Auch moderne Antiepileptika helfen nicht jedem Patienten |
12.06.2000 00:00 Uhr |
Hippokrates hat es 400 Jahre vor Christus bereits richtig erkannt: Die Epilepsie ist keine heilige Krankheit, sondern auf eine Schädigung des Gehirns zurückzuführen. Etwa 800.000 Menschen leiden heute in Deutschland an dieser ZNS-Erkrankung, die immer noch bei etwa jedem Dritten keiner Therapie zugänglich ist. Professor Dr. Gerd Dannhardt vom Institut für Pharmazie der Universität Mainz stellte in Meran die Fortschritte in der Therapie vor.
Die Ursache der Krampfanfälle vermutet man an mehreren Stellen im ZNS und versucht, dort therapeutisch einzugreifen. Eine Instabilität des Membranpotenzials, bei der spannungsabhängige Natrium- und Calciumkanäle involviert sind, soll die Krampfschwelle erniedrigen. Ebenso kann ein Ungleichgewicht von inhibitorischen Neurotransmittern wie g-Aminobuttersäure (GABA) und erregenden Botenstoffen wie Glutamat den GAU im Gehirn auslösen. Dass diese beiden Stoffe eng zusammenhängen, zeigte der pharmazeutische Chemiker anhand der Biosynthese. GABA entsteht aus Glutamat, andererseits wird sie zu Bernsteinsäure-Derivaten abgebaut, aus denen wiederum Glutamat entsteht.
Zu den Basisarzneimitteln der ersten Generation zählen Carbamazepin (bei fokalen und Grand-mal-Anfällen) und Valproinsäure (eher bei generalisierten Anfällen). Sie greifen in die GABA-erge Neurotransmission ein. Neuere Vertreter sind die GABA-Analoga Gabapentin, Tiagabin und Vigabatrin sowie das strukturell abweichende Topiramat. Seit kurzem ist auch Oxcarbazepin, ein Oxo-Derivat des Carbamazepin, in Deutschland zugelassen. Gabapentin wird überdies mit Erfolg bei chronischen neuropathischen Schmerzen eingesetzt, zum Beispiel bei diabetischer Neuropathie oder Trigeminusneuralgie, ergänzte Dannhardt in der Diskussion. Auch bei Vigabatrin erforscht man neue Indikationen: In den USA wird es beim Entzug von Drogen oder Alkohol geprüft.
Statt die Konzentration des hemmenden Botenstoffs anzuheben, kann man auch die Freisetzung von Glutamat drosseln. Dies gelingt mit Stoffen wie Phenobarbital oder Phenytoin sowie mit den moderneren Verbindungen Felbamat, Lamotrigin und Topiramat. Alle neuen Antiepileptika werden zunächst nur zur Add-on-Therapie (Zusatztherapie) zugelassen.
Ein in den USA seit 1. Dezember 1999 zugelassener Wirkstoff ist besonders interessant: Levetiracetam, das strukturell dem Nootropikum Piracetam ähnelt, wirkt antikonvulsiv und antiepileptogen. Es bindet stereoselektiv an eine synaptische Plasmamembran, vermutlich einen Ionenkanal, berichtete Dannhardt. Bei Therapie-refraktären Epilepsien konnte Levetiracetam die Anfallshäufigkeit immerhin halbieren.
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