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Die Uhr tickt noch langsam

12.09.2005  00:00 Uhr
Chronopharmakologie

Die Uhr tickt noch langsam

von Daniel Rücker, Frankfurt am Main

Die innere Uhr tickt in jeder Zelle, in jedem tierischen und pflanzlichen Organismus. Sie bestimmt den Tagesgang zahlreicher Körperfunktionen und hat auch Einfluss auf die Wirkung von Arzneimitteln. Doch die Erkenntnisse zur Chronopharmakologie sind bislang noch sehr lückenhaft.

Der Begriff »innere Uhr« leitet in die Irre. Er müsste eigentlich im Plural verwendet werden, denn der Organismus hat nicht einen, sondern Milliarden Zeitgeber. In jeder Zelle arbeiten die Tagesrhythmen-kontrollierenden Gene per1, per2, per3 sowie die Cryptochrome-Gene cry1 und 2. In den vergangenen Jahren haben Forscher immer besser verstanden, wie diese Gene arbeiten. »Ihre Genprodukte wirken auf die Uhr-kontrollierten Gene und auf Uhr-kontrollierte Systeme«, erklärte Professor Dr. Horst Werner Korf, Direktor des Instituts für Anatomie am Klinikum der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt am Main. Die Uhr-kontrollierten Systeme steuern das autonome Nervensystem und hier vor allem das Melatonin produzierende Pinealorgan.

Das Gehirn sorgt dafür, dass die Milliarden Uhren im Takt ticken. Spezielle, lichtempfindliche Zellen in der Retina, die circadianen Photorezeptoren, senden Informationen über den Tagesgang an eine Struktur im Hypothalamus, den Nucleus suprachiasmaticus (SCN). Von dort werden die Informationen über verschiedene Hormone an verschiedene Organe weitergeleitet.

Das Licht ist zwar der wichtigste Zeitgeber für die innere Uhr, aber nicht der einzige. Auch so genannte soziale Zeitgeber, wie das Klingeln des Weckers, die Mittagspause oder andere regelmäßige Ereignisse bestimmen ihren Lauf mit.

Medikamente zur richtigen Zeit

Angesichts der zentralen Bedeutung der inneren Uhr ist es wenig erstaunlich, dass sie auch die Wirkung und Verträglichkeit von Arzneimitteln beeinflusst. Manche Arzneimittel wirken morgens besser als abends, andere sind in der Nacht verabreicht besser verträglich. Doch der als Chronopharmakologie bezeichnete Forschungszweig steht noch am Anfang. Die meisten Erkenntnisse gründeten auf Untersuchungen an Tieren, auf zufälligen Beo\-bachtungen oder vergleichsweise kleinen Studien beim Menschen, sagte Professor Dr. Jörg Stehle von der Frankfurter Universität.

Völlig im Dunkeln tappen die Wissenschaftler allerdings nicht mehr. Korf berichtete, dass Pariser Mediziner festgestellt haben, dass Zytostatika weniger gastrointestinale Nebenwirkungen verursachen, wenn sie nachts, also außerhalb der Aktivitätsphase des Darms verabreicht werden. Ebenfalls bekannt ist, dass die Einnahme des CSE-Hemmers Simvastatin abends effektiver ist als morgens, da abends die körpereigene Cholesterolsynthese auf Hochtouren läuft. Dies ergab eine 2003 publizierte britische Studie. Auch in die Asthmatherapie fließen mittlerweile chronopharmakologische Aspekte ein. Die Steroide entfalten nach neueren Erkenntnissen eine bessere Verträglichkeit, wenn sie morgens und nachmittags gegeben werden. So soll sich die mögliche nächtliche Suppression der Aktivität Nebennierenrinde verhindern lassen.

Bislang tickt die Uhr für die Chronopharmakologie noch langsam. In den nächsten Jahren könnte sich das Tempo des Erkenntnisgewinns jedoch deutlich beschleunigen. Viele der chronobiologischen Informationswege, über die im Körper die zellulären Uhren gesteuert werden, seien noch unbekannt, so Stehle. In zwei Fällen sind die Wissenschaftler zwar in den vergangenen Jahren deutlich vorangekommen. So beeinflusst der SCN über die Ausschüttung von Noradrenalin die Aktivität des Pinealorgans und über Glucocorticoide die Leber. Es sei jedoch denkbar, dass ganz zentrale Mechanismen noch nicht entdeckt wurden. Diese könnten wiederum für einen effektiveren Arzneimitteleinsatz genutzt werden.

Mehr Tempo könnte die Forschung auch bekommen, so Stehle, wenn sich die pharmazeutische Industrie stärker daran beteilige. Bislang sei ihr Interesse an der Chronopharmakologie gering. Top

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