10 Jahre Enzymtherapie bei Morbus Gaucher |
11.11.2002 00:00 Uhr |
von Hannelore Gießen, München
Sie sind die Exoten der Medizin: Krankheiten, an denen weniger als 5 von 10.000 Menschen leiden. Für viele gab es lange keine Therapie. Die erste gezielte Behandlung wurde vor zehn Jahren für Morbus Gaucher entwickelt.
Für die seltenen, aber meist sehr schwer verlaufenden Krankheiten gab es lange keine wirksame Behandlung, da sich die Entwicklung eines Medikamentes für eine so kleine Patientengruppe nicht lohnte. Für Abhilfe sorgte die Verordnung für Orphan Medical Products, nach der für die Zulassung solcher so genannter Orphan Drugs erleichterte Bedingungen gelten.
Ein großer Teil der seltenen Erkrankungen beruht auf einem defekten Gen, das den Bauplan für ein wichtiges Enzym enthält. Unter den seltenen eher häufig ist Morbus Gaucher, eine lysosomale Speicherkrankheit, die auf einem autosomal rezessiv vererbten Mangel an Glucocerebrosidase beruht. Nicht abgebaute Glucocerebroside sammeln sich in den Zellen von Makrophagen an, die dadurch aktiviert werden und Entzündungen hervorrufen. Vor allem die Leberfunktion wird beeinträchtigt. Morbus Gaucher tritt mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:40.000 auf. Bisher sind 250 bis 300 Menschen in Deutschland als Gaucher-Patienten bekannt; die Dunkelziffer liegt jedoch wesentlich höher.
Enzym-Ersatztherapie
Zur Behandlung von Morbus Gaucher wurde vor zehn Jahren ein aus humaner Plazenta gewonnenes Produkt eingeführt. Seit 1997 ist die rekombinant hergestellte Imiglucerase unter dem Namen Cerezyme® auf dem Markt. Weltweit werden zurzeit rund 3300 Patienten mit Imiglucerase behandelt, in Deutschland sind es 250.
Das Unternehmen Genzyme stellte in München jetzt eine Langzeitstudie mit 1000 Patienten vor, die bis zu fünf Jahre eine Enzymersatztherapie erhielten, und deren Krankengeschichte in einem internationalen Gaucher Register aufgezeichnet wurde. Dabei hat es sich bestätigt, dass unter der Therapie das weitere Fortschreiten der Erkrankung aufgehalten werden kann. Insbesondere hat die Studie gezeigt, dass Anämie und Thrombozytopenie weitgehend beseitigt wurden und sich die vergrößerten Organe Milz und Leber wieder zurückbildeten. Auch bei gut der Hälfte der Patienten mit Knochenschmerzen besserten sich die Beschwerden, wobei ein destruierter Knochen nicht wieder aufgebaut werden kann. Publiziert wurde die Studie im American Journal of Medicine. (Weinreb, N.J., et al., Vol. 113 (2002), 112 - 119).
Leben mit einer seltenen Erkrankung
Für andere mag es interessant sein, für den Betroffenen ist es beunruhigend, ein medizinischer Sonderfall zu sein. Weckt es doch die Sorge, nicht verstanden und vielleicht auch nicht richtig behandelt zu werden. Schließlich kennt sich mit so einer exotischen Krankheit fast niemand aus. So waren auch die Erfahrungen von Ditmar Basalla, Vorsitzender der erst im April 2002 gegründeten Morbus Fabry Selbsthilfegruppe Deutschland.
Morbus Fabry, eine X-chromosomal rezessiv vererbte Erkrankung, beruht
auf einem Mangel des lysosomalen Enzyms alpha-Galaktosidase. Dieses Enzym
ist am Abbau von bestimmten Lipiden, den Glykosphingolipiden, beteiligt,
wo es die endständigen Galaktose-Ketten abspaltet. Der Mangel an
a-Galaktosidase führt zur Ansammlung der Lipide
in den inneren Organen und im gesamten Gefäßendothel. Deshalb sind von
Morbus Fabry auch so viele Organe betroffen. Die Diagnose ist entsprechend
schwierig und stellt eine enorme Herausforderung für eine
interdisziplinäre Zusammenarbeit dar. Entsprechend lange dauert es bis zur
richtigen Diagnose: Im Durchschnitt sind es zehn Jahre, bei Ditmar Basalla
waren es 44. Auch für Morbus Fabry steht inzwischen eine
Enzym-Ersatztherapie zur Verfügung: Sowohl Agalsidase-b
(Fabrazyme®) als auch Agalsidase-a (Replagal®)
erhielten im vergangenen Jahr die Zulassung.
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