Gütesiegel für Hautpflegemittel |
02.04.2001 00:00 Uhr |
GD-JAHRESTAGUNG
von Bettina Neuse-Schwarz, Zürich
Die Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) bietet ab sofort Gütesiegel für dermopharmazeutische Produkte an, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Mit dieser Neuerung überraschte die Gesellschaft bei ihrer 5. Jahrestagung am 27. und 28. März in Zürich.
Über 120 Teilnehmer aus Industrie, Hochschulen und öffentlichen Apotheken waren in die Schweizer Universitätsstadt gekommen, um sich über Fortschritte auf dem Gebiet der dermopharmazeutischen Chemie, der pharmazeutischen Technologie, der Dermokosmetik, Dermatopharmakologie und -therapie zu informieren und zu diskutieren.
"In 100 Jahren wird der Arzt keine Medikamente mehr verordnen, sondern seine Patienten allein durch präventive Maßnahmen gesund erhalten." Diese These von Thomas E. Edison, dem Erfinder der Glühbirne, der von 1847 bis 1931 lebte, ist bis heute Zukunftsmusik und die Wahrscheinlichkeit, dass der Ausspruch innerhalb der nächsten 30 Jahre Realität wird, ist eher gering. Professor Dr. Gerd Folkers, Zürich, zeigte sich in seinem Eröffnungsvortag zur fünften GD-Jahrestagung dennoch überzeugt, dass sich in der Medikamentenentwicklung bereits jetzt ein Paradigmenwechsel abzeichnet. Zwar stammen derzeit noch fast alle wirksamen Arzneimittel aus der Natur oder leiten sich aus deren chemischen Strukturen ab. In der Pharmaforschung habe sich aber bereits jetzt ein Wandel in Richtung einer molekularen Vorgehensweise bei der Arzneistoffentwicklung vollzogen, erklärte er. Dabei stehe als Arzneimittelwirkung die Erkennung einer auf molekularer Ebene definierten Zielstruktur im Organismus im Vordergrund, in der Regel sei dies ein Eiweiß. Als ein Beispiel für den Wandlungsprozess führte Folkers die Identifizierung eines Psychopharmakons als potentiellen Inhibitor der HIV-Protease bei HIV Mitte der 90er Jahre an.
Das wissenschaftlichen Programm der GD-Veranstaltung reichte von Aspekten der Vehikeloptimierung und Methoden wie der Corneosurfametrie zur Erfassung von Hautirritationen bis hin zu aktuellen Aspekten der EU-Kosmetik-Gesetzgebung oder der genomischen Analyse von Arzneimittelwirkungen. Als neue antiinflammatorische Wirkstoffklasse wurden in Zürich die Ascomycine vorgestellt. Im Tierversuch habe sich eine hohe antiinflammatorische Wirkung bei gleichzeitig niedrigem immunsuppressiven Potenzial gezeigt, sagte Professor Dr. Anton Stütz vom Wiener Novartis Forschungsinstitut. Auch klinische Studien laufen bereits. Gestestet werden Ascomycine unter anderem für die Indikationen allergische Kontaktdermatits, atopische Dermatitis und chronische Plaque-Psoriasis.
Zertifizierung für mehr Übersicht
Zurück zum geplanten Gütesiegel der GD: Man wolle mit diesem Schritt ein Zertifizierungssystem für qualitätsgeprüfte Dermokosmetika einführen, erklärte Professor Dr. Rolf Daniels aus Braunschweig, Leiter der Fachgruppe Dermokosmetik der GD. Ziel sei es, die Übersicht auf dem Kosmetikamarkt für alle Beteiligten, Verbraucher wie auch beratende Fachleute zu verbessern.
Die seit rund drei Jahren tätige Fachgruppe für Dermokosmetik habe es sich zur Aufgabe gemacht, für bestimmte Dermokosmetikagruppen erstmals Qualitätsanforderungen zu beschreiben, so Daniels. Diese werden in Form von Leitlinien zusammengefasst und sollen Grundlage für das neue Zertifizerungssystem sein. Bis heute existieren allerdings erst zwei solcher Leitlinien: eine für Reinigungs- und eine für Pflegemittel bei trockener Haut.
Vorgesehen ist, dass Hersteller, deren Produkte den GD-Qualitätsanforderungen entsprechen, bei der Gesellschaft die Zertifizierung und das Gütesiegel beantragen können. Die Qualitätsprüfung werde dann von unabhängigen Experten vorgenommen, erklärte Daniels bei der anschließenden Pressekonferenz. Obwohl die Kosten für das Verfahren zu Lasten der beantragenden Herstellerfirmen gehen, sei das Interesse der Industrie an dem Vorschlag der GD bereits jetzt groß, fügte Dr. Joachim Kresken aus Viersen, Vorsitzender der GD, hinzu. Manche Firmen hätten den Wunsch geäußert, das Zertifizierungsverfahren möglichst schon bis zum Herbst zu durchlaufen.
In Ermangelung weiterer Qualitätsleitlinien können die Gütesiegel zunächst allerdings nur für Reinigungs- und Pflegeprodukte für trockene Haut beantragt werden. Nach und nach sollen entsprechende Leitlinien aber für möglichst viele Dermokosmetikagruppen erarbeitet werden, versprach Daniels. "In Sachen Lichtschutz ist bereits eine in Planung."
Die Zertifizierung ist nach seinen Worten eine logische Konsequenz, um die von der GD erarbeiteten Qualitätsanforderungen auch zum Verbraucher zu transportieren. Die Konsumenten sollten sich bei der Auswahl ihrer Dermokosmetika in Zukunft daran orientieren, ob die Herstellerfirmen den Nutzen ihrer Produkte anhand fundierter Untersuchungsergebnisse belegen können, so die Intention der GD. Gleiches solle auch für die Produktempfehlungen des beratenden Fachpersonals, etwa in der Apotheke, gelten. Die Gütesiegel können dabei als Orientierungshilfe dienen, so Daniels.
Interdisziplinarität und Praxisbezug
Ein wichtiges Anliegen der GD sei es, die Zusammenarbeit zwischen Pharmazeuten und Dermatologen zu verstärken, betonte Privatdozent Dr. Christian Surber vom Institut für Spital-Pharmazie am Kantonsspital Basel, wissenschaftlicher Tagungsleiter der GD-Jahrestagung. In diesem Sinne zeigte er sich bei der Pressekonferenz mit dem Verlauf der Veranstaltung zufrieden. Neben wissenschaftsorientierten Themen sei es auch Aufgabe der GD, sich mit praxisrelevanten Problemen zu befassen, betonte Dr. Joachim Kresken vor der Presse. Dazu gehöre beispielsweise der Hinweis auf verbreitete Erkrankungen wie Fußpilz (Tinea pedis).
In der einen oder anderen Form ist in den Industrienationen davon etwa jeder Dritte betroffen, so das Ergebnis der europäischen Achilles-Studie, die Kresken zitierte. Rund 10 Prozent der Bevölkerung leiden an Pilzerkrankungen der Zehenzwischenräume, etwa 10 Prozent an Pilzerkrankungen der Zehennägel und weitere 10 Prozent an einer Kombination aus beidem. Zur Fußpilzbehandlung verwies Kresken unter anderem auf das in Deutschland seit Anfang des Jahres aus der Verschreibungspflicht entlassene Terbinafin; die Palette der rezeptfreien Antimykotikazubereitungen werde damit um eine Substanz erweitert.
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