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Insulinglulisin und Pemetrexed

29.11.2004  00:00 Uhr
Neu auf dem Markt

Insulinglulisin und Pemetrexed

von Kerstin A. Gräfe, Eschborn, und Brigitte M. Gensthaler, München

Seit November bereichern zwei neue Arzneistoffe den deutschen Markt. Insulinglulisin verfügt im Vergleich zu Normalinsulin über einen schnelleren Wirkeintritt und eine kürzere Wirkdauer und mit Pemetrexed steht erstmals ein Zytostatikum zur Behandlung von Patienten mit inoperablem Asbest-Tumor zur Verfügung.

Insulinglulisin

Insulinglulisin (B3Lys, B29Glu) ist ein rekombinantes Humaninsulin-Analogon, das im Vergleich zu Normalinsulin über einen schnelleren Wirkeintritt und eine kürzere Wirkdauer verfügt. Erreicht wird dieses Wirkstoffprofil durch den Austausch der Aminosäuren Asparagin in Position B3 gegen Lysin und von Lysin in Position B29 gegen Glutaminsäure. Das Insulin wird als klare, farblose Injektionslösung in einem Fertigpen angeboten (Apidra® 100 E/ml, Sanofi Aventis).

Insulinglulisin wird nahezu dosisunabhängig aus dem subkutanen Fettgewebe resorbiert. Im Mittel werden für das Analogon doppelt so schnell doppelt so hohe Maximalkonzentrationen gemessen wie für humanes Normalinsulin. Unabhängig von der Injektionsstelle – Oberschenkel, Oberarm oder Bauchdecke – beträgt die absolute Bioverfügbarkeit etwa 70 Prozent. Die Wirkung setzt nach subkutaner Injektion innerhalb von 10 bis 20 Minuten ein, wobei die Injektion in die Bauchdecke am schnellsten wirkt.

Eine Einheit Insulinglulisin senkt den Blutzucker ebenso stark wie eine Einheit humanes Normalinsulin. Insulinglulisin kann gleichermaßen vor oder nach einer Mahlzeit gegeben werden. Eine mit Insulinglulisin, Insulin Lispro und humanem Normalinsulin durchgeführte Phase-I-Studie bei adipösen Probanden zeigte, dass auch hier die rasche Wirkung von Insulinglulisin erhalten bleibt.

In einer 26-wöchigen Phase-III-Studie mit Typ-1-Diabetikern wurde Insulinglulisin mit Insulin Lispro verglichen. Beide Insuline wurden kurz (0 bis 15 Minuten) vor einer Mahlzeit subkutan injiziert; als Basalinsulin verwendeten die Probanden Insulin glargin. Hinsichtlich der glykämischen Kontrolle war Insulinglulisin mit Insulin Lispro vergleichbar; es war jedoch keine Erhöhung der Basalinsulin-Dosis erforderlich.

Selbst wenn Insulinglulisin nach einer Mahlzeit gegeben wird, was ein großer Teil der Patienten praktiziert, ist es dem 30 bis 45 Minuten vor der Mahlzeit gespritzten humanen Normalinsulin in der Regulierung des Blutzuckerprofils mindestens ebenbürtig. Dies zeigte eine 12-wöchige Phase-III-Studie mit Typ-1-Diabetikern, die ebenfalls Insulin glargin als Basalinsulin verwendeten.

In einer Phase-III-Studie mit Typ-2-Diabetikern kontrollierte Insulinglulisin (0 bis 15 Minuten vor einer Mahlzeit) den postprandialen Blutzucker mindestens ebenso gut wie humanes Normalinsulin (30 bis 45 Minuten vor einer Mahlzeit). Dies ist insofern relevant, da nur circa 20 Prozent aller Diabetiker der offiziellen Empfehlung folgen, ihr Insulin 30 Minuten vor einer Mahlzeit zu spritzen, sondern eine Gabe unmittelbar vor der Mahlzeit vorziehen.

Pemetrexed

Mit Pemetrexed ist erstmals ein Zytostatikum zur Behandlung von Patienten mit inoperablem Asbest-Tumor (malignes Pleuramesotheliom) auf den Markt gekommen (Alimta®; Lilly Deutschland). Laut europäischer Zulassung wird der Arzneistoff in der Primärtherapie mit Cisplatin kombiniert. Außerdem kann er bei Patienten mit fortgeschrittenem, nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) in der Zweitlinien-Chemotherapie gespritzt werden.

Wie andere Antifolate, zum Beispiel Methotrexat, greift Pemetrexed in Folsäure-abhängige Stoffwechselprozesse ein, die für die Zellvermehrung wichtig sind. Anders als bisherige Wirkstoffe hemmt der Neuling gleich mehrere Schlüsselenzyme in den Zellen. Durch Blockade von Thymidylat-Synthase und Dihydrofolat-Reduktase wird die Pyrimidinsynthese gestört, durch Angriff an der Glycinamid-Ribonukleotid-Formyltransferase die Purinbiosynthese. In der Folge werden der DNA- und RNA-Aufbau und damit die Zellproliferation gehemmt. Da Pemetrexed an mehreren Zielenzymen angreift, spricht die Herstellerfirma von einem „Multi-target-Enzyminhibitor“.

Die Substanz wird als Lyophilisat angeboten und nach Auflösen in isotonischer Kochsalzlösung alle drei Wochen als 10-minütige Kurzinfusion verabreicht (500 mg/m2). Dieses Schema erlaubt eine ambulante Therapie. Vorgeschrieben ist eine Begleitmedikation mit Folsäure und Vitamin B12, die die hämatologische und nicht hämatologische Toxizität des Antifolats mildert, ohne die Wirksamkeit zu schwächen. Ebenfalls zwingend ist die Gabe von Corticosteroiden (zweimal täglich 4 mg Dexamethason oder Äquivalent) zur Reduktion von Hautreaktionen.

In einer Phase-III-Studie erhielten 456 nicht chemotherapeutisch vorbehandelte Patienten mit malignem Pleuramesotheliom randomisiert alle 21 Tage entweder Cisplatin allein (75 mg/m2) oder kombiniert mit Pemetrexed (500 mg/m2). Unter der Kombitherapie lebten die Patienten durchschnittlich 12,1 Monate im Vergleich zu 9,3 Monaten mit der Monotherapie. Auch die mittlere Zeit bis zur Progression war länger (5,7 versus 3,9 Monate). 41 Prozent der Patienten sprachen auf die Kombitherapie an (versus 16,7 Prozent). Außerdem besserten sich Schmerzen und Dyspnoe sowie Lungenfunktionsparameter statistisch signifikant.

Am meisten klagten die Patienten in beiden Studienarmen über Übelkeit, Erbrechen und Müdigkeit (Fatigue); diese Nebenwirkungen waren in der Kombigruppe deutlich häufiger als unter Cisplatin allein. Ein drastischer Abfall von Leukozyten oder Neutrophilen (Leukopenie oder Neutropenie Grad 3/4) trat in der Pemetrexed-Gruppe signifikant häufiger auf. Die Vitamin-Gabe konnte das Problem mildern.

In einer Studie mit 571 Patienten, die trotz Chemotherapie an fortgeschrittenem oder metastasiertem Lungenkrebs litten, war Pemetrexed (500 mg/m2) ebenso effektiv wie Docetaxel (75 mg/m2), das bislang als einzige Substanz zur Zweitlinien-Chemotherapie bei NSCLC-Patienten zugelassen war. Die mediane Überlebenszeit betrug jeweils etwa acht Monate, knapp drei Monate lang erlebten die Patienten keine Tumorprogression. Unter Docetaxel litten sie signifikant häufiger an schwerer Neutropenie, auch mit Fieber und Infektionen, brauchten häufiger Erythropoietin oder Wachstumsfaktoren und erlitten häufiger Haarausfall. Die Häufigkeit anderer Nebenwirkungen wie Fatigue, Übelkeit, Erbrechen und Stomatitis war ähnlich.

Ob Pemetrexed auch als Monotherapie oder in Kombination mit Carboplatin bei Patienten mit Asbest-Tumoren ausreichend wirksam ist, muss weiter untersucht werden. Nach Firmenangaben laufen auch Studien bei soliden Tumoren an Pankreas, Kolon, Brust sowie Kopf und Hals. Top

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