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Ximelagatran und Melagatran

21.03.2005  00:00 Uhr
Arzneistoffprofile

Ximelagatran und Melagatran

von Thilo Bertsche, Heidelberg, und Martin Schulz*, Berlin

Mit Ximelagatran ist erstmals ein oraler Thrombinhemmer zugelassen worden. Vor allem eine fixe Dosierung und wenig Wechselwirkungen sollen Vorteile des neuen Thrombinhemmers sein.

*) unter Mitarbeit von Hartmut Morck, Rolf Thesen und Petra Zagermann-Muncke

Unter einer Thrombose versteht man den Verschluss eines Blutgefäßes durch ein Blutgerinnsel. Am häufigsten sind die tiefen Bein- und Beckenvenen betroffen. Durch Verschleppung des Thrombus droht eine Lungenembolie, die im schlimmsten Fall tödlich enden kann. Risikofaktoren sind neben längeren Liegezeiten eine erhöhte Blutgerinnungsneigung, wie nach einer Operation oder Geburt. Anfangs sind die Beschwerden oft uncharakteristisch. Hinweise auf eine Beinvenenthrombose sind spontane oder belastungsabhängige Schmerzen, die sich durch Hochlagern der Beine bessern. Typisch sind Druckschmerzen und eine Schwellung unter Zunahme des Beinumfangs. Zum Nachweis einer Thrombose und ihrer Ausdehnung eignen sich die röntgenologische Kontrastmitteluntersuchung in Form der Phlebographie und die Dopplersonographie als Ultraschalluntersuchung.

 

Arzneimittelprofil Ximelagatran ist als Exanta® auf dem Markt. Jede Filmtablette enthält 24 mg Ximelagatran. Sein wirksamer Metabolit Melagatran wird auch als Injektionslösung unter der Bezeichnung Melagatran AstraZeneca 3 mg/0,3 ml angeboten. Eine Fertigspritze mit 0,3 ml enthält 3 mg Melagatran als Melagatran-Monohydrat. Der Pharmazeutische Unternehmer ist AstraZeneca GmbH, Mitvertrieb: Promed Arzneimittel GmbH.

 

Vorrangiges Ziel ist das Vermeiden einer tiefen Venenthrombose durch eine geeignete medikamentöse oder sonstige Prophylaxe. Hierzu können vor allem Heparine, orale Antikoagulanzien, Stützstrümpfe, eine frühzeitige Mobilisierung, Krankengymnastik und das Vermeiden von Risikofaktoren (Rauchen, Übergewicht oder Einnahme von Kontrazeptiva) dienen. Des Weiteren sollte auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Zudem stehen zur Hochlagerung der Beine spezielle Venenkissen zur Verfügung. Thrombozytenaggregationshemmer wie Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel werden vor allem bei Gefahr einer arteriellen Thromboembolie eingesetzt. Mit Ximelagatran steht nun erstmals ein Thrombinhemmer zur Verfügung, der oral eingenommen werden kann (1, 2).

Thrombinhemmer gegen Embolien

Ximelagatran ist das Prodrug von Melagatran. Letzteres ist ein kompetitiver, reversibler, niedermolekularer, direkter Inhibitor der Serinprotease α-Thrombin. Dieses Enzym wandelt Fibrinogen während der Blutgerinnungskaskade in Fibrin um. Daher wirkt die Inhibition von Thrombin der Thrombenbildung entgegen. Melagatran hemmt sowohl freies als auch an Fibrin gebundenes Thrombin und folglich auch die Thrombin-induzierte Thrombozytenaggregation. Für Melagatran/Ximelagatran ist ­ im Gegensatz zu Heparinen oder Vitamin-K-Antagonisten ­ kein spezifisches Antidot bekannt.

Ximelagatran (Exanta®) und Melagatran (Melagatran AstraZeneca 3 mg/0,3 ml Injektionslösung) sind zur kurzfristigen postoperativen Prophylaxe venöser thromboembolischer Ereignisse bei Patienten, die sich einer elektiven Hüft- oder Kniegelenkersatz-Operation unterziehen müssen, zugelassen. Zunächst wird Melagatran als Injektionslösung verabreicht. Anschließend wird die Therapie mit Ximelagatran oral fortgesetzt. Frühestens nach vier Stunden und nicht später als acht Stunden nach Operationsende sollte eine Injektion von 3 mg Melagatran (0,3 ml) subkutan gegeben werden. Diese Dosis sollte ein bis zwei Tage lang zweimal täglich gegeben werden. Anschließend kann die Behandlung mit zweimal täglich einer Tablette Ximelagatran fortgesetzt werden. Die Tabletten können unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden. Die empfohlene Behandlungsdauer beträgt insgesamt acht bis elf Tage. Wegen fehlender Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit bei einer Langzeitprophylaxe über mehr als elf Tage, sollte eine Behandlung mit Melagatran/Ximelagatran nicht länger als elf Tage dauern.

Melagatran/Ximelagatran ist kontraindiziert bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion und mit stark eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min). Für Patienten mit mäßig eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance 30 bis 50 ml/min) und für Patienten über 75 Jahren liegen für die empfohlene Dosierung nur begrenzte klinische Erfahrungen vor. Die Sicherheit und Wirksamkeit ist bei Patienten unter 18 Jahre nicht untersucht worden. Bei klinisch signifikanten akuten Blutungen, Blutgerinnungsstörungen sowie Organläsionen mit Blutungsrisiko darf Melagatran/Ximelagatran nicht angewendet werden.

Orale Antikoagulanzien wie Phenprocoumon (Marcumar® und andere) sind teratogen und deswegen in der Schwangerschaft absolut kontraindiziert. Für Melagatran/Ximelagatran fehlen klinische Daten für die Anwendung bei Schwangeren. In Tierversuchen trat Reproduktionstoxizität auf. Das potenzielle Risiko für Menschen ist nicht bekannt. Melagatran wird in Spuren in die Muttermilch ausgeschieden (3, 4).

Keine Therapie ohne Monitoring

Routinetests zur Koagulation wie die Bestimmung der Prothrombinzeit (PT) und der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) sind zur Erfassung des Blutgerinnungsstatus bei therapeutischer Dosierung von Melagatran/Ximelagatran zu wenig sensitiv. Die aPTT könnte allerdings bei einigen Patienten, zum Beispiel mit Niereninsuffizienz, zur Therapieüberwachung hilfreich sein. Hauptkomplikation unter einer Therapie mit Melagatran/Ximelagatran ist das erhöhte Blutungsrisiko, weswegen im Rahmen eines therapeutischen Monitorings auf Hämatome, Epistaxis (Nasenbluten), Hämaturie oder Hämatemesis geachtet werden sollte. Intrakranielle, intraartikuläre und perikardiale Blutungen sollten bei Verdacht radiologisch ausgeschlossen werden. Postoperativ werden sehr häufig Anämien beobachtet, weshalb eine Bestimmung des Hämoglobins, Hämatokrits und der Gesamtblutzellzahl erforderlich ist, besonders wenn das Blutungsrisiko medikamentös oder erkrankungsbedingt erhöht ist.

Zentrale Nebenwirkungen wie Schwindel und Kopfschmerzen sind möglich. Nebenwirkungen am Gastrointestinaltrakt äußern sich in Übelkeit und Erbrechen; außerdem treten Durchfall, Verstopfung, Dyspepsie und Bauchschmerzen auf. Des Weiteren kommen Hautreaktionen häufig vor. Nicht zuletzt sind unterschiedlich lokalisierte Schmerzen, Fieber, periphere Ödeme, Harnretention oder Harnwegsinfekte vielfach zu beobachten.

In den der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA vorgelegten Langzeitstudien fiel eine erhebliche Lebertoxizität von Ximelagatran auf. Während der klinischen Prüfung kam es bei mindestens 37 Patienten zu schweren Leberschäden, definiert als Anstieg der GPT (Glutamat-Pyruvat-Transaminase) auf über das Dreifache der oberen Norm bei gleichzeitigem Anstieg des Gesamtbilirubins auf über das Zweifache der oberen Norm. Etwa einer von

200 Anwendern war betroffen. Drei Patienten starben in Verbindung mit der Leberschädigung, das Risiko tödlicher Leberschäden wurde auf 1:2300 beziffert. Deshalb werden eine regelmäßige Kontrolle der Transaminasen und das Absetzen der Therapie nach einem bestimmten Ablaufplan zur Minimierung des Hepatotoxizitätsrisikos empfohlen.

Daneben fiel ein gehäuftes Auftreten unerwünschter koronarer Effekte auf. In Studien zur Prävention und Therapie venöser Thromboembolien war der Anteil der Patienten mit Nebenwirkungen im Sinne einer koronaren Herzkrankheit (KHK) mit 1,7 Prozent unter Ximelagatran gegenüber 0,7 Prozent in den Kontrollgruppen signifikant erhöht. Auch Herzinfarkte kamen mit 0,7 Prozent im Vergleich zu 0,16 Prozent unter Ximelagatran signifikant häufiger vor (3-6).

Nicht miteinander kombinieren

Das Blutungsrisiko von Melagatran/Ximelagatran kann durch Vitamin-K-Antagonisten, Heparine, Fibrinolytika, GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten, Clopidogrel oder Acetylsalicylsäure gesteigert werden.

Es gibt keine Hinweise auf eine Hemmung der wichtigsten Cytochrom-P-450-Isoenzyme durch Melagatran/Ximelagatran. Da die Plasmaproteinbindung von Melagatran unter 15 Prozent liegt, sind Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln auf Grund einer Verdrängung aus der Proteinbindung unwahrscheinlich.

Weil nach gleichzeitiger Anwendung von Ximelagatran und Erythromycin AUC und Cmax des wirksamen Metaboliten Melagatran erhöht sind, könnte ein erhöhtes Blutungsrisiko bestehen. Verantwortlich für diese Interaktion ist wahrscheinlich eine Hemmung von Transportproteinen, möglicherweise P-Glykoprotein. Wechselwirkungen mit P-Glykoprotein-Inhibitoren, zum Beispiel Erythromycin, Azithromycin, Clarithromycin, Ciclosporin, die zu einer erhöhten Bioverfügbarkeit von Melagatran führen, und mit P-Glykoprotein-Induktoren, zum Beispiel Rifampicin, die zu einer verminderten Bioverfügbarkeit von Melagatran führen, sind nicht auszuschließen.

Nach oraler Gabe wird Ximelagatran durch Esterspaltung und Reduktion über zwei Zwischenprodukte in seine aktive Form Melagatran biotransformiert. Maximale Plasmakonzentrationen von parenteral appliziertem Melagatran werden in etwa einer halben Stunde erreicht und die Konzentration nimmt mit einer Halbwertszeit von zwei bis drei Stunden wieder ab. Die Halbwertszeit von Melagatran nach oraler Gabe von Ximelagatran ist mit ungefähr zwei Stunden länger als nach subkutaner Applikation von Melagatran, da das Verteilungsvolumen von Melagatran ungefähr doppelt so groß ist (circa 30 bis 40 Liter). Die Halbwertszeit ist vom Körpergewicht unabhängig und war auch in kleinen Untersuchungen bei adipösen Patienten nicht signifikant verändert. Die orale Bioverfügbarkeit von Ximelagatran beträgt 18 bis 25 Prozent und wird durch die Nahrungsaufnahme unwesentlich beeinflusst. Melagatran selbst wird hingegen kaum oral aufgenommen: Die orale Bioverfügbarkeit beträgt nur 3 bis 7 Prozent und kann bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme auf bis zu 1 Prozent reduziert sein. Steady-state-Plasmakonzentrationen von Melagatran werden innerhalb von 24 Stunden erreicht.

Ximelagatran wird in mehreren Organen, unter anderem der Leber und den Nieren, metabolisiert. Melagatran, das nicht weiter biotransformiert wird, findet sich zu 80 Prozent im Urin wieder. Die renale Clearance beträgt 7,5 l/h (3 ­ 5).

Klinische Studien

Weniger tiefe Venenthrombosen

Niedermolekulare Heparine (LMWH) gelten als Antikoagulanzien der Wahl zur Reduktion von Thromboembolien bei einer Hüftgelenks- oder Kniegelenksersatzoperation. Allerdings ist nur eine parenterale Anwendung möglich. Insgesamt 1495 Patienten erhielten in der Methro-II-Studie (7) präoperativ Melagatran gefolgt von oralem Ximelagatran postoperativ. 381 Patienten erhielten Dalteparin, beginnend am Vorabend der OP. Die Häufigkeit von tiefen Venenthrombosen war unter Melagatran/Ximelagatran mit bis zu 15,1 Prozent signifikant niedriger als unter Dalteparin mit 28,2 Prozent (p 0,0001).

Tendenzieller Vorteil für Enoxaparin

Die Methro-III-Studie (8) untersuchte, ob sich die positiven Ergebnisse aus Methro-II bestätigen ließen. Dazu wurden insgesamt 2788 Patienten, die sich einer Hüft- oder Kniegelenkstotaloperation unterziehen mussten, entweder mit Melagatran, gefolgt von Ximelagatran oder mit Enoxaparin behandelt. Primärer Endpunkt war das Auftreten einer venösen Thromboembolie (definiert als tiefe Venenthrombose, Lungenembolie oder Tod unklarer Ursache). Das Hauptrisiko stellte die erhöhte Blutungsneigung dar. Venöse Thromboembolien traten bei 355 von 1146 Patienten (31,0 Prozent) unter Ximelagatran und 306 von 1122 (27,3 Prozent) unter Enoxaparin auf. Es ergab sich ein tendenzieller Vorteil zu Gunsten von Enoxaparin (p=0,053). Das Blutungsrisiko war in beiden Gruppen vergleichbar.

Ximelagatran bei TVT Enoxaparin/Warfarin gleichwertig

In einer kürzlich publizierten Studie (9) mit 2489 Patienten erwies sich orales Ximelagatran in fixer Dosierung ohne antikoagulatives Monitoring als vergleichbar wirksam bei der Behandlung akuter tiefer Venenthrombose (TVT) wie eine Sequenztherapie aus Enoxaparin und Warfarin. Ximelagatran zeigte auch ähnliche Blutungsrisiken wie Enoxaparin/Warfarin. Lebertransaminasen waren aber über das Dreifache der Normwerte erhöht bei 119 Patienten (9,6 Prozent) unter Ximelagatran und 25 Patienten (2,0 Prozent) unter Enoxaparin/Warfarin.

Weniger Ereignisse und Blutungen

Vitamin-K-Antagonisten sind in vielen kardio- und zerebrovaskulären Indikationen etabliert. In der SPORTIF-III-Studie (10) wurde Ximelagatran mit Warfarin in der Prävention ischämischer Schlaganfälle verglichen. Insgesamt 3410 Patienten mit Vorhofflimmern und gegebenenfalls weiteren Risikofaktoren für einen Schlaganfall wurden in dieser offenen Studie auf Warfarin (Ziel-INR: 2,0 bis 3,0) oder Ximelagatran eingestellt. 56 Patienten in der Warfaringruppe und 40 in der Ximelagatrangruppe erlitten ein primäres Ereignis (Schlaganfall, systemische Embolie). Blutungen traten unter Ximelagatran gegenüber Warfarin signifikant seltener auf. Allerdings waren unter Ximelagatran in der hohen Dosierung von 36 mg zweimal täglich häufiger erhöhte Leberenzymwerte zu beobachten als unter Warfarin.

Ximelagatran gleichwertig, aber lebertoxisch

Eine aktuelle Studie (11) liefert ähnliche Ergebnisse. Bei insgesamt 3922 Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern und zusätzlichen Schlaganfallrisikofaktoren wurde Warfarin (Ziel-INR: 2,0 bis 3,0) mit einer Hochdosistherapie Ximelagatran von 36 mg zweimal täglich verglichen. Die Häufigkeit für ein primäres Ereignis (alle ischämischen oder hämorrhagischen Schlaganfälle und systemische Embolien) unter Ximelagatran war mit 1,6 Prozent pro Jahr gegenüber Warfarin mit 1,2 Prozent pro Jahr gleichwertig im Sinne der vorab definierten Hypothese auf Äquivalenz. In Bezug auf das Blutungsrisiko ergaben sich keine Unterschiede. Die Lebertransaminasen waren bei 6,0 Prozent der Patienten unter Ximelagatran ­ gewöhnlich innerhalb von sechs Monaten ­ erhöht und typischerweise unabhängig vom Fortsetzen der Therapie wieder abfallend. Jedoch wurden auch ein Fall einer tödlichen Lebererkankung und ein weiterer Verdachtsfall dokumentiert.

AMK warnt: Leberschädigung bei Langzeittherapie und hoher Dosis

In zwei amerikanischen Studien (12), in denen Ximelagatran mit Warfarin verglichen wurde (EXULT A; EXULT B), wurde eine Erhöhung von Lebertransaminasen (ALAT) im Serum vier bis sechs Wochen nach Beendigung der Therapie häufiger unter Ximelagatran als unter Warfarin beobachtet (0,4 Prozent gegenüber 0,1 Prozent). Allerdings war Ximelagatran mit zweimal täglich 36 mg höher dosiert als derzeit zugelassen. Die Ursachen sind bislang nicht geklärt. Daher ist eine leberschädigende Wirkung vor allem bei höherer Dosierung beziehungsweise längerer Anwendung als der aktuell zugelassenen zu befürchten. Es wird empfohlen, vier bis sechs Wochen nach Beendigung der Therapie eine zusätzliche Kontrolle der Leberfunktion durchzuführen und die hepatischen Kontraindikationen streng zu beachten.

Nur bedingt effizient

In einer erst kürzlich veröffentlichten pharmakoökonomischen Analyse (13) wurde der Frage nachgegangen, ob Ximelagatran im Vergleich zu Warfarin und ASS auf Grund der fixen, nicht INR-überwachten Dosierung und eines möglicherweise erniedrigten Blutungsrisikos das lebensqualitätsadaptierte Gesamtüberleben (Quality-adjusted life-years (QALY)) bei Vorhofflimmern verbessern kann. Bei Patienten mit Vorhofflimmern, aber ohne zusätzliche Risikofaktoren für einen Schlaganfall belaufen sich die Kosten sowohl für Ximelagatran als auch für Warfarin auf mehr als 50.000 Dollar im Vergleich zu ASS. Bei Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren für einen Schlaganfall und niedrigem Blutungsrisiko erhöhte Ximelagatran verglichen mit Warfarin geringfügig das lebensqualitätsadaptierte Gesamtüberleben (0,12 QALY) bei beträchtlichen Kosten in Höhe von 116.000 Dollar pro QALY. Ximelagatran erwies sich damit allenfalls bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine intraarterielle Blutung oder erheblichen Problemen mit der Lebensqualität unter Warfarin als effizient.

 

Wertende Zusammenfassung Mit dem Prodrug Ximelagatran steht erstmals ein Thrombinhemmer zur Verfügung, der auch oral appliziert werden kann. Der aktive Metabolit Melagatran ist ein kompetitiver, reversi-bler, niedermolekularer, direkter Inhibitor der Serinprotease α-Thrombin. Ximelagatran (Exanta®) und Melagatran (Melagatran AstraZeneca 3 mg/0,3 ml Injektionslösung) sind zugelassen zur kurzfristigen postoperativen Prophylaxe venöser thromboembolischer Ereignisse bei Patienten, die sich einer elektiven Hüft- oder Kniegelenkersatz-Operation unterziehen müssen. Nach dem operativen Eingriff wird zunächst Melagatran als Injektionslösung subkutan injiziert. Anschließend wird die Therapie mit Ximelagatran oral fortgesetzt. Bei Überdosierungen steht kein Antidot zur Verfügung. Interaktionen mit anderen Arzneistoffen sind zwar nicht über Cytochrome oder die Proteinbindung, wohl aber über P-Glykoprotein möglich. Andere Blutgerinnungshemmer dürfen nicht mit Melegatran/Ximelagatran kombiniert werden. In klinischen Studien hat sich bei verschiedenen Indikationen Melagatran/Ximelagatran besonders im Vergleich zu (niedermolekularen) Heparinen als wirksam erwiesen. Langzeiterfahrungen liegen noch nicht vor. Das Blutungsrisiko scheint nach derzeitigen Daten gegenüber den klassischen Antikoagulantien nicht erhöht zu sein. Ein aufwendiges Monitoring wie bei Vitamin-K-Antagonisten ist zwar nicht erforderlich, jedoch sollte auf Anzeichen für Blutungen sorgfältig geachtet werden. Unerwünschte kardiovaskuläre Effekte sind beschrieben. Kritisch sind vor allem die bei der derzeit nicht zugelassenen längerfristigen Anwendung und in höheren Dosierungen auftretenden hepatotoxischen Effekte zu beurteilen. Diese limitieren neben pharmakoökonomischen Aspekten derzeit die breitere Anwendung. Dennoch kann Ximelagatran bei entsprechenden Risikokonstellationen oder für Patienten, die nicht genügend auch unter Berücksichtigung der Compliance und Lebensqualität auf einen Vitamin-K-Antagonisten eingestellt werden können, vor allem durch die fixe Dosierung Vorteile bieten.

 

Literatur

  1. Herold, G., Innere Medizin, Eigenverlag, Köln, 2003.
  2. www.medicine-worldwide.de, Stand 03.08.2004.
  3. Exanta® 24 mg Filmtabletten ­ Fachinformation. AstraZeneca, Stand Juni 2004.
  4. Melagatran AstraZeneca 3 mg/0,3 ml Injektionslösung ­ Fachinformation. AstraZeneca, Stand Juni 2004.
  5. Mircromedex Drugdex® Online, Stand: 17.05.2004
  6. Ximelagatran (Exanta®): Berater der FDA gegen Zulassung. Arznei-telegramm 10 (2004) 114.
  7. Eriksson, B.I., et al., Ximelagatran and melagatran compared with dalteparin for prevention of venous thromboembolism after total hip or knee replacement: the METHRO II randomised trial. Lancet 360 (2002) 1441­1447.
  8. Eriksson, B.I., et al., Direct thrombin inhibitor melagatran followed by oral ximelagatran in comparison with enoxaparin for prevention of venous thromboembolism after total hip or knee replacement. Thromb. Haemost. 89 (2003) 288­296.
  9. Fiessinger, J.N., et al., Ximelagatran vs low-molecular-weight heparin and warfarin for the treatment of deep vein thrombosis: a randomized trial. JAMA 293 (2005) 681­689.
  10. Olsson, S.B., et al., Stroke prevention with the oral direct thrombin inhibitor ximelagatran compared with warfarin in patients with non-valvular atrial fibrillation (SPORTIF III): randomised controlled trial. Lancet 362 (2003) 1691­1698.
  11. Albers, G.W., et al., Ximelagatran vs warfarin for stroke prevention in patients with nonvalvular atrial fibrillation: a randomized trial. JAMA 293 (2005) 690­698.
  12. AMK, BfArM: Arzneimittelschnellinformationen, Erhöhte Serumkonzentrationen der Transaminasen durch Exanta® (Ximelagatran, Melagatran). Pharm. Ztg. 150 (2005) 75.
  13. O'Brien, C.L. und Gage, B.F., Costs and effectiveness of ximelagatran for stroke prophylaxis in chronic atrial fibrillation. JAMA 293 (2005) 699­706.

 

Anschrift der Verfasser:
Dr. Thilo Bertsche
Universitätsklinikum Heidelberg
Medizinische Klinik (Krehl-Klinik)
Abteilung Innere Medizin VI
Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg

Dr. Martin Schulz
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