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Immunmodulatorische HIV-Therapie steckt in den Kinderschuhen

05.03.2001  00:00 Uhr

Immunmodulatorische HIV-Therapie steckt in den Kinderschuhen

von Ulrike Wagner, Garmisch-Partenkirchen 

Das Immunsystem aktivieren, damit es selbst die HI-Viren bekämpft: Das ist die Idee die hinter den verschiedenen immunmodulatorischen Therapieansätzen steht. Die meisten dieser Ansätze kommen über das experimentelle Stadium bislang nicht hinaus. Valide Daten sind rar. Über die verschiedenen Ansätze und andere Neuerungen in der HIV-Therapie berichteten Experten während eines Symposiums von GlaxoSmithKline.

Zu den Zytokinen, die für eine Immunmodulation während der HIV-Infektion in Frage kommen, gehören Interleukin-2, Interleukin-10, Interleukin-12 und die Interferone, erklärte Privatdozent Dr. Hans-Jürgen Stellbrink von der Universitätsklinik Eppendorf, Hamburg. Interleukin-10 habe in einer Studie mit HIV-Patienten keine Effekte gezeigt, und Interleukin-12 wirke hoch toxisch. "Weiter im Spiel sind daher noch Interleukin-2 und die Interferone."

Seit mehr als zehn Jahren ist bekannt, dass es bei der HIV-Infektion zu einer verminderten Synthese von Interleukin-2 kommt. Die Gabe des Wirkstoffs soll daher die Immunabwehr gegen die HI-Viren stimulieren. Nach Behandlung mit Interleukin-2 zusätzlich zur antiretroviralen Therapie waren in einer Reihe von Studien die CD4-Zellzahlen gestiegen. Diese Zellen werden bevorzugt vom HI-Virus befallen und gehen im Lauf der Infektion verloren. Ob die Patienten jedoch von den zusätzlichen Immunzellen überhaupt klinisch profitieren, ist bislang unklar.

In den Studien hatte sich herausgestellt, dass bei einer chronischen Infektion die Immunantwort gegen die HI-Viren kaum zu stimulieren ist, sagte Stellbrink. Daher sei man zu Studien mit Interleukin-2 bei der Primärinfektion übergegangen. Auch hier zeigten sich deutlich höhere CD4-Zellzahlen, dennoch ist die Bedeutung für den weiteren Verlauf der Infektion unklar.

Eine weitere immunmodulatorische Substanz, deren Wirkung auf die HIV-Infektion derzeit in Studien erforscht wird, ist Ciclosporin A. Es soll den Untergang der HIV-spezifischen CD4-Zellen verhindern. In einer sehr kleinen Gruppe habe die Therapie zu dramatisch höheren CD4-Zellzahlen geführt, wenn die Patienten Ciclosporin A in niedriger Dosierung erhalten hatten, berichtete Stellbrink.

Hydroxyurea umstritten

In Studien untersucht werden derzeit auch Mycophenolat-Mofetil (MMF) und Cyclophosphamid. Der Nutzen dieser Substanzen für die HIV-Therapie sei zurzeit jedoch noch nicht zu beurteilen, sagte Stellbrink. Bei Hydroxyurea scheiden sich die Geister. Die Substanz soll immunmodulatorisch und antiviral wirken und werde bereits bei vielen HIV-Patienten eingesetzt. Es gebe allerdings Daten, dass Hydroxyurea den Patienten sogar mehr schadet als nutzt, sagte Stellbrink.

Hoffnungen auf eine HIV-Impfung machte Stellbrink nicht. Bei der Bekämpfung der Erkrankung solle man sich eher auf Medikamente verlassen, sagte er. Denn auch im Tierversuch schützte keine der erprobten Vakzinen Affen vor einer Infektion. Nur der Verlauf der Erkrankung änderte sich, erklärte Stellbrink. Zudem hatte die Remune-Studie ernüchternde Ergebnisse bei immerhin 2500 Menschen geliefert. Die Patienten, die neben der anitretroviralen Therapie ein inaktiviertes HI-Virion erhalten hatten, profitierten im Vergleich zur Placebo-Gruppe nicht - bis auf einen geringen Vorteil bei der CD4-Zellzahl.

Wie soll man die Wirksamkeit einer HIV-Impfung beim Menschen überhaupt messen? Ob Surrogatparameter wie neutralisierende Antikörper und zytotoxische T-Zellen überhaupt dafür geeignet sind, ist unklar. Denn welches Virus innerhalb der sich rasend schnell verändernden Viruspopulation die Immunabwehr attackiert und ob nicht doch eine Virusmutante entkommt, ist völlig unklar.

 

Osteoporose-Risiko steigt

Bislang standen bei den Nebenwirkungen der antiretroviralen Therapie die Fettstoffwechselstörungen mit Hypertriglyceridämie, Hypercholesterinämie und der Lipodystrophie im Vordergrund. Eine Studie hatte zudem gezeigt, dass HIV-Patienten auf Grund der Fettstoffwechselstörungen ein erhöhtes Risiko für koronare Herzkrankheiten haben. Neue Daten weisen nun daraufhin, dass die Dauermedikation auch für Osteoporose sorgt. Das berichtete Privatdozent Dr. Jürgen Rockstroh von der Universitätsklinik Bonn. Unklar sei bislang, welcher Wirkstoff für die Veränderungen am Knochen verantwortlich ist.

 

Naltrexon gegen Lipodystrophie Gegen die entstellenden Fettverteilungsstörungen setzen einige Ärzte inzwischen den Opiatantagonisten Naltrexon ein. Die Dosierung von 3 mg pro Tag muss aus dem Fertigpräparat Nemexin® (50 mg) vom Apotheker hergestellt werden. Valide Daten zum Nutzen dieser Behandlung gibt es zurzeit nicht.

 

Fettstoffwechselstörungen HIV-Patienten leiden unter speziellen Fettstoffwechselstörungen. Die Triglyceridwerte steigen, die HDL-Werte sind erniedrigt, aber das LDL-Cholesterol ist meist nicht stark erhöht. Das spräche eigentlich für eine Therapie mit Fibraten, erklärte Privatdozent Dr. Klaus Parhofer vom Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilian-Universität München. Das Problem: Zum Einsatz von Fibraten bei HIV-Patienten gibt es kaum Studien.

Einige wenige Studienergebnisse gibt es zu den Statinen. Hier riet Parhofer allerdings zur Vorsicht. Denn alle Statine werden wie die meisten antiretroviralen Medikamente über das Cytochrom-P450-System verstoffwechselt, und Wechselwirkungen sind dadurch vorprogrammiert. Pravastatin scheint noch am ehesten geeignet, da es über mehrere unterschiedliche Wege abgebaut wird.

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