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Etanercept bei Morbus Bechterew zugelassen

15.03.2004  00:00 Uhr

Etanercept bei Morbus Bechterew zugelassen

von Patrick Hollstein, Berlin

Seit Beginn des Jahres ist Etanercept zur Behandlung des Morbus Bechterew zugelassen. Der TNF-α-Antagonist stellt für Patienten, bei denen eine vorangegangene Basistherapie unzureichend wirksam war, eine wirksame und gut verträgliche Alternative dar.

Etanercept (Enbrel®) greift spezifisch in die Entzündungskaskade bei Autoimmunerkrankungen ein, indem er die Wirkung des wichtigsten Botenstoffes chronisch-entzündlicher Erkrankungen auf die Zellen des Immunsystems abschwächt.

Der TNF-α-Antagonist ist ein dimeres Fusionsprotein aus zwei rekombinanten löslichen TNF-Rezeptor-Molekülen und dem Fc-Teil des humanen Immunglobulins IgG1. Auf Grund dieser speziellen Konstruktion erhöht sich seine Wirkdauer von wenigen Minuten auf mehrere Stunden bis Tage. Durch seine dimere Struktur ist die Substanz in der Lage, zwei Moleküle TNF-α reversibel zu binden.

Seit vier Jahren ist der Wirkstoff, der zweimal wöchentlich in einer Dosierung von 25 mg subkutan verabreicht wird, zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis bei Erwachsenen und der juvenilen idiopathischen Arthritis bei Kindern in Deutschland auf dem Markt. Im Dezember 2002 erhielt Etanercept die Zulassung in der Indikation Psoriasis-Arthritis. Im Januar dieses Jahres erweiterte die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA die Zulassung um die Indikation des Morbus Bechterew.

Wirksamkeit klinisch belegt

In den für die Zulassung relevanten klinischen Studien zeigte sich Etanercept als hoch wirksam und verträglich. Die Wirkung setzte innerhalb von zwei Wochen ein und blieb über die gesamte Studiendauer erhalten. Primärer Endpunkt der beiden multizentrischen, randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studien an 277 beziehungsweise 84 Patienten mit aktiver Spondylitis ankylosans war eine Reduktion der Symptome nach zwölf beziehungsweise 24 Wochen. Erfasst wurden neben der Gesamteinschätzung durch den Patienten Rückenschmerz, Entzündungszeichen sowie die körperliche Funktionsfähigkeit. Nach zwölf Wochen zeigte sich bei 60 Prozent der mit Etanercept behandelten Patienten gegenüber 23 Prozent der Patienten aus der Placebogruppe eine 20-prozentige Besserung der Symptome auf der ASAS-Skala (ASAS 20). Diese Werte blieben bis zur 24. Behandlungswoche in etwa konstant. Bei 42 Prozent der Verumgruppe versus 10 Prozent der Placebogruppe besserten sich die Symptome sogar um 50 Prozent (ASAS 50). Eine 70-prozentige Symptomreduktion (ASAS 70) konnte bei 28 Prozent unter Etanercept gegenüber 5 Prozent unter Placebo beobachtet werden.

In der Reduktion der Schmerzsymptomatik (Score für Rückenschmerzen) und der Krankheitsaktivität (Morgensteifigkeit, Müdigkeit, Schmerzen; BASDAI-Score), sowie bei der Besserung des funktionellen Status der Patienten (Stufensteigen, Übungen; BASFI-Score) war Etanercept gegenüber der Scheinmedikation signifikant überlegen. Im Durchschnitt konnten hier Verbesserungen um 30 bis 40 Prozent erzielt werden.

Entzündungsparameter wie der Anteil C-reaktiven Proteins (CRP) im Blut der Patienten sowie die Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit (BKS) wurden unter Etanercept signifikant bis in Normbereiche gesenkt.

Günstiges Nebenwirkungsspektrum

Insgesamt erwies sich die Medikation als gut verträglich und entsprach den Erfahrungen bei der Anwendung in den anderen Indikationen. Im Vergleich zu Placebo trat unter Etanercept kein erhöhtes Risiko für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse einschließlich schwerer Infektionen auf. Häufigste Nebenwirkungen waren Reaktionen an der Injektionsstelle (Erytheme, Juckreiz, Schmerzen, Schwellung), Blutbildveränderungen, Nervenstörungen sowie infolge der Immunsuppression Infektionen der oberen Atemwege. Der Hersteller Wyeth Pharma strebt die Zulassung für weitere TNF-α-assoziierte Erkrankungen wie Psoriasis, Idiopathische Pulmonale Fibrose und Hepatitis C an.

Vergleichende Wirksamkeitsstudien zu den anderen TNF-α-Inhibitoren existieren bislang nicht. Die festere Bindung von TNF-α durch die monoklonalen Anti-TNF-α-Antikörper Infliximab und Adalimumab lassen jedoch für diese Substanzen eine stärkere Wirksamkeit, zum Beispiel bei Morbus Crohn, sowie ein anderes Nebenwirkungsspektrum erwarten.

 

Morbus Bechterew Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans) ist eine chronisch fortschreitende entzündlich-rheumatische Erkrankung, von der in unterschiedlichem Ausmaß Wirbelsäule oder periphere Gelenke und Bandstrukturen betroffen sein können. Zu den Symptomen zählen neben Schmerzen an Wirbelsäule, Gelenken und Sehnenansatzpunkten vor allem Morgensteifigkeit sowie Müdigkeit und Schwäche. Etwa 30 Prozent der Betroffenen entwickeln zusätzlich eine akute Entzündung der Regenbogenhaut (Iritis). Bei manchen Patienten ist die Erkrankung mit einer Psoriasis, chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) oder reaktiven Arthritis verknüpft.

Im Endstadium führt die Spondylitis ankylosans – insbesondere an der Wirbelsäule – zu einer knöchernen Proliferation und Verschmelzung von Wirbelkörpern oder Gelenken (Ankylose) und damit zur Bewegungsunfähigkeit.

Das Erkrankungsalter beträgt im Mittel 24 Jahre. Auf Grund der unspezifischen Symptome dauert es durchschnittlich sechs Jahre, bis die korrekte Diagnose gestellt wird. Die Prävalenz der Spondylitis ankylosans beträgt 0,2 bis 0,8 Prozent. Männer und Frauen sind – entgegen bisherigen Vermutungen – wahrscheinlich gleich stark betroffen.

Die Ursache der Erkrankung ist nach wie vor nicht vollständig bekannt. Untersuchungen zufolge korreliert das Auftreten des Erbfaktors HLA-B27 mit der Wahrscheinlichkeit eines Morbus Bechterew. Der proinflammatorische Botenstoff TNF-α spielt – wie bei anderen Spondyloarthritiden auch – offensichtlich eine entscheidende Rolle bei der Pathogenese. Möglicherweise produzieren die Betroffenen zu wenig lösliche TNF-α-Rezeptoren, die durch die Bindung des Zytokins dessen akute Wirkungen an Immunzellen abschwächen.

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