Kein Nutzen für die Lebensqualität |
24.03.2003 00:00 Uhr |
von Brigitte M. Gensthaler, Eschborn
Die Women’s Health Initiative-(WHI)-Studie hat bereits im letzten Jahr für Ernüchterung gesorgt: Eine Hormonersatztherapie bei postmenopausalen Frauen birgt erhebliche Gesundheitsgefahren. Jetzt zeigt eine Datenauswertung, dass die Hormone - entgegen der weit verbreiteten Meinung - auch die Lebensqualität nicht positiv beeinflussen.
Ziel der WHI-Studie war es, das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer Hormonersatztherapie (hormone replacement therapy, HRT) zu prüfen. Dazu erhielten 16.608 gesunde Frauen zwischen 50 und 79 Jahren täglich 0,625 mg konjugierte equine Estrogene (equin: vom Pferd) und 2,5 mg Medroxyprogesteronacetat – eine in Amerika gebräuchliche Kombination – oder Placebo. Die Lebensqualität wurde zu Beginn der Studie und nach einem Jahr bei allen Frauen und nach fünf Jahren bei einer Gruppe von 1511 Frauen erfragt. Das Augenmerk lag unter anderem auf der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen, Sexualleben, kognitiven Funktionen und anderen Wechseljahrsbeschwerden.
Die Studie sollte ursprünglich 8,5 Jahre lang laufen. Wegen erhöhter Gesundheitsrisiken wurde jedoch der Studienarm mit der Hormonkombitherapie nach durchschnittlich 5,2 Jahren vorzeitig gestoppt; der Studienteil, in dem hysterektomierte Frauen nur Estrogene erhielten, lief weiter (1, 2). In der HRT-Gruppe traten vermehrt Herzinfarkte, Schlaganfälle, venöse Thromboembolien und Mammakarzinome auf.
Auch in punkto Lebensqualität brachte die Hormonkombination den Frauen keinen Vorteil (3). Sie konnte weder die allgemeine Gesundheit noch Einschränkungen im Alltagsleben, Vitalität, kognitive Fähigkeiten, depressive Symptome oder die sexuelle Zufriedenheit nachweisbar verbessern. Statistisch signifikante, kleine Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe nach dem ersten Jahr waren klinisch nicht relevant. Als einzige Subgruppe berichteten Frauen zwischen 50 bis 54 Jahren, die anfangs unter moderaten bis schweren vasomotorischen Störungen wie Hitzewallungen und nächtlichem Schwitzen litten, über eine Linderung: Sie konnten besser schlafen.
Die Ergebnisse der WHI-Studie lassen sich nicht uneingeschränkt auf alle Frauen übertragen; möglicherweise gelten sie nicht für Frauen mit starken postmenopausalen Beschwerden, die eine Behandlung wünschen, räumen die Autoren um Dr. Jennifer Hays vom Department of Medicine, Houston, ein. Dennoch ziehen sie ein klares Fazit: Die HRT bringt keinen nennenswerten klinischen Nutzen für die Lebensqualität. Bei den meisten Frauen überwiegen mögliche Gesundheitsrisiken.
In ihrem Kommentar (4) urteilt Dr. Deborah Grady von der University of California, San Francisco, ähnlich: Die Hormontherapie sei bei Frauen ohne Wechseljahrssymptome nicht angezeigt. Entscheide sich eine Frau auf Grund starker Hitzewallungen oder anderer vasomotorischer Beschwerden für die Einnahme, sollte man mit einer niedrigen Estrogendosis beginnen und diese langsam bis zum gewünschten Effekt steigern. Spätestens alle sechs Monate solle man versuchen, die Dosis zu reduzieren oder die Therapie zu beenden.
Literatur
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