Glaukompatienten gut versorgt |
24.06.2002 00:00 Uhr |
Arzneimittelanalyse
von Helmut Schlager, München
Der Grüne Star, das Glaukom, gehört nicht nur weltweit, sondern auch in Deutschland zu den Haupterblindungsursachen. Die Bayerische Landesapothekerkammer initiierte daher eine Untersuchung zur Versorgungssituation von Glaukompatienten in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen.
Der Glaukom-Studie liegt die gleiche Methodik zugrunde wie den Analysen der Versorgung von Osteoporose- und Alzheimer-Patienten, die bereits in den letzten beiden Jahren abgeschlossen wurden. Anhand einer Rezeptanalyse wurde unter Berücksichtigung des Datenschutzes auf apothekeneigene Daten der Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheken GmbH (VSA) zurückgegriffen.
Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden hier nur die bayerischen Ergebnisse vorgestellt. Sie sind mit den Zahlen aus den beiden anderen Bundesländern nahezu deckungsgleich. Die Untersuchung lief von Juni 2000 bis Juli 2001; analysiert wurden die Rezeptdaten von GKV-Patienten, die älter als 40 Jahre waren.
Verordnungen reichen aus
In Bayern erhielten im Untersuchungszeitraum insgesamt 157.582 Patienten ein Arzneimittel zur Glaukombehandlung. Dies entspricht etwa 1,5 Prozent der etwa 10,3 Millionen GKV-versicherten Personen. Bundesweit wird nach Expertenangaben etwa eine Million Menschen, also etwa 1,2 Prozent der Bevölkerung wegen dieser Erkrankung behandelt. Fachleute gehen davon aus, dass ebenso viele Patienten unentdeckt sind und somit nicht behandelt werden, einfach weil ihr Glaukom (noch) nicht diagnostiziert wurde. Dies deckt sich mit den Schätzungen, dass bis zu 2,4 Prozent der Bevölkerung am grünen Star erkrankt sind. Für die erkannten Fälle der Glaukomerkrankung, in Bayern bei den untersuchten 157.582 Patienten, konnten wir eine sehr gute Arzneimittelversorgung feststellen:
Die Studie berücksichtigte die Verordnung von Beta-Adrenozeptorenblockern, Sympathomimetika, Parasympathomimetika, Carboanhydratasehemmern und Latanoprost (jeweils Augentropfen, -gele oder -salben). Innerhalb dieser Wirkstoffgruppen zur Behandlung des Glaukoms lag der Versorgungsgrad - je nach Arzneistoffgruppe - zwischen 297 und 334 Tagen. Nur die Gruppe der Carboanhydratasehemmer wich mit nur 243 von 365 Tagen von dem Ergebnis ab. Hierbei handelt es sich jedoch um Medikamente, die auch für andere Indikationen eingesetzt werden, die keine Dauertherapie erfordern, zum Beispiel ein Makulaödem. Diese Gruppe wird daher bei der Bewertung des Versorgungsgrades nicht herangezogen.
Der Versorgungsgrad (Anzahl der durch die Therapie abgedeckten Tage pro Jahr) lag zwischen 81,4 und 91,5 Prozent. Da diese rein rechnerische Betrachtung streng von den jeweiligen Aufbrauchfristen ausgeht, stellt dieser Wert einen zwar methodisch korrekten, aber noch zu vorsichtigen Schätzwert dar. Praktiker bestätigen, dass Patienten ihre Augentropfen sehr häufig noch etwas über die jeweilige Aufbrauchfrist hinaus anwenden. Dies ist aus Sicht des Patienten nachvollziehbar, da die Präparate in der Regel einen nicht unerheblichen Überfüllungsgrad aufweisen. Insgesamt kann man daher davon ausgehen, dass der Versorgungsgrad bei der Behandlung des Glaukoms in den von uns erfassten Fällen bei fast 100 Prozent liegt.
Niedrige Therapiekosten
Zusammenfassend lässt sich als ein ganz wesentlicher Unterschied zu den Untersuchungen zur Versorgungssituation von Osteoporose- und Alzheimer-Patienten feststellen: Während bei diesen beiden Indikationen eklatante Mängel, also eine erschütternde Unterversorgung festzustellen war, konnte bei der Glaukom-Untersuchung gezeigt werden, dass die Betroffenen gut bis sehr gut versorgt werden. Die Gründe hierfür müssten in weiteren Untersuchungen ermittelt werden.
Aus unserer Sicht sind folgende Ursachen denkbar: Während es für Osteoporose keinen speziellen Facharzt gibt und Patienten mit Alzheimer-Demenz von verschiedenen ärztlichen Fachrichtungen betreut wird, werden Glaukompatienten fast ausnahmslos von Augen-, somit also Fachärzten behandelt. Zudem liegen die durchschnittlichen Kosten der Arzneitherapie für Glaukompatienten deutlich niedriger als die für Osteoporose und Morbus Alzheimer (Jahrestherapiekosten je nach Präparat bei Glaukom 53 bis 190 €, bei Morbus Alzheimer 1416 bis 1873 €, bei Osteoporose, hier speziell Fosamax®: 666 €).
Darüber hinaus sind viele weitere Gründe denkbar: eine generell bessere Aufklärung über den Grünen Star, die Angst des Patienten vor einer Erblindung, die ihn zum Augenarzt und damit in die Therapie führt, die starke Tabuisierung der Alzheimer-Demenz, das Image der Osteoporose-Erkrankung als typisch altersbedingte Mangelerkrankung, der mit etwas mehr Calcium und Sport vermeintlich ausreichend vorgebeugt werden könne. Sicher spielt es auch eine erhebliche Rolle, dass am Glaukom auch jüngere berufstätige Menschen erkranken, während Osteoporose und Demenzen bevorzugt jenseits der Pensionierungsgrenze auftreten, deren Früherkennung und Behandlung den Ärzten und Versicherungsträgern somit weniger vordringlich erscheinen. Nicht zuletzt wird es einen geschlechterspezifischen Aspekt geben, da die Osteoporose überwiegend Frauen betrifft und die Pflege Demenz-kranker Angehöriger überwiegend Ehefrauen und Töchter leisten.
Offene Fragen, deren Beantwortung sicherlich interessante Ansätze für eine Weiterentwicklung im Gesundheitswesen böte.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Helmut Schlager
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Projektpartner:
Bayerische Landesapothekerkammer,
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