Amyloid-Plaques - falsch geschnittene Proteine |
21.04.2003 00:00 Uhr |
Amyloid-Ablagerungen sind ein charakteristisches Merkmal der Alzheimer Erkrankung. Wie es zu diesen „Protein-Klumpen“ kommt, war ein Forschungsschwerpunkt des belgischen Wissenschaftlers Bart De Strooper. Jetzt wurde er mit dem Alois Alzheimer Award 2002 ausgezeichnet.
Weltweit leiden bereits heute 29 Millionen Menschen an einer Alzheimer-Demenz, 2020 werden es allein in Europa 80 Millionen sein. Schuld an den dramatischen Veränderungen sind fehlerhafte Stoffwechselvorgänge, von denen man inzwischen weiß, wie sie ablaufen, aber nicht warum. Der krankhafte Prozess wird durch zahlreiche kleine Störungen in Gang gesetzt, die in eine gemeinsame Endstrecke münden: Das Amyloid-Precursor-Protein (APP), das auf der Membran der Nervenzellen aufsitzt, wird an einer falschen Stelle getrennt. Beim richtigen Schnitt entstehen lösliche, unschädliche Bruchstücke; bei Alzheimer-Patienten wird das Protein jedoch an den falschen Stellen getrennt. Dadurch entstehen Fragmente, die sich zu neurotoxischen Amyloid-Klumpen zusammen lagern.
Die fehlerhaften Protein-Ablagerungen beeinträchtigen die Langzeitpotenzierung, durch die Nervenzellen ihre Verbindungsstellen zu anderen Nervenzellen dauerhaft stärken können - ein wichtiger Schritt beim Abspeichern von Informationen.
Der falsche Schnitt
Die Schuld an dem falschen Schnitt wird zwei Enzymen zugeschrieben: der Beta-Sekretase und der Gamma-Sekretase. Die Beta-Sekretase schneidet an dem N-Terminus der Beta-Domäne des Vorläuferproteins APP, während die Gamma-Sekretase den C-terminalen Schnitt vermittelt.
Die Gamma-Sekretase steht im Mittelpunkt der Forschung von Professor Bart De Strooper, der an der flämischen Universität von Leuwen lehrt. Der von Novartis Pharma Nürnberg gestiftete Alois Alzheimer Award ist mit 20.000 US-Dollar dotiert und würdigt neue Erkenntnisse zur Entstehung, Diagnostik oder Therapie der Alzheimer Erkrankung. De Strooper erhält die Auszeichnung für seine Erkenntnisse über die Zusammenhänge des Amyloid-Precursor-Proteins und der Gamma-Sekretase. Er hatte gezeigt, dass die Eiweißmoleküle Presenilin-1 und -2 Bestandteile essentiell an der Aktivität der Sekretasen beteiligt sind. So konnte das Team um De Strooper an Knockout-Mäusen, die über kein Presenilin-1-Gen verfügten, nachweisen, dass es ohne Presenilin-1 zu einer dramatischen Zunahme von C-terminalen Fragmenten des Amyloid-Vorläufer-Proteins kommt: Die Gamma-Sekretase war offensichtlich sehr viel weniger aktiv.
Die pathologische Schere als Target
Bisher setzen fast alle Wirkstoffe zur Behandlung von Morbus Alzheimer bei dem gestörten Acetylcholinstoffwechsel an: Amyloid-Plaques enthalten hohe Konzentrationen an Acetylcholinesterase, dem Enzym, das für die Freisetzung von Acetylcholin zuständig ist. Dadurch treten vor allem im cholinergen System Defizite auf. Acetylcholin fehlt, weil das abbauende Enzym Acetylcholinesterase zu aktiv ist, ein Prozess, der durch Cholinesterase-Hemmstoffe unterbunden wird.
Auf der Basis der neuen Forschungsergebnisse könnten in Zukunft Wirkstoffe entwickelt werden, die die molekulare Schere Gamma-Sekretase blockieren und so in die pathologische Plaque-Bildung eingreifen.
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