassung 1997), Ambroxol, N-Acetylcystein und Myrtol bei 3178 Patienten verglich. Auch bei akuter Sinusitis besserten Sinupret, Gelomyrtol und N-Acetylcystein den röntgenologischen Befund ähnlich effektiv, berichtete Dr. Reinhard März von Bionorica. In vitro zeigten Verbena und Primula (in Sinupret) auch antivirale Effekte. Ob dies für die Anwendung am Menschen relevant ist, bleibt noch offen.
Zum Wechsel der beiden Präparate riet Professor Dr. Heinz Schilcher in der regen Diskussion: "Bei Sinusitis alle zwei Tage abwechselnd Sinupret und Gelomyrtol, das ergibt die besten Effekte." Eine Erfahrung, die Häringer aus eigener Praxis bestätigte.
*) "Qualitätssicherung in der Pharmakotherapieberatung", veranstaltet vom Gesprächskreis Hausärzte/Apotheker in Bayern, getragen vom Landesverband Bayern des Berufsverbands der Allgemeinärzte Deutschlands und der Bayerischen Landesapothekerkammer, am 18. November in München
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