Thioplatin greift spezifischer Tumorzellen an |
13.11.2000 00:00 Uhr |
Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKZZ) und vom Chemischen Institut der Universität Heidelberg haben ein platinhaltiges Zytostatikum mit einem günstigeren Nebenwirkungsprofil entwickelt. Die Verbindung mit der Bezeichnung Thioplatin wirke in Tumorzellen mit einem niedrigeren pH-Wert giftig, meldet das DKFZ. Die Forscher rechnen deshalb mit sehr viel weniger Nebenwirkungen im Vergleich zu anderen Chemotherapeutika. Bereits im Oktober habe die britische Firma Antisoma eine Lizenz für Thioplatin erworben.
Platinverbindungen wie zum Beispiel Cisplatin sind in Kombination mit anderen Zytostatika in der Onkologie unverzichtbar. Trotz ihrer Wirksamkeit schränken schwere Nebenwirkungen den Einsatz ein. In den letzten Jahren synthetisierten Forscher deshalb eine große Zahl neuer Platinderivate aber alle diese Verbindungen ähneln strukturell der Urverbindung Cisplatin und haben daher ein vergleichbares Nebenwirkungsprofil.
Die DKFZ-Forscher gingen jetzt einen völlig neuen Weg, indem sie schwefelhaltige Platinverbindungen prüften. Sie fanden bei ihren Arbeiten eine Verbindung, die nur im leicht angesäuerten Milieu auf Zellen giftig wirkt. Dieses Phänomen hat für die Tumortherapie einen entscheidenden Vorteil: Bereits in den 20er Jahren hatte der spätere Nobelpreisträger Otto Warburg entdeckt, dass Tumorzellen ihren Energielieferanten Glukose zu Milchsäure vergären und nicht wie gesunde Zellen zu Wasser und Kohlendioxid veratmen. In soliden Tumoren herrscht daher häufig ein leicht angesäuertes Milieu.
Wissenschaftler unternahmen deshalb schon mehrfach Versuche, diesen Umstand zu nutzen. Der Säuregrad zwischen gesundem und entartetem Gewebe unterscheidet sich jedoch nur geringfügig (6,8 statt 7,2 bis 7,4). Die in Heidelberg gefundene Platinverbindung entfalte aber genau in diesem Bereich ihre Aktivität, meldet das DKFZ. Thioplatin töte im Tumorgewebe Zellen, verschone aber das intakte Gewebe.
Die zytostatische Wirkung von Thioplatin prüften die Forscher bislang nur erfolgreich
an menschlichen Tumorgewebe, das sie zuvor Mäusen transplantiert hatten. Entsprechend
einer Vereinbarung mit der Firma Antisoma wolle man in den nächsten Jahren überprüfen,
inwieweit sich diese experimentellen Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen. Mit
ersten klinischen Tests rechnet die Firma in etwa zwei Jahren.
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