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Palivizumab mindert Folgeschäden

11.10.2004  00:00 Uhr
RSV-Infektionen

Palivizumab mindert Folgeschäden

von Elke Wolf, München

Der monoklonale Antikörper Palivizumab ist nicht nur in der Lage, die Inzidenz schwerer RSV-Infektionen und die dadurch bedingte Hospitalisierungsrate zu senken. Laut neuester Daten vermag die Vakzine auch das Auftreten der RSV-Spätfolgen wie das rezidivierende Giemen zu reduzieren.

Das RS-Virus (Respiratory Syncytial Virus) ist besonders für Frühgeborene, Kinder mit chronischen Lungenerkrankungen oder mit angeborenen Herzfehlern gefährlich. Während reife und gesunde Kinder von einem Infekt meist nur eine Erkältung davontragen, sorgt das RS-Virus bei den Risikokindern für eine ausgeprägte Entzündung der kleinen Bronchien oder der Lunge. Schwere Luftnot mit Sauerstoffmangel macht in 2 Prozent der Fälle einen stationären Aufenthalt erforderlich, zum Teil sogar mit Intensivtherapie einschließlich künstlicher Beatmung.

„Alle zur Verfügung stehenden medikamentösen Maßnahmen nach Krankheitsbeginn können den Verlauf der Erkrankung nur ungenügend positiv beeinflussen“, informierte Professor Dr. Jürgen Seidenberg vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum Oldenburg, auf einer von Abbott initiierten Fachpressekonferenz. Die beste Therapie bestehe derzeit in der Prophylaxe. So kann der monoklonaler Antikörper Palivizumab (Synagis) die Inzidenz schwerer RSV-Infektionen und ihre Folgeschäden reduzieren. Studien mit Frühgeborenen haben ergeben, dass sich mit der passiven Immunisierung zwischen 70 und 80 Prozent der Klinikeinweisungen vermeiden lassen. Und auch Kinder mit angeborenem Herzfehler profitieren mit 45 Prozent weniger Klinikeinweisungen von der Vakzine. Seidenberg: „Palivizumab kann Frühgeborenen enorm viel ersparen.“

RS-Virus setzt Asthmaschäden

RSV-Infektionen können bei Frühgeborenen nicht nur akut lebensbedrohlich verlaufen. Bei rund der Hälfte der kleinen Patienten bleibt ein überempfindliches Bronchialsystem bestehen. Immer wiederkehrende Entzündungen der Atemwege sind die Folge, informierte Privatdozent Dr. Volker Stephan von der Ruhr-Universität in Bochum. Laut Stephan haben 10 bis 13 Monate nach durchgemachter RSV-Bronchiolitis noch 40 Prozent der kleinen Patienten eine deutlich überblähte Lunge. In den ersten zwei Jahren danach erleiden Dreiviertel der Kinder mindestens noch eine weitere obstruktive Episode (versus 4,2 Prozent in der Kontrollgruppe).

Stephan stellte eine Metaanalyse mit über 1000 Kindern vor, die vor ihrem 12. Lebensmonat wegen einer RSV-Bronchiolitis im Krankenhaus behandelt worden waren. Selbst sechs Jahre später hatten sie ein noch vierfach erhöhtes Risiko für obstruktive Atemwegserkrankungen (40 versus 11 Prozent Giemen). Und auch acht bis elf Jahre später ist das Risiko noch mehr als zweimal so hoch (22 versus 10 Prozent Giemen). Erst 13 Jahre danach kommen Bronchialobstruktionen nicht häufiger vor als in der Kontrollgruppe. „Schätzungen gehen davon aus, dass rund 10 bis 15 Prozent der Asthmatiker ihre Beschwerden auf Grund einer früher durchgemachten RSV-Bronchiolitis haben“, sagte Seidenberg.

Diesen immer wiederkehrenden Atemwegsproblemen kann eine rechtzeitige Impfung mit Palivizumab Abhilfe schaffen. Denn die Vakzine reduziert laut Stephan bei Frühgeborenen auch die Häufigkeit rezidivierenden Giemens, auch Wheezing oder Atemgeräusch von fast pfeifendem Charakter genannt. Das beweise zumindest eine aktuelle Studie, die erstmals vor wenigen Wochen auf dem Kongress der European Respiratory Society in Glasgow vorgestellt wurde.

In dieser prospektiven Fall-Kontrollstudie wurden 193 Frühgeborene bei der ersten RSV-Infektion mit Palivizumab behandelt und mit einer Kontrollgruppe von 231 Frühgeborenen verglichen, die den monoklonalen Antikörper nicht erhalten hatten. 76 Kinder der Kontrollgruppe wurden stationär behandelt. Die Teilnehmer der Palivizumab- und der Kontrollgruppe unterschieden sich nicht hinsichtlich Geschlecht und Alter.

Die Palivizumab-geschützten Kinder wiesen im Vergleich zur Kontrollgruppe ein um 64 Prozent niedrigeres Risiko für rezidivierendes Wheezing auf, so Stephan. Während die Kinder der Palivizumab-Gruppe im Beobachtungszeitraum von zwölf Monaten nur zu 7 Prozent Gefahr liefen, immer wieder giemen zu müssen, traf es in der Kontrollgruppe 19,1 Prozent. Zudem reduzierte der monoklonale Antikörper auch die Anzahl stationärer Behandlungstage im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Allergie wird schlimmer, Lebensqualität sinkt

Doch nicht nur der Respirationstrakt scheint im Fadenkreuz der RS-Viren zu stehen, sondern auch das Immunsystem. Stephan stellte Studienergebnisse vor, wonach stationär behandelte RSV-Kinder nach einem Jahr signifikant häufiger – nämlich zu etwa 30 Prozent – rezidivierende Obstruktionen der Atemwege, atopische Dermatitiden sowie IgE-Antikörper gegen inhalative und Nahrungsmittelallergene aufweisen.

Bei all dem wird auch die Lebensqualität der kleinen Patienten nachweislich beeinträchtigt. Daten dazu präsentierte Dr. Louis Bont von der Universitätskinderklinik in Utrecht, Niederlande. In einer Untersuchung in seinem Hause wurden 130 Kinder, die vor dem 13. Lebensmonat wegen einer RSV-Bronchiolitis stationär behandelt wurden, mit 340 gleichaltrigen Kindern verglichen. Die Eltern der kleinen Probanden wurden dazu angehalten, bis zum dritten Geburtstag ihrer Kinder Tagebuch über auftretende Atemwegsbeschwerden zu führen. Und tatsächlich: Nach den Ausführungen Bonts ist die Lebensqualität der RSV-Kinder besonders hinsichtlich der Lungenproblematik eingeschränkt. Atemwegsprobleme wie häufiges Wheezing machen den Kindern derart zu schaffen, dass auch Ess- und Schlafgewohnheiten im Vergleich zu gesunden Kindern in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Lebensqualität leidet hauptsächlich in den ersten beiden Lebensjahren. Nach dem zweiten Geburtstag scheint sich die gesundheitliche Beeinträchtigung nicht mehr negativ auszuwirken, sagte Bont. Top

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