Blutzuckersenkung rettet Leben |
06.09.2004 00:00 Uhr |
Diabetiker leben gefährlich. Nach einem Herzinfarkt ist ihr Sterberisiko nahezu doppelt so hoch wie bei Nichtdiabetikern. Deutlich senken kann dies die sofortige Kontrolle des Blutzuckerspiegels, hieß es beim Europäischen Diabeteskongress in München.
Diabetes ist auch eine kardiovaskuläre Erkrankung. Menschen mit Diabetes haben ein bis zu sechsfach höheres Risiko für einen Herzinfarkt als stoffwechselgesunde Menschen. In Deutschland erleiden jährlich mehr als 27.000 Diabetiker einen akuten Myokardinfarkt.
Nach Angaben des Instituts für Diabetesforschung am Krankenhaus München-Schwabing leidet fast ein Drittel aller Herzinfarktpatienten an Diabetes mellitus. Bei jedem dritten Infarktpatienten ohne vorher bekannte Erkrankung finden die Ärzte bei genauer Diagnostik eine diabetische Stoffwechsellage und eine gestörte Glucosetoleranz. Bis vor einigen Jahren war die Prognose für Diabetiker nach einem Herzinfarkt schlecht: Die Sterberate in der Klinik lag mit 29 Prozent fast doppelt so hoch wie bei Nichtdiabetikern mit 16 Prozent. Wurden alle Patienten sofort intensiv behandelt, sank die Mortalität der Diabetiker auf 17, die der Nichtdiabetiker auf 14 Prozent.
Die Sterblichkeit scheint auch mit den Glucosespiegeln bei der Aufnahme in die Klinik zusammenzuhängen. Vor einigen Jahren zeigte die Digami-1-Studie (Diabetes Mellitus, Insulin Glucose Infusion in Acute Myocardial Infarction), dass eine Stoffwechselkontrolle mit einer intravenösen Insulin-Glucose-Infusion innerhalb der ersten 24 Stunden, gefolgt von einer Langzeit-Insulintherapie, die Überlebensrate deutlich verbessert.
Dass der Blutglucosespiegel ein starker Prädiktor der Langzeitmortalität ist, bewies jetzt die Folgestudie Digami 2, die die Autoren Lars E. Rydén und Klas Malberg vom Stockholmer Karolinska Institut beim Europäischen Diabeteskongress in München erstmals vorstellten. Um die optimale Behandlung nach Herzinfarkt zu klären, wurde der Stoffwechsel bei 1253 Typ-2-Diabetikern, die mit Verdacht auf Herzinfarkt stationär aufgenommen wurden, intensiv überwacht. Neben einer evidenzbasierten Infarkttherapie erhielten sie entweder sofort eine Insulin-Glucose-Infusion, gefolgt von einer Langzeit-Insulinbehandlung zur Blutzuckerkontrolle, oder eine Infusion mit anschließender Standard-Zuckerbehandlung. In der dritten Gruppe wurde der Stoffwechsel routinemäßig eingestellt.
Die HbA1C-Werte aller Patienten waren bei der Aufnahme in die Klinik vergleichbar (7,2 bis 7,3 Prozent), die Blutzuckerwerte lagen zwischen 12,5 und 12,9 mmol/l. Die Therapie senkte die Blutglucosespiegel nach 24 Stunden in allen Gruppen signifikant (auf 9,1 bis 10,0 mmol/l), berichteten die Autoren.
Die Patienten erhielten eine umfangreiche Entlassmedikation: Fast 90 Prozent bekamen ASS, 80 Prozent einen Betablocker und jeweils rund 65 Prozent einen ACE-Hemmer oder Statine. Sie behielten diese Therapie während der zweijährigen Nachbeobachtung bei. Die Stoffwechseleinstellung gelang in allen drei Gruppen gleich gut; der HbA1C betrug am Ende des Follow-up 6,8 Prozent.
Die intensive Therapie lohnte sich für die Patienten: Die Gesamtsterblichkeit lag nach zwei Jahren bei 18,4 Prozent in allen drei Gruppen und damit deutlich unter der erwarteten Rate von 22,3 Prozent. Jedoch brachte die intensivere Therapie keinen Zusatznutzen gegenüber der konventionellen Zuckerkontrolle. Auch nicht tödliche Reinfarkte und Hirnschläge wurden nicht signifikant besser verhindert. Im Klartext: Die sofortige und dauerhafte Blutzuckereinstellung ist für Herzinfarktpatienten immens wichtig. Wie sie gelingt, scheint allerdings zweitrangig zu sein.
Quelle: Schnell, O., Standl, E., Infarktmortalität erheblich unterschätzt – die Achillesferse des Diabetikers ist das Herz. Münch. Med. Wschr. 146, Nr. 35 – 36 (2004) 733-735.
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