Selbstmedikation mit Acetylsalicylsäure wirksam und gut verträglich |
23.05.2005 00:00 Uhr |
In einer pharmakoepidemiologischen Beobachtungsstudie in Deutschland und der Schweiz erwies sich die Selbstmedikation mit Acetylsalicylsäure bei akuten Schmerzen und Fieber erneut als wirksam und sicher.
*) unter Mitarbeit von Reto Agosti, Kopfweh-Zentrum Hirslanden, Zürich, Marianne Petersen-Braun und Uwe Gessner, Bayer Vital GmbH, Köln, sowie Carolin Ernen, Institut für Empirische Gesundheitsökonomie, Burscheid
Eines der am häufigsten in der Selbstmedikation eingesetzten Arzneimittel ist Aspirin®, das als Wirkstoff 500 mg Acetylsalicylsäure (ASS) enthält. Es gehört zur Gruppe der Analgetika/Antirheumatika und ist wohl das weltweit bekannteste Arzneimittel zur Behandlung von Schmerzen, zum Beispiel Spannungskopfschmerzen, Migräne, Rücken- und Gelenkschmerzen sowie Fieber. Mehrere aktuelle doppelblinde placebokontrollierte klinische Studien belegen die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit des Produkts (1-4a).
Für ein pharmazeutisches Unternehmen besteht auch in der Selbstmedikation die gesetzliche Verpflichtung zur Beobachtung von Nutzen und Risiken der von ihm vertriebenen Arzneimittel. Im Fall von verordnungsfähigen, zumeist rezeptpflichtigen Arzneimitteln werden Daten zur Verträglichkeit und Wirksamkeit im Rahmen großer Beobachtungsstudien, so genannter Anwendungsbeobachtungen (AWB), in der Arztpraxis erhoben. Hier wird im Allgemeinen nicht in die ärztliche Therapieentscheidung eingegriffen und der ärztliche Praxisalltag in der Arzneimittelanwendung dargestellt. Die AWB stellt ein praxisübliches Instrument dar, um der gesetzlichen Verpflichtung der Arzneimittelhersteller zur Beobachtung ihrer am Markt befindlichen Arzneimittel nachzukommen (5).
Bei Arzneimitteln der Selbstmedikation ist hingegen eine Erhebung der geforderten Daten nur beim Anwender selbst möglich. Entsprechende Studien werden in der Apotheke - in der Schweiz auch in Drogerien - durchgeführt, wo der Kauf des Arzneimittels stattfindet und damit ein direkter Kontakt zum Anwender möglich ist (6-10).
Eine solche AWB unter Einbeziehung der Anwender erfolgte in deutschen Apotheken sowie schweizerischen Apotheken und Drogerien. Ziel der Erhebung war die Erfassung und Auswertung von praxisnahen Daten zu Verträglichkeit, Wirksamkeit sowie Anwenderzufriedenheit beim Einsatz von Aspirin in der Selbstmedikation.
Ablauf und Methodik der Erhebung
Die Anwendungsbeobachtung lief von März bis Oktober 2003 in deutschen Apotheken und von September 2003 bis März 2004 in schweizerischen Apotheken und Drogerien. Pro Apotheke und Drogerie standen sechs Fragebögen zur Verfügung, die an Patienten abgegeben werden sollten, die Aspirin für die Behandlung von akuten Schmerzen oder Fieber erwarben. Die Patienten sollten den aktuellen Krankheitsverlauf vollständig dokumentieren und den ausgefüllten Bogen in der Apotheke/Drogerie abgeben oder direkt an das auswertende Institut einsenden. Bezüglich Art und Dauer der Anwendung gab es keine Vorgaben, um die Anwendung des Präparats unter Alltagsbedingungen darstellen zu können.
Der zweiseitige Fragebogen beinhaltete 18 Fragen, bei vier Fragen waren Freitextangaben möglich. Die Dokumentation erfasste neben demographischen Angaben die Gründe für die Einnahme des Mittels (Art der Beschwerden), die verwendete Dosierung und Dauer der Anwendung, Wirksamkeit und Anwenderzufriedenheit, Angaben zur Alltagsbelastung auf Grund der Beschwerden sowie zur Verträglichkeit.
Zur Erfassung der Verträglichkeit wurden die während der Anwendung aufgetretenen Nebenwirkungen, die vom Anwender auf die Einnahme des Präparats zurückgeführt wurden, abgefragt. Die Wirksamkeit bewerteten die Anwender zum einen anhand der Kriterien »sehr gut«, »gut«, »mäßig« und »schlecht«. Zum anderen wurde die Dauer der Wirkung erfasst. In der Schweiz wurde zusätzlich der Schweregrad der Beschwerden im zeitlichen Verlauf nach der initialen Anwendung dokumentiert. Dazu beurteilten die Anwender vor der ersten Einnahme sowie 15, 30, 45, 60, 90 und 120 Minuten danach die Stärke der Beschwerden. Daten zur Wiederverwendung bei ähnlichen Beschwerden und zur Verwendung anderer ASS-Präparate wurden zur Bewertung der Anwenderzufriedenheit herangezogen.
Zur Erfassung der möglichen Auswirkungen auf die Lebensqualität wurden die Anwender zu vorhandenen Einschränkungen bei der Arbeit oder anderen alltäglichen Beschäftigungen auf Grund ihrer Beschwerden befragt. Außerdem sollten sie einschätzen, ob sie die Arbeit oder andere Alltagsbeschäftigungen durch die Einnahme des Präparates schneller wieder aufnehmen konnten. Alle Ergebnisse wurden, entsprechend des Designs der Anwendungsbeobachtung, deskriptiv dargestellt.
Ergebnisse der Befragung
Insgesamt 2409 ausgefüllte Fragebögen wurden von 523 deutschen Apotheken oder den Anwendern selbst zurückgesendet. 145 Apotheken und Drogerien aus der Schweiz schickten insgesamt 512 Dokumentationen zurück. Der Rücklauf der Fragebögen betrug somit 77 Prozent für Deutschland und 59 Prozent für die Schweiz. Im Mittel lieferte jede Apotheke in Deutschland 4,6 Fragebögen (Schweiz: 3,5 Fragebögen).
In Deutschland nahmen 1690 Frauen und 714 Männer an der Erhebung teil, in der Schweiz 340 Frauen und 167 Männer. Der jüngste Anwender war 14, der älteste 92 Jahre alt (Schweiz: 15 und 87 Jahre). Tabelle 1 zeigt eine Übersicht der demographischen Angaben.
Tabelle 1: Demographische Angaben der Teilnehmer
Kenngröße Deutschland Schweiz teilnehmende Apotheken/Drogerien 523 145 Rücklauf Fragebögen 2409 512 weibliche Anwender 1690 (70,3%)* 340 (67,1 %)* durchschnittliches Alter in Jahren 41,1 ± 15,1 44,5 ± 17,1 Body-Mass-Index in kg/m2 24,0 ± 3,9 23,6 ± 4,2*) adjustierte Prozentangaben ohne Fehlwerte
Häufigste Beschwerden
Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz wurde das Präparat bei einer Vielzahl von Beschwerden eingesetzt. Die am häufigsten genannten waren Kopfschmerzen und erkältungsbedingte Beschwerden, die von 80,0 Prozent (Schweiz: 73,8 Prozent) sowie 32,3 Prozent aller Anwender (Schweiz: 22,5 Prozent) angegeben wurden. In Abbildung 1 [nur in der Druck-Ausgabe] sind die aktuellen Beschwerden der Anwender beider Länder dargestellt.
Dosierung und Dauer
Die durchschnittliche Dosierung bei der ersten Anwendung betrug 1,4 ± 0,6 Tabletten (Schweiz: 1,3 ± 0,5 Tabletten), wobei 60,0 Prozent der Anwender eine und 38,7 Prozent zwei Tabletten einnahmen (Schweiz: 67,0 Prozent und 32,4 Prozent). Etwas mehr als die Hälfte nahmen im Verlauf der Erkrankung erneut das Medikament ein (Deutschland: 52,5, Schweiz: 55,6 Prozent). Die erneute Einnahme erfolgte im Mittel 6,0 ± 5,1 Stunden nach der ersten Anwendung (Schweiz: 5,6 ± 3,9 Stunden); die Dosierung war identisch wie bei der Erstanwendung.
Die Behandlung der aktuellen Beschwerden wurde im Durchschnitt über 1,3 ± 2,7 Tage in Deutschland und über 1,3 ± 1,5 Tage in der Schweiz fortgeführt. Die Gesamtzahl der eingenommenen Tabletten betrug durchschnittlich 4,6 ± 5,7 in Deutschland und 4,3 ± 5,0 in der Schweiz.
Gute Wirksamkeit
87,1 Prozent der deutschen und 87,6 Prozent der schweizerischen Anwender attestierten dem Präparat eine sehr gute oder gute Wirksamkeit (Abbildung 2 [nur in der Druck-Ausgabe]). 11,3 Prozent der Anwender bewerteten sie als mäßig (Schweiz: 10,7 Prozent). Nur 1,6 Prozent der Teilnehmer in Deutschland (39 Personen) und 1,8 Prozent in der Schweiz (9 Personen) betrachteten die Wirksamkeit als schlecht.
In der Schweiz dokumentierten die Studienteilnehmer zusätzlich den zeitlichen Verlauf des Schweregrads der Beschwerden. Die Angaben sollten anhand der vorgegebenen Kriterien »keine Beschwerden«, »leichte Beschwerden«, »mittelstarke Beschwerden« und »starke Beschwerden« erfolgen. Vor der Anwendung von ASS wurde am häufigsten die Kategorie »starke Beschwerden« genannt (54,9 Prozent der Teilnehmer). Bereits 15 Minuten nach der ersten Einnahme war der Anteil von Patienten mit starken Beschwerden deutlich zurückgegangen, nach 30 Minuten betrug deren Anteil nur noch 7,1 Prozent. Nach 120 Minuten hatten noch 2,4 Prozent der Befragten starke Beschwerden (Abbildung 3 [nur in der Druck-Ausgabe]).
Ein Vorher-nachher-Vergleich zwischen der ersten und letzten Bewertung der Stärke der Beschwerden (15 und 120 Minuten nach Einnahme) zeigte, dass bei 91,7 Prozent aller Teilnehmer eine Besserung ihrer Beschwerden eintrat.
Die Angaben der deutschen und schweizerischen Patienten zur Wirkdauer des Präparats unterschieden sich nicht (Abbildung 4 [nur in der Druck-Ausgabe]). Es wurde eine mittlere Wirkdauer von 5,1 ± 2,9 sowie 5,3 ± 3,0 Stunden (Schweiz) angegeben. Etwa 40 Prozent der Teilnehmer aus Deutschland und 44 Prozent derjenigen aus der Schweiz gaben eine Wirkdauer von über 5 Stunden an, davon 18 (Deutschland) und 22 Prozent (Schweiz) über 8 Stunden.
Lebensqualität der Patienten
Die meisten Patienten fühlten sich bei der Arbeit oder anderen alltäglichen Beschäftigungen durch ihre Beschwerden leicht (Deutschland: 43,4, Schweiz: 44,2 Prozent) oder mittelmäßig (Deutschland: 24,2, Schweiz: 20,2 Prozent) eingeschränkt. Lediglich 23,3 Prozent der deutschen und 26,8 Prozent der schweizerischen Studienteilnehmer gaben an, keiner Einschränkung zu unterliegen.
84,9 Prozent der deutschen und 80,6 Prozent der schweizerischen Befragten konnten durch die Einnahme des Medikamentes ihre Arbeit oder andere Beschäftigungen schneller wieder aufnehmen, als dies ohne das Medikament der Fall gewesen wäre.
Verträglichkeit
Bei der Auswertung wurden die von den Anwendern als Freitext genannten Nebenwirkungen gemäß WHO-ART (Adverse Reaction Terminology) (11) codiert. Insgesamt 13,1 Prozent der Befragten aus Deutschland (315 Anwender) und 8,4 Prozent aus der Schweiz (43 Anwender) gaben während der Selbstbehandlung Nebenwirkungen an (Tabelle 2 [nur in der Druck-Ausgabe]). Am häufigsten (11,5 Prozent, das entspricht 277 Nennungen) wurden dabei den Gastrointestinaltrakt betreffende Nebenwirkungen wie Magenbeschwerden und Übelkeit erwähnt (Schweiz: 6,3 Prozent, 32 Nennungen). Schwerwiegende Nebenwirkungen wie Blutungen oder Ulcera wurden nicht berichtet.
Die Anwender wurden auch gebeten, die Verträglichkeit zu beurteilen. Der überwiegende Teil (N = 473; 93,3 Prozent) der schweizerischen Teilnehmer beurteilte diese als sehr gut oder gut, davon 43,0 Prozent (N = 218) als sehr gut und 50,3 Prozent (N = 255) als gut. 6,5 Prozent (N = 33) bezeichneten die Verträglichkeit als mäßig und ein Verwender (0,2 Prozent) als schlecht. In Deutschland gaben 89,6 Prozent (N = 2182) eine sehr gute oder gute Verträglichkeit an, davon 34 Prozent (N = 816) sehr gut und 55,6 Prozent (N = 1336) gut. Lediglich 9,5 Prozent (N = 227) sowie 0,9 Prozent (N = 22) beurteilten die Verträglichkeit als mäßig oder schlecht (Abbildung 5 [nur in der Druck-Ausgabe]).
Die gute Verträglichkeit des Präparats führte offensichtlich zu einem hohen Zufriedenheitsgrad der Anwender, denn fast alle Teilnehmer würden dieses Präparat zur Behandlung ähnlicher Beschwerden wieder verwenden (Deutschland: 89,1, Schweiz: 93,3 Prozent). Zwei Drittel der deutschen und die Hälfte der Teilnehmer aus der Schweiz verwenden auch andere ASS-Präparate. Am häufigsten erwähnt wurden Aspirin® plus C (Deutschland) und Aspirin® C (Schweiz).
Diskussion der Ergebnisse
Anwendungsbeobachtungen in der Apotheke (Deutschland) sowie in der Apotheke/Drogerie (Schweiz) als Sonderform der pharmakoepidemiologischen Beobachtungsstudien dienen der Generierung von Daten zu Verträglichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln in der Selbstmedikation. Sie ermöglichen im Gegensatz zu kontrollierten klinischen Studien die Sammlung von Erkenntnissen zur praktischen Anwendung dieser Arzneimittel im Alltag, die der Anwender in der Regel eigenverantwortlich ohne ärztliche Anleitung vornimmt. Die Erhebung der Daten zum Krankheitsverlauf erfolgt hauptsächlich durch Selbstdokumentation des Patienten.
Um die Ergebnisse nicht randomisierter und placebokontrollierter Beobachtungsstudien hinsichtlich ihrer Validität zu bewerten, wird üblicherweise ein Vergleich zu Daten aus klinischen Studien herangezogen (12).
In der vorliegenden Studie wurde die Wirksamkeit des ASS-Medikaments von 87,1 Prozent der deutschen Anwender als sehr gut oder gut beurteilt. Mit 87,6 Prozent fiel diese Beurteilung bei den Schweizern fast identisch aus. Die Ergebnisse zur durchschnittlichen Wirkdauer waren zwischen beiden Ländern mit 5,1 (± 2,9) Stunden in Deutschland und 5,3 (± 3,0) Stunden in der Schweiz ebenfalls gut vergleichbar.
Im Vergleich zu Ergebnissen einer klinischen Studie von Steiner an 542 Anwendern mit episodischem Spannungskopfschmerz fällt die Wirksamkeitsbeurteilung sehr gut aus (2). Anwender der klinischen Studie beurteilten die Wirksamkeit anhand ähnlicher Kategorien (sehr gut, gut, ich habe keine Meinung zur Therapie, die Therapie ist schlecht, die Therapie ist sehr schlecht) wie in der vorliegenden Untersuchung. In den Dosierungen 1000 mg und 500 mg ASS lag der Anteil der sehr guten und guten Bewertungen bei 52,4 (1000 mg) beziehungsweise 42,3 Prozent (500 mg).
Zu berücksichtigen ist, dass in der AWB etwas mehr als die Hälfte der Anwender nach der initialen Anwendung erneut ASS einnahm, während in der klinischen Studie das Präparat als Einzeldosis genommen wurde. Die damit verbundene höhere Gesamtdosis kann zu einer besseren Wirksamkeit und Beurteilung der Therapie insgesamt geführt haben. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass viele Teilnehmer der AWB bereits positive Vorerfahrungen mit dem Medikament gemacht haben, das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Wirksamkeit höher liegt als in einer randomisierten klinischen Studie. Auch das Fehlen einer Placebokontrolle kann sich im Sinne einer höheren Ansprechrate auswirken, wie eine kürzlich publizierte Untersuchung zeigte (13).
Zu den wichtigsten Zielen einer AWB gehört die Dokumentation von Sicherheit und Verträglichkeit des untersuchten Präparats. Fisher und Bryant (14) bewerteten den Ansatz der selbstständigen Dokumentation von Nebenwirkungen durch den Anwender im Rahmen apothekengestützter Studien schon vor mehr als zehn Jahren als eine viel versprechende Methode bei der Aufdeckung unerwünschter Arzneimittelwirkungen.
In der vorliegenden AWB gaben 13,1 Prozent der deutschen und 8,4 Prozent der schweizerischen Anwender Nebenwirkungen nach Einnahme von ASS an, wobei am häufigsten gastrointestinale Beschwerden berichtet wurden. Die Nebenwirkungsraten erscheinen zunächst recht hoch, sind aber mit den Häufigkeiten von unerwünschten Ereignissen (UE) aus klinischen Studien gut vergleichbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass unerwünschte Ereignisse jede Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten ohne eine Bewertung eines etwaigen kausalen Zusammenhangs mit der Medikation darstellen. Somit sind auch Ereignisse enthalten, bei denen ein kausaler Zusammenhang nicht besteht, sodass die Häufigkeit von Nebenwirkungen mit zumindest möglichem kausalen Zusammenhang mit der Einnahme des Prüfpräparats in Wirklichkeit niedriger ist. Bei den Ergebnissen der Apotheken-/Drogerie-gestützten AWB ist zudem keine »Relativierungsmöglichkeit« für die Häufigkeit der Nebenwirkungen gegeben, da eine Placebokontrolle fehlt.
Lange und Mitarbeiter untersuchten die Wirksamkeit und Verträglichkeit von 1000 mg Acetylsalicylsäure in der Behandlung akuter Migräneattacken in einer doppelblinden placebokontrollierten Studie (1). Unerwünschte Ereignisse traten bei 8,3 Prozent der Anwender auf. Am häufigsten waren dies generalisierte Störungen wie Fieber und das Verdauungssystem betreffende Ereignisse. Nur in einem Fall (0,6 Prozent) wurde das unerwünschte Ereignis vom behandelnden Arzt als Arzneimittelnebenwirkung gewertet.
In einer aktuellen klinischen Studie von Diener und Mitarbeitern mit 433 Patienten zur Behandlung von Migräne-Kopfschmerzen zeigte sich eine UE-Rate von 12,9 Prozent unter 1000 mg Acetylsalicylsäure und 10,5 Prozent unter Placebo (3). Ein möglicher Kausalzusammenhang zur Medikation wurde jedoch nur bei 4,7 Prozent der Anwender (Placebo: 3,9 Prozent) vermutet. Nahezu identische Nebenwirkungsraten wurden in einer weiteren placebokontrollierten Vergleichsstudie mit 1000 mg Acetylsalicylsäure in derselben Indikation berichtet (4). 4,1 Prozent der Patienten unter Acetylsalicylsäure und 4,5 Prozent der Patienten in der Placebogruppe berichteten über Nebenwirkungen.
Vergleichbare Daten liefert auch eine Meta-Analyse von 60 randomisierten Studien zur Sicherheit und Verträglichkeit von ASS bei der Behandlung von akuten Schmerzen (15). Die gewählten Dosierungen lagen zwischen 600 und 1200 mg ASS als Einzeldosis. Unerwünschte Ereignisse wurden hier bei 12 Prozent der ASS-Anwender registriert. Die häufigsten Nennungen waren Schwindel, Schläfrigkeit sowie gastrointestinale Störungen. Die Häufigkeit von UE unter Placebo lag bei 10 Prozent.
Eine aktuelle Meta-Analyse von neun randomisierten placebokontrollierten klinischen Studien mit insgesamt 2852 Patienten zur Sicherheit und Verträglichkeit von 1000 mg ASS als Einzeldosis in der Behandlung von Migräne, Spannungskopfschmerzen und Zahnschmerzen ergab eine Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen von 14,9 Prozent unter Verum und 11,1 Prozent unter Placebo (16). Ein möglicher Kausalzusammenhang zur Medikation oder zu Placebo wurde nur bei 6,5 sowie 4,0 Prozent der Anwender angegeben. Hiervon waren lediglich 3,1 Prozent (Verum) sowie 2,1 Prozent (Placebo) arzneimittelbezogene gastrointestinale Nebenwirkungen. Diese Befunde belegen die gute Verträglichkeit der Acetylsalicylsäure. Die Differenz zwischen den durch ASS und Placebo hervorgerufenen Nebenwirkungen dürfte bei maximal 2 bis 3 Prozent liegen.
Nebenwirkungen nach Placebogabe sind nicht selten: Eine Analyse von 109 doppelblinden placebokontrollierten Studien mit 1228 Probanden erbrachte eine Nebenwirkungsrate von 19 Prozent; die häufigsten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen, Müdigkeit/Abgeschlagenheit, Übelkeit und Bauchschmerzen (17). In einer Analyse mehrerer klinischer Studien zur Behandlung von Kopfschmerzen mit nicht steroidalen Antiphlogistika (NSAID) traten nach der Gabe von Placebo bei durchschnittlich 10 Prozent (± 5 Prozent) der Anwender unerwünschte Ereignisse wie Übelkeit, Erbrechen, Schwindel oder Müdigkeit auf (18).
In einer Publikation von Evans wird dieser »Noceboeffekt« erläutert (19). Während der Placeboeffekt auf der Erwartung einer positiven Wirkung nach einer therapeutischen Maßnahme beruht, beschreibt der Noceboeffekt eine erwartete negative Wirkung. Dies ist häufig dann der Fall, wenn Anwender beispielsweise durch vorgegebene Antwortmöglichkeiten auf dem Fragebogen oder das Lesen des Beipackzettels auf Nebenwirkungen aufmerksam gemacht oder vor bestimmten Nebenwirkungen gewarnt werden.
Bei der kurzzeitigen Anwendung für die Behandlung von akuten Schmerzen im Rahmen der Selbstmedikation erwies sich Acetylsalicylsäure als ebenso gut verträglich wie Paracetamol und Ibuprofen (2, 4, 20-22). Weitere Studien haben gezeigt, dass ASS ein im Vergleich zu anderen Schmerz- und Rheumamedikamenten besonders günstiges Nebenwirkungsprofil besitzt (23). Eine Ursache hierfür könnte die Aktivierung gewebeprotektiver Signalwege, zum Beispiel der endothelialen NO-Synthase, sein, die unter dem Einfluss von ASS, nicht aber anderer NSAIDs beobachtet wird (24, 25).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Häufigkeit von Nebenwirkungen in der dargestellten AWB in der gleichen Größenordnung liegt wie die Anzahl unerwünschter Ereignisse in klinischen Studien mit Acetylsalicylsäure. Es ist aber mit einer Überschätzung der Häufigkeit der Nebenwirkungen zu rechnen. Auf Grund der fehlenden ärztlichen Bewertung, der fehlenden Placebokontrolle und des möglichen Auftretens eines Noceboeffekts kann man davon ausgehen, dass nicht alle der von den Anwendern genannten Nebenwirkungen tatsächlich mit der Medikation in kausalem Zusammenhang stehen. Schwer wiegende Nebenwirkungen wurden wegen der kurzzeitigen Anwendung in dieser AWB erwartungsgemäß nicht berichtet.
Fazit
Die vorliegende Untersuchung unterstreicht die gute Wirksamkeit der eigenverantwortlichen Anwendung von Acetylsalicylsäure bei akuten Schmerzen und Fieber. Die schnell einsetzende Wirkung, lange Wirkdauer sowie die positiven Effekte bezüglich der Lebensqualität der Anwender führen zu einer großen Zufriedenheit der Anwender.
Etwa 90 Prozent der Studienteilnehmer bewerteten sowohl die Wirksamkeit als auch die Verträglichkeit des Präparats als sehr gut oder gut. Die Häufigkeit der mit der Einnahme in direktem kausalen Zusammenhang stehenden Nebenwirkungen lässt sich auf Grund der fehlenden Bewertungsmöglichkeit im Rahmen einer AWB nicht exakt bestimmen; zudem ist keine Möglichkeit des Vergleichs mit Placebo gegeben. Die in dieser Untersuchung berichteten Nebenwirkungen liegen in der gleichen Größenordnung wie die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse in neueren randomisierten klinischen Studien und Meta-Analysen, die die gute Verträglichkeit von Acetylsalicylsäure in der kurzzeitigen Anwendung bei akuten Schmerzzuständen in Dosierungen von 500 bis 1000 mg belegen. In diesen Studien war eine placebobereinigte Nebenwirkungsrate von etwa 2 bis 3 Prozent beobachtet worden.
Vergleichbare valide Studiendaten In einer pharmakoepidemiologischen Beobachtungsstudie in Apotheken in Deutschland sowie Apotheken und Drogerien in der Schweiz wurden Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit im Rahmen der eigenverantwortlichen Anwendung von Aspirin® bei akuten Schmerzzuständen und Fieber generiert.
Kopfschmerzen sowie erkältungsbedingte Beschwerden nannten die Anwender als häufigste Anwendungsgebiete. 87 Prozent attestierten dem Präparat eine sehr gute oder gute Wirksamkeit. 84,9 Prozent der Anwender aus Deutschland und 80,6 Prozent der schweizerischen Anwender konnten durch die Einnahme ihre Arbeit oder andere alltägliche Beschäftigungen schneller wieder aufnehmen, als dies ohne Medikation möglich gewesen wäre. 89 Prozent (Schweiz: 93 Prozent) würden das Medikament bei ähnlichen Beschwerden wieder einnehmen. 13,1 Prozent der deutschen und 8,4 Prozent der schweizerischen Teilnehmer gaben Nebenwirkungen an. Es ist jedoch davon auszugehen, dass nur bei einem Teil der Nennungen ein kausaler Zusammenhang zur Einnahme des Analgetikums besteht, da - anders als bei kontrollierten klinischen Studien - keine Möglichkeit zur objektiven Bewertung einer möglichen Kausalität durch den Arzt besteht.
Die insgesamt für beide Länder gut vergleichbaren Ergebnisse weisen auf valide Angaben der Anwender hin. Die mittels Apotheken- und Drogerie-basierter Anwendungsbeobachtung erhobenen Daten stellen eine sinnvolle Ergänzung der Erkenntnisse aus klinischen Studien hinsichtlich der Anwendung von Acetylsalicylsäure in der Selbstmedikation dar.
Pharmakoepidemiologische Beobachtungsstudien wie die vorliegende apothekenbasierte Anwendungsbeobachtung liefern wichtiges Erkenntnismaterial zur Wirksamkeit, Verträglichkeit und Arzneimittel-Utilisation bei der eigenverantwortlichen Selbstmedikation. Die Validität der Daten konnte durch einen Vergleich der Ergebnisse aus Deutschland und der Schweiz sowie mit den Resultaten aus kontrollierten klinischen Studien gezeigt werden. Die apothekenbasierte AWB verifiziert die Ergebnisse klinischer Prüfungen unter den Alltagsbedingungen der Selbstmedikation und stellt somit ein wertvolles Instrument der Arzneimittelforschung dar.
Literatur
Für die Verfasser:
Professor Dr. Henning Schröder
Martin-Luther-Universität
Institut für Pharmakologie und Toxikologie für Naturwissenschaftler
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