Schönfärben nicht nötig, da unbedenklich |
22.11.1999 00:00 Uhr |
BLEIACETAT
Einmal angenommen, ein Kunde fragt Sie besorgt nach der Unbedenklichkeit von Blei-(II)-Acetat. Diese Substanz sei in seinem Haarfärbemittel enthalten, das er nun schon seit einem halben Jahr verwende. Was antworten Sie ihm?
Manche Colorationen (zum Beispiel GrecianÒ 2000) enthalten unter anderem Blei-(II)-Acetat in einer Konzentration von 0,6 Prozent. Damit bekommt ergrauendes Haar eine zweite Chance, denn die Bleiverbindung bildet nach und nach ein Melanin-ähnliches Pigment und bringt so die natürliche Haarfarbe zurück. Dazu reagiert Blei-(II)-Acetat mit den SH-Gruppen der Proteine des Haarschaftes, und das entstehende Bleisulfid fungiert als Pigment-Ersatz.
Wird das Haartönungs-Präparat sachgemäß aufgetragen, bestehen aus toxikologischer Sicht auch keine Bedenken gegen einen Gebrauch über längere Zeit. Vermutungen, eine langfristige Anwendung könne zu einer chronischen Blei-Intoxikation mit entsprechenden neurologischen Ausfallserscheinungen wie Schwindel oder Tinnitus führen, kursieren zwar von Zeit zu Zeit, konnten aber nie wissenschaftlich nachgewiesen werden. Im Gegenteil: Zahlreiche experimentelle Studien und klinische Anwendungsbeobachtungen mit praxisnaher Verwendung zeigen, dass die aufgenommenen Bleimengen zu gering sind, um dem Anwender oder der Umwelt gefährlich zu werden.
Studien mit dem Isotop 203Pb haben ergeben, dass bei einmaliger Anwendung gemäß Packungsbeilage mit 0,6prozentige Blei-(II)-Acetat-Lösung maximal 0,3 bis 0,4 m g Blei resorbiert werden. Wir das Produkt zweimal wöchentlich aufgetragen, nimmt der Körper demnach etwa 0,1 m g Blei pro Tag systemisch auf. Die Bleibelastung aus der Haarcoloration ist verschwindend gering, kommt der Mensch doch täglich mit einer Vielzahl von Blei-Quellen wie Lebensmitteln oder Luft (die Angaben reichen von 100 m g bis 350 m g Blei pro Tag) in Kontakt, von denen durchschnittlich 45m g Blei/Tag resorbiert werden. Auf Augenbrauen, Wimpern und Schnurrbart sollten die Blei-haltigen Haarfärbemittel allerdings nicht aufgetragen werden.
Bei diesen winzigen systemisch verfügbaren Bleimengen ist es nicht verwunderlich, dass Blutuntersuchungen keine Blei-abhängigen Veränderungen zeigten. Selbst die für Blei sehr empfindliche Hämsynthese wurde nicht beeinflusst: Langzeit- und Resorptionsstudien mit 203Pb an 53 freiwilligen Probanden ergaben bei Einsatz von 0,6- und 1,8-prozentigen Blei-(II)-Acetat-haltigen Zubereitungen keine von der Anwendung abhängigen Veränderungen der Blut- und Urin-Bleikonzentrationen. Auch ein umwelttoxischer Bezug könne bei diesen geringen Bleibelastungen nicht hergestellt werden, sind sich die verschiedenen Studienleiter einig.
Quelle:
(1) Cohen, A. J. Roe, F. J. C., Review Of Lead Toxicology Relevant To Safety Assessment of Lead Acetate As A Hair Colouring. F. Chem. Toxic. Vol 29, No 7 (1991) 485 - 507.
(2) Ippen, H., et al., Untersuchungen zur dermato-toxikologischen Bewertung von Bleiacetat als Haarfärbemittel. Ärztliche Kosmetologie 11 (1981) 93 - 98.
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