Anämiekorrektur erhöht Lebensqualität |
31.10.2005 00:00 Uhr |
Viele Tumorpatienten leiden an einer Anämie, die vielfältige Ursachen haben kann. Die Korrektur der Anämie verbessert die Lebensqualität und hilft, Transfusionen zu vermeiden. Ob damit die Lebenserwartung der Patienten steigt oder der Tumor besser auf die Therapie anspricht, ist allerdings nicht gesichert.
Dies sind wesentliche Inhalte einer evidenzbasierten europäischen Richtlinie zum Einsatz von Erythropoese-stimulierenden Faktoren (ESF) bei anämischen Tumorpatienten, die die European Organisation for Research and Treatment of Cancer nach Prüfung von 78 Studien veröffentlicht hat. Als ESF stehen rekombinant gewonnene Erythropoetine wie Epoetin alfa (Beispiel Erypo®), Epoetin beta (Beispiel NeoRecormon®) und Darbepoetin alfa (Beispiel Aranesp®) zur Verfügung.
Viele Tumorpatienten leiden an einer Anämie, die vielfältige Ursachen haben kann. Eine Therapie-induzierte Anämie tritt als Folge eines Knochenmarkschadens, zum Beispiel nach Strahlen- oder Zytostatikatherapie, auf. Ebenso kann ein hoher Blutverlust bei Operationen den Hämoglobinwert absinken lassen. Anämien entstehen aber auch durch das Tumorgeschehen selbst. Man vermutet, dass die Aktivierung inflammatorischer Zytokine die Erythropoetin-Produktion, die Eisennutzung und die Proliferation erythroider Vorläuferzellen beeinträchtigt.
Nach den Vorgaben der europäischen Fachgesellschaft soll die ESF-Therapie bei einem Hämoglobin-Wert von 9 bis 11 g/dl entsprechend der Symptomatik begonnen werden, berichtete Privatdozentin Dr. Diana Lüftner von der Charité Berlin bei einem Pressegespräch von Amgen in München. Denn ein Hb-Wert von 10 könne die Alltagsaktivität bereits deutlich einschränken. Zusätzliche Ursachen der Anämie wie Eisenmangel, Blutungen, Ernährungsfehler oder Hämolyse müssten allerdings vorab korrigiert werden.
Ziel der Behandlung ist es, den Hb-Wert auf 12 bis 13 g/dl anzuheben und dort zu halten, solange dies die Anämie-bedingten Beschwerden bessert. In Studien sank der Bedarf an Bluttransfusionen durch die Maßnahmen signifikant und die Lebensqualität stieg deutlich. Ältere Patienten profitieren davon ebenso wie jüngere, heißt es in der Richtlinie. In den klinischen Studien traten thromboembolische Zwischenfälle etwas häufiger auf, wenn die Patienten ESF bekamen. Ein vorbeugender Einsatz der Präparate wird nicht empfohlen.
Bei Patienten mit normalem Körpergewicht laut Lüftner sogar bis 120 kg sollen anfangs Fixdosen eines ESF eingesetzt werden. Nach vier- bis sechswöchiger Therapie müsse der behandelnde Arzt individuell entscheiden, ob er die Dosis erhöht, unverändert lässt oder das Präparat mangels Ansprechen absetzt. Bei einer weiteren Dosisanpassung sollte er sich eher an den Beschwerden des Patienten als am Hb-Wert orientieren.
Neuere ESF können einmal pro Woche oder seltener gegeben werden, sagte die Onkologin. Die Richtlinien befürworten die Applikation seltener als dreimal pro Woche; die einmal wöchentliche Gabe von Darbepoetin alfa könne empfohlen werden. Dieses Glykoprotein hat fünf Stickstoff-gebundene Kohlenhydratketten, während das endogene Hormon und die rekombinanten humanen Hormone drei Ketten haben. Auf Grund des höheren Kohlenhydratanteils ist die terminale Halbwertszeit von Darbepoetin mit 73 Stunden (nach subkutaner Injektion) deutlich länger. Dennoch ist es hoch spezifisch für den Erythropoetin-Rezeptor und stimuliert die Blutbildung wie das natürliche Hormon.
Bei Tumorpatienten ist Darbepoetin zugelassen zur subkutanen Anwendung einmal pro Woche (Anfangsdosis 2,25 µg/kg Körpergewicht) oder alle drei Wochen (6,75 µg/kg). Nach den Erfahrungen der Onkologin kommt die seltenere Applikation den Patienten sehr entgegen und erhöht die Compliance.
Vorsicht Nadelstich Die Zahl der berufsbedingten Stichverletzungen durch Injektionsnadeln wird in Deutschland auf etwa 500.000 pro Jahr geschätzt, doch nur 9 bis 13 Prozent davon werden gemeldet. Dies berichtete Andrea Maiwald vom Vorstand der Konferenz onkologischer Kranken- und Kinderkrankenpfleger (KOK) bei einer Pressekonferenz der Amgen in München.
Die meisten Verletzungen geschehen beim Versuch, die Schutzhülle nach der Injektion wieder auf die Nadel zu stecken, sagte die Krankenschwester. Dies sei jedoch völlig unnötig, denn in den üblichen Entsorgungsboxen seien die gebrauchten Nadeln auch ohne Kappe sicher verwahrt. Aus eigener Erfahrung riet sie, die Hülle nach dem Abziehen sofort wegzulegen, um dem Automatismus des Wieder-Aufsteckens zuvorzukommen. Ist es doch passiert, scheuen viele Betroffene den Aufwand und die Zeit, die die Dokumentation und die eventuell nötige postexpositionelle HIV- und Hepatitis-Infektionsprophylaxe erfordern, und melden den Vorfall daher nicht.
Der neue Injektor, den Amgen für den Erythropoese-stimulierenden Faktor Darbepoetin alfa anbietet (Aranesp® SureClick™), sei leicht zu bedienen und biete mehr Sicherheit, erklärte Maiwald. Die Nadel schnappt nach der Injektion so tief in eine Hülse zurück, dass man sich nicht stechen kann. Trotz der einfachen Handhabung brauche der Patient Beratung und Schulung für den Umgang mit dem Einmalgerät
Literatur: Bokemeyer, C., et al., EORTC guidelines for the use of erythropoietic proteins in anaemic patients with cancer. Eur. J. Cancer 40 (2004) 2201-2216.
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