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Betreute Patienten haben weniger Nebenwirkungen

28.07.2003  00:00 Uhr

Onkologie

Betreute Patienten haben weniger Nebenwirkungen

von Gudrun Heyn, Berlin

Von der Pharmazeutischen Betreuung krebskranker Menschen profitieren Patienten, Angehörige, Ärzte und Pflegepersonal hieß es auf dem 15ten Internationalen Symposium der Multinational Association of Supportive Care in Cancer (MASCC) in Berlin. Gesundheitsexperten aus Europa und Übersee berichteten und diskutierten über Studienergebnisse, Konzepte und praktische Erfahrungen.

„Die erste Definition der Pharmazeutischen Betreuung (pharmaceutical care) stammt aus dem Jahr 1990“, sagte Professor Dr. Ulrich Jaehde von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Sie lautet: Pharmazeutische Betreuung ist die konsequente Wahrnehmung der Verantwortung des Apothekers bei der Arzneimitteltherapie mit dem Ziel, bestimmte therapeutische Ergebnisse zu erreichen, die die Lebensqualität des Patienten verbessern. „Bei der Vielzahl der verfügbaren Arzneimittel sind das Wissen und die speziellen Erfahrungen der Pharmazeuten gefragt“, sagte Jaehde.

Der Langzeitprozess einer Pharmazeutischen Betreuung beginnt mit einem ausführlichen Patienten-Gespräch. Hier können die speziellen Bedürfnisse abgeklärt werden und der Apotheker erhält aus der Krankengeschichte wichtige Informationen über die bisherige Medikation. Es gilt, alle Medikamente zu erfassen, die der Erkrankte zurzeit zu sich nimmt, dabei auch solche, die nicht verordnet waren. Gleichzeitig erfolgt die Bestimmung und Auswertung von Laboruntersuchungen. Anschließend werden im Team die therapeutischen Ziele festgelegt und ein Behandlungsplan aufgestellt. Auf diese Weise können schon zu Beginn einer Chemotherapie arzneimittelbezogene Probleme weitgehend vermieden werden.

Compliance wird verbessert

„Die begleitende Betreuung des Apothekers führt zu einer wesentlichen Verbesserung der Compliance des Patienten“, berichtete Jaehde. Vor allem Patienten mit chronischen Krankheiten profitierten davon, aber auch solche mit Mehrfachmedikation. Ebenso Kranke, die häufig zwischen einer klinischen und ambulanten Behandlung hin und her wechseln.

Nicht selten werden Krebspatienten enteral oder parenteral ernährt. Auch dies kann der Apotheker verantwortlich unterstützen. Wichtig ist darüber hinaus die Aufklärung der erkrankten Menschen und ihrer Angehörigen sowie die Schulung der anderen Heilberufler. Gleichzeitig sollte der Apotheker ein Auge auf die pharmaökonomischen Belange haben, zum Beispiel indem er Kosten-Nutzen-Analysen aufstellt.

In einer Studie an der Universität Bonn mit an Brust- und Eierstockkrebs erkrankten Patientinnen stellten Jaehde und seine Mitarbeiter fest, dass nicht nur die allgemeine Zufriedenheit mit der Behandlung in der pharmazeutisch betreuten Gruppe größer war, auch Nebenwirkungen, wie Übelkeit und Erbrechen waren geringer.

Beratung vermeidet Stresssituationen

„In einer Zeit, wo Krankenhäuser zusammengelegt werden, um die Zahl der Betten zu reduzieren und pauschale Entgeldsysteme die finanzielle Zukunft bestimmen, wird die Pharmazeutische Betreuung immer wichtiger“, sagte Klaus Meier vom Aponova in Hamburg. Wenn Patienten am Freitag aus dem Krankenhaus entlassen werden, stünden sie oft alleine da. Die Medikamente, die im Krankenhaus verabreicht wurden sind „draußen“ nicht unbedingt sofort erhältlich. Auch bei Kathedern gäbe es in der Regel Probleme. Steht dem Patienten schon vor der Entlassung ein beratender Apotheker zur Seite, können solche Stresssituationen für den Kranken und seine Angehörigen leicht vermieden werden. „Inzwischen gibt es in Deutschland etwa 280 pharmazeutisch ausgebildete Spezialisten für die Onkologie“, sagte Meier.

Dr. Maria Mangues vom Hospital de La Sta. Creu i St. Paul in Barcelona unterstrich die Bedeutung der therapeutischen Arzneimittelüberwachung. So konnte in Barcelona für Vancomycin festgestellt werden, dass die notwendige Dosierung stark von den individuellen Eigenschaften des Patienten abhängt. Unter anderem war eine unterschiedliche Resorptionsrate dafür verantwortlich. „Gerade Kinder reagieren auf Medikamente sehr individuell“, sagte die Pharmazeutin. So erzielte die Anpassung der Vancomycin- Dosis über das Alter der Kinder einen wesentlich besseren Erfolg, als die Steuerung der Arzneimitteldosis über den Kreatinin-Wert. Auch Erfahrungen mit Methotrexat und Ciclosporin liegen in Spanien vor. Ziel ist es, für jeden Patienten die individuelle Dosierung festzustellen.

Service der Klinik auch zu Hause

Aus Deutschland berichtete Dr. Roland Radziwill von einem Projekt am Klinikum Fulda, das im Jahr 2000 ins Leben gerufen wurde. „Wir schließen eine Versorgungslücke zwischen Hospital und draußen“, sagte der Apotheker des Klinikums. Patienten, die künstlich über eine Magenfistel ernährt werden, können auch zuhause den Service der Klinikapotheke in Anspruch nehmen. Hierzu steht ein multidisziplinäres Team aus Krankenschwestern, Pharmazeuten und einem Arzt bereit. Alle drei bis vier Wochen werden die ambulanten Patienten mit der entsprechenden Ausrüstung zur enteralen Ernährung versorgt. Gleichzeitig wird die Effektivität der künstlichen Ernährung dokumentiert. Schon im Krankenhaus wurde ein Ernährungsplan nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ausgearbeitet. Außerdem wurden die Patienten und ihre Angehörigen beraten und geschult. Ende 2002 hatten 203 Patienten, davon 128 Krebspatienten, an den einstündigen Trainingskursen teilgenommen, die im Krankenhaus einmal in der Woche stattfinden. Zu den Aufgaben, die die Apotheker des Klinikums wahrnehmen, gehört auch die Entwicklung von Standards für die künstliche Ernährung, sowie die Schulung des Klinikpersonals. Für die Patienten steht eine 24 Stunden-Hotline zur Verfügung. „Patienten, Ärzte und Schwestern sind sehr zufrieden“, sagte Radziwill. Außerdem sei das Ansehen der Klinik-Apotheker im Raum Fulda sehr gestiegen und dies nicht nur auf dem Gebiet der künstlichen Ernährung.

Einig waren sich alle Experten, dass insbesondere der Informationsaustausch zwischen Arzt und Apotheker verbessert werden muss. Oft weiß einer vom anderen nicht, welcher Wissensstand der Patient hat und worüber er schon aufgeklärt wurde. „Wie die Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsspezialisten in Zukunft gestaltet werden kann, dazu fehlen heute noch die Konzepte“, sagte Jaehde. Top

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