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Doppelte Wirkung gegen Milzbrand-Erreger

Datum 13.10.2003  00:00 Uhr

Doppelte Wirkung gegen Milzbrand-Erreger

von Dagmar Knopf, Berlin

Forscher der Harvard Medical School haben einen neuen Impfstoff gegen Anthrax-Bakterien entwickelt. Dieser schützt nicht nur vor den bakteriellen Giftstoffen, sondern greift die Pathogene auch direkt an.

Seit den Terroranschläge vom 11. September ist die Angst vor erneuten Angriffen mit Biowaffen sehr groß. Umso beunruhigender ist die Tatsache, dass es bislang keinen direkten Impfstoff gegen den Milzbrand-Erreger Bacillus anthracis gibt.

Allerdings existiert ein Impfstoff aus abgetöteten Erregern (anthrax vaccine absorbed, AVA, BioThrax), der vor einer Infektion mit Bacillus anthracis schützt. In der Vakzine enthaltene so genannte schützende Antigene (protective antigen, PA) regen die Bildung von Antikörpern an, die die bakteriellen Gifte neutralisieren und somit unschädlich machen. Ziel von Gi-Eun Rhie und seinem Forschungsteam von der Harvard Medical School war es nun, den herkömmlichen Impfstoff zu verbessern. Das zweite Angriffsziel des neuen Wirkstoffs sollten die Bakterien selbst sein. Dafür kombinierten sie den vorhandenen Impfstoff mit einer neuen Komponente, die das Bakterium direkt angreift (Proceedings of the National Academy of Sciences, Onlineveröffentlichung vom September 2003).

Um den Angriffen des Immunsystems zu entgehen, hüllen sich die Anthrax-Bakterien in eine schützende Kapsel, bestehend aus Poly-gamma-D-Glutaminsäure (PGA). Die Eiweißtarnung verbirgt die Bakterien vor der Überwachung des Immunsystems auf bisher unbekannte Weise. Auch Pneumokokken und Meningokokken verstecken sich eingekapselt in einer ähnlichen Hülle. Wie essenziell dieser Schutz für eine ungehinderte Vermehrung ist, zeigen Bakterienstämme, denen die Hülle fehlt. Die schutzlosen Bakterien werden vom Immunsystem erkannt und durch Phagozytose eliminiert. Als Folge sind sie nicht virulent.

So lag es nahe, die Bestandteile der Proteinhülle als Antigen zu verwenden und die mögliche Produktion wirksamer Antikörper zu untersuchen. Nach Gewinnung, Reinigung und Degradierung von PGA immunisierten die Forscher Mäuse mit dem kombinierten Impfstoff, bestehend aus PGA- und PA-Antigenen. Das eine Woche nach Immunisierung entnommene Serum zeigte hohe Konzentrationen von IgG-Antikörpern sowohl gegen PGA als auch gegen PA. Die höchsten Antikörperkonzentrationen erzielten die Forscher nach dreimaliger Immunisierung im Abstand von 14 Tagen.

Anschließend injizierten sie den dreimalig immunisierten Mäusen eine tödliche Dosis Anthrax-Bakterien. Während ungeschützte Mäuse nach einer anfänglichen Phase der Hyperaktivität in Lethargie verfielen und schließlich starben, erholten sich die geimpften Mäuse nach einer kurzen Phase verminderter Aktivität vollständig.

Die PGA-Antikörper lösen, nachdem sie sich an die Bakterienkapsel angekoppelt haben, über das Komplementsystem die Lyse der Erreger aus. Zusätzlich neutralisieren PA-Antikörper möglicherweise entstandenes Bakteriengift. Die Kombination zweier Wirkstoffe, die sich im Mausversuch als so erfolgreich erwies, könnte prinzipiell auch für andere Infektionskrankheiten neue Möglichkeiten eröffnen, spekuliert Rhie.

Der genaue tödliche Wirkmechanismus des Milzbrand-Erregers ist bislang nicht bekannt. Man weiß, dass sich das Bakterium, nachdem es in den Wirt eingedrungen ist, in den Makrophagen vermehrt. In diesen Zellen lassen sich die Bakterien in die Lymphknoten transportieren. Werden sie anschließend aus den Zellen freigesetzt, gelangen gleichzeitig hohe Konzentrationen von bakteriellen Giftstoffen in den Blutstrom. Bisher nahmen Mediziner an, dass diese Exotoxine über die Freisetzung von Zytokinen aus geschädigten Makrophagen einen septischen Schock auslösen, der zum Tode führt. Neueste Ergebnisse von Stephen Leppla von den National Institutes of Health in Bethesda stellen diesen Wirkungsweg jedoch in Frage (Journal of Clinical Investigation, Band 112, Seite 670 bis 682). Die Forscher um Leppla infizierten Mäuse mit Milzbrand, deren Makrophagen immun gegen die Anthrax-Toxine sind. Trotz Immunität starben die Mäuse an der Infektion. Daraus schließen die Forscher, dass die Makrophagen als Angriffsziel der tödlichen Giftstoffe ausscheiden.

 

Milzbrand Milzbrand (Anthrax) ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die hauptsächlich Huftiere wie Schafe und Kühe betrifft, aber auch auf den Mensch übergehen kann. Erreger der Krankheit ist Bacillus anthracis, ein grampositives, aerobes, unbewegliches, sporenbildendes Stäbchen. Je nach Eintrittspforte der Bakterien können Haut-, Lungen- oder Darmmilzbrand auftreten. Bei über 90 Prozent der Erkrankungen ist die Haut betroffen. Bei Kontakt mit kontaminierten Tierprodukten gelangen die Erreger durch kleine Verletzungen in die Haut, wo sie kleine Knötchen hervorrufen. Diese entwickeln sich schnell zu schwärzlichen Geschwüren. Zu den Allgemeinsymptomen zählen Fieber, Benommenheit und Kreislaufstörungen.

Ohne Antibiotika-Therapie sterben zwischen 5 und 20 Prozent der Patienten. Nach der Inhalation der Milzbrandsporen treten anfangs unspezifische grippeähnliche Symptome auf. Innerhalb von zwei bis drei Tagen erkranken die Patienten schwer: Sie entwickeln hohes Fieber, Brustschmerzen und eine Blutvergiftung und sterben schließlich an Herz-Kreislauf-Versagen. Die Mortalität liegt beim Lungenmilzbrand ebenso wie bei der dritten Form, dem Darmmilzbrand, sehr hoch. Dieser entsteht durch den Verzehr von kontaminiertem Fleisch und ungekochter Milch. Kennzeichnend sind Leibschmerzen, Blähsucht, blutige Stühle und später eine Schocksymptomatik. Zur Therapie von Milzbrandpatienten werden Antibiotika, hauptsächlich Ciprofloxacin, Penicillin und Doxycyclin eingesetzt.

Der letzte Milzbrandfall in Deutschland trat laut Angaben des Robert-Koch-Instituts 1984 auf. Die Krankheit kommt vor allem in wärmeren Klimazonen (Südamerika, Afrika, Südostasien) vor. Ein besonderes Infektionsrisiko tragen Personen, die beruflich mit Tieren und Tierprodukten umgehen, also Land- und Forstarbeiter.

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