Experten diskutierten wachsenden Methylphenidat-Verbrauch |
12.11.2001 00:00 Uhr |
PZ Die Zahl der verordneten Dosen Methylphenidat ist in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Laut Bundesopiumstelle verschrieben Ärzte im Jahr 2000 mit 463 kg fast die doppelte Menge des Arzneistoffs im Vergleich zum Vorjahr. Dieser Trend setzt sich auch im ersten Halbjahr 2001 fort. Allerdings setzten Mediziner das Betäubungsmittel bei Kindern mit Aufmerksamkeits-Defizit- und Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) in der Regel offenbar indikationsgerecht ein, so der Tenor auf einem Expertengespräch, zu dem die Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, kürzlich nach Berlin eingeladen hatte.
Auf Anregung der Drogenbeauftragten hatte die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) in Eschborn im September ihre 226 Referenzapotheken zum Verordnungsverhalten befragt. Dabei verglich man die Daten des ersten Halbjahrs 1999 mit denen des ersten Quartals 2001, um festzustellen, welche Mengen Methylphenidat von welchen Fachärzten für welche Patienten in welcher Dosierung verschrieben wurden. Die befragten Apotheken bezifferten den Anstieg des Verbrauchs auf mehr als 50 Prozent. Dies stimme gut mit statistischen Zahlen aus anderen Quellen überein, berichtete der Leiter der AMK, Professor Dr. Volker Dinnendahl in Berlin. Im Schnitt verordneten zu zwei Dritteln Kinderärzte und Kinderpsychiater das Präparat. Nach Meinung der Expertenrunde fehlt es jedoch häufig an therapiebegleitenden Maßnahmen.
Die Therapie von Kindern, die unter ADHS leiden, ist komplex. Die mit dem Einsatz von Methylphenidat einhergehenden Probleme und Herausforderungen seien interdisziplinär anzugehen, erklärte Caspers-Merk nach der Sitzung. Dieses Treffen sei ein gutes Beispiel für einen sachorientierten Umgang mit der Thematik. "Bei der Behandlung von ADHS hat es in den letzten Jahren in Deutschland spürbare Erfolge gegeben, die für viele Kinder und ihre Angehörigen zum Teil gravierende positive Auswirkungen auf das tägliche Leben mit sich gebracht haben", so die Drogenbeauftragte.
Auch wenn es Hinweise darauf gebe, dass die Substanz nicht ausschließlich von ausreichend qualifizierten Ärzten verordnet werde, seien diese Fortschritte grundsätzlich zu begrüßen. Sie halte es daher für erforderlich, die gesammelten guten Erfahrungen bekannt zu machen und zu verallgemeinern, bemerkte Caspers-Merk.
Die Ergebnisse aus den Referenzapotheken gäben zwar wichtige Anhaltspunkte, seien jedoch nicht repräsentativ, erklärte Dinnendahl. Nun müssten umfassendere Daten erhoben werden, die auch Aufschluss über Verbreitung und Ursachen von ADHS geben.
Die Umfrage zeige erneut, dass Apotheker einen wichtigen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit leisten, indem sie Informationen sammeln, die Hinweise auf einen Miss- oder Fehlgebrauch von Medikamenten liefern, betonte der AMK-Leiter gegenüber der PZ. Er appellierte an seine Kollegen in den öffentlichen Apotheken, bei Verdacht die Arzneimittelkommission zu informieren.
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